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60 Jahre Berliner Luftbrücke

Berlin, 1948. Am 25. Juni befiehlt der amerikanische General Lucius D.Clay die Errichtung einer Luftbrücke für West-Berlin. Die anderen Westalliierten schließen sich an. Die Sowjetunion hat zuvor die Stadt von allen Versorgungslieferungen abgeschnitten. Über den Flughafen Tempelhof fliegen schon bald die ersten "Rosinenbomber" - RIAS-Reporter Jürgen Graf ist mit dem Mikrofon dabei.

Von Götz Gerson |
    "Berlin im RIAS befinde ich mich mit dem Mikrofon auf dem Wasser und zwar an der Klaren Lanke … Wir erwarten das erste Flugboot das nun von englischer Seite in die Luftversorgung von Berlin eingreift."

    Dass die Versorgung von über zwei Millionen Menschen dauerhaft aus der Luft erfolgen kann, glaubt zu diesem Zeitpunkt aber niemand. Die Westalliierten wollen zunächst lediglich Zeit gewinnen, denn durch die Blockade sehen sie sich vor eine schwer wiegende Entscheidung gestellt: entweder Krieg um Berlin zu führen – oder aber die Stadt aufzugeben und sich zurückzuziehen. Lebensmittellieferungen sollen vorerst die Moral der Westberliner stärken, denn eines ist sicher: Verlieren die Menschen den Mut, gibt es für die Westmächte in Berlin nichts mehr zu verteidigen.

    Am 26. Juni landet das erste Luftbrückenflugzeug auf dem Tempelhofer Flugplatz. Der RIAS ist mit dabei.

    "Vor wenigen Minuten um 14:17 Uhr ist die erste Skymaster hier angekommen und hat Kohle herüber gebracht. … Große Sattelzüge sind hier angelaufen, die insgesamt 10 Tonnen fassen können, um diese Kohle abzuschleppen."

    Von der rasanten Präzisionsarbeit auf dem Flugfeld zeigt sich auch der Reporter von RIAS Berlin ein ums andere Mal beeindruckt. Gerhard Löwenthal, der spätere "ZDF Magazin" Leiter.

    "Wir haben uns von der Startbahn abgehoben und gewinnen an Höhe. Wir sind jetzt schon ziemlich hoch, wir sehen unter uns die Umgebung von Frankfurt erscheinen, es wird immer kleiner und wir gewinnen immer mehr an Höhe, der Pilot geht auf Kurs und schwenkt ein in den vorgeschriebenen Korridor nach Berlin."

    Während der Berlin-Krise 1948 entwickelt sich übrigens der RIAS zum wichtigsten Kommunikationsmittel der blockierten Stadt. Die Übertragungen der pathetisch instinktsicheren Reden Ernst Reuters, die enthusiastischen Reportagen der RIAS-Reporter und die Kommentare und Analysen, stärken das Zusammengehörigkeitsgefühl und den Durchhaltewillen der Westberliner.

    Zum Ende der Blockade gaben 93 % der Befragten den RIAS als den Sender an, den sie normalerweise hörten. Der "Berliner Rundfunk" hatte den Großteil seiner Hörerschaft eingebüßt, weil er die zynische SED-Meinung verbreitete, es gäbe eigentlich gar keine Blockade, wie man an der bestens funktionierenden Versorgung im Ostteil Berlins sähe. Wohl auch deshalb ist kein Archivmaterial des Berliner Rundfunks über die Luftbrücke abgelegt.

    Eine unruhige Zeit. Während die Presse in Ostberlin Propaganda macht gegen die Westmächte, kursieren in der Stadt Gerüchte, die Amerikaner könnten doch abziehen und Westberlin aufgeben. Pressemeldungen überstürzen sich, öffentliche Erklärungen und Versammlungen gehören fast schon zur Tagesordnung. Es ist auch die Zeit der moralischen Appelle an die Westberliner, den Willen zur Freiheit täglich aufs Neue zu beweisen.

    Berlins Oberbürgermeister Ernst Reuter, das Symbol der Berliner für Freiheit und Durchhaltewillen in der damaligen Zeit, wendet sich häufig mit Ansprachen über den Sender RIAS Berlin an die Bevölkerung:

    Am 9. September 1948 appelliert er schließlich an die westliche Welt, Berlin nicht fallen zu lassen:

    "Ihr Völker der Welt … schaut auf diese Stadt …"

    Seit den ersten Landungen der später von den Berlinern "Rosinenbomber" genannten Transportflugzeuge, ist die Luftbrücke das beherrschende Thema der Stadt.

    Ihren absoluten Höhepunkt erreicht die Luftbrücke am 16. April 1949. Alle 62 Sekunden landet jetzt ein Rosinenbomber. 12.900 Tonnen Versorgungsgüter werden allein an diesem Tag in die Stadt geflogen, das ist dreimal so viel, wie zu Beginn der Luftbrücke für den täglichen Minimalbedarf der Westberliner berechnet wurde. Die Luftbrücke hat ihre Leistungsfähigkeit demonstriert, die Sowjetunion hebt daraufhin schließlich am 12. Mai 1949 - nach fast einem Jahr – die Blockade auf.

    Dem RIAS aber fiel ca. fünf Jahre später bei den Arbeiteraufständen in Ost Berlin vom 17. Juni 1953 wieder eine wichtige Rolle als Informationsquelle für die Menschen in der sogenannten "Zone" zu.