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"630 Euro im Monat"

Für ausländische Studierende ist es oft besonders schwer sich über Wasser zu halten. Laut einer Untersuchung des Deutschen Studentenwerks verfügen sie über deutlich weniger Geld als ihre deutschen Kommilitonen.

Moderation: Jörg Biesler | 05.04.2007
    Jörg Biesler: Wie schwierig es ist, als Ausländer in Deutschland zu studieren und sich dieses Studium auch noch selbst zu finanzieren, das haben wir gerade gehört. Ich bin jetzt verbunden mit Stefan Grob, Pressesprecher des Deutschen Stundentenwerks. Herr Grob, diese wirklichen existentiellen Schwierigkeiten von Studierenden aus Osteuropa oder aus Afrika, kennen Sie die, kommen die zu den Studentenwerken?

    Stefan Grob: Wir kennen diese Studierenden und deren Schwierigkeiten sehr gut, weil wir zum Beispiel in unseren Wohnheimen über 80.000 ausländische Studierende haben, viele aus genau diesen Ländern, und wir sozusagen in unserer täglichen Arbeit damit konfrontiert sind, wie schwierig es für diese Studierenden ist, in Deutschland sich über Wasser zu halten und in Deutschland tatsächlich studieren zu können. Wir haben auch die Situation ausländischer Studierenden vor zwei Jahren in einer Untersuchung mal genauer angeguckt und haben festgestellt, die haben im Bundesdurchschnitt etwa 630 Euro im Monat zur Verfügung. Das sind fast 140 Euro weniger als die deutschen Studierenden, die eben 770 Euro im Monat Einnahmen haben, und das zeigt vielleicht auch und ist vielleicht auch eine kleine Illustration zu den wirklich existentiellen Nöten, die Sie in Ihrem Beitrag vorher gezeigt haben.

    Biesler: Können Sie den helfen, außerhalb von Wohnheimen?

    Grob: Wir helfen auf ganz verschiedenen Wegen, indem wir die ausländischen Studierenden nicht nur in unseren Wohnheimen betreuen, ihnen helfen, sich im deutschen Hochschulsystem, was ja nicht gerade einfach und übersichtlich ist, sich zurechtzufinden. Und wir versuchen sie auch, wenn es denn geht, nach Kräften finanziell zu unterstützen, stoßen dabei manchmal natürlich auch an unsere Grenzen.

    Biesler: Die Bundesregierung plant gerade ein neues Zuwanderungsgesetz, das wird auch Veränderungen bringen für die Studentinnen und Studenten, auch was die finanzielle Situation angeht?

    Grob: Ja, das neue Zuwanderungsgesetz bringt für ausländische Studierende Licht und Schatten. Es ist sicher eine Verbesserung, dass die ausländischen Studierenden, was sie bisher auch schon konnten, aber wie es im Zuwanderungsgesetz auch geregelt ist, dass sie nebenbei jobben können, und sie dürfen in Zukunft auch weiter jobben, wenn sie Absolventen sind, also wenn sie ihr Studium abgeschlossen haben und während eines Jahres in Deutschland auf Jobsuche gehen können. Da wird ihnen jetzt offiziell die Möglichkeit eingeräumt, an 180 halben oder 90 ganzen Tagen arbeiten zu können. Das ist eine klare Verbesserung.

    Biesler: Also sie müssen nicht mehr schwarzarbeiten, was dann quasi auch ihre Verhandlungsposition gegenüber möglichen Arbeitgebern verbessert. Wie sieht es aus mit den Aufenthaltserlaubnissen? Da überlegt die Bundesregierung, sie unter Umständen auf ein Jahr zu befristen.

    Grob: Das tut die Bundesregierung, und das sehen wir sehr kritisch. Dahinter stecken natürlich nachvollziehbare sicherheitspolitische Überlegungen. Die Bundesregierung hat selber im Gesetzentwurf geschrieben, dass sie auf Grund der neuen sicherheitspolitischen Lage den Ausländerbehörden die Möglichkeit geben will, ausländische Studierende besser zu kontrollieren und zu begleiten. Das kann man einerseits nachvollziehen. Andererseits sind wir der Meinung, dass man ein Gleichgewicht finden muss in der Praxis, also auch in der Praxis der Ausländerbehörden, zwischen Sicherheit und natürlich den Bedürfnissen der ausländischen Studierenden, hier auch ein Studium längerfristig planen zu dürfen. Wenn Sie sich vorstellen, jemand kommt hierher und möchte zügig und schnell und erfolgreich in dreieinhalb Jahren einen Bachelor-Abschluss erwerben an einer deutschen Hochschule, dann bedeutet diese Möglichkeit, dass jetzt die Aufenthaltserlaubnis nur noch für ein Jahr erteilt werden soll, dass er oder sie im Extremfall viermal um eine Verlängerung oder um die Aufenthaltserlaubnis nachfragen muss bei den Behörden und das ganze Prozedere viermal über sich ergehen lassen muss.

    Biesler: Etwas besser soll es werden, was die Mobilität angeht, also Sprachkenntnisse, die vorausgesetzt werden, und die Beweglichkeit in Europa.

    Grob: Das stimmt. Ausländische Studierende, die einmal erfolgreich ein Zulassungsverfahren und auch ein aufenthaltsrechtliches Verfahren hinter sich gebracht haben in einem EU-Land, denen soll es leichter gemacht werden, in einem anderen EU-Land dann auch sich um einen Studienplatz zu bewerben, und für Deutschland ist sicher positiv festzuhalten: Wenn jetzt die Hochschulen im Rahmen ihres Zulassungsverfahrens die individuellen Sprachkenntnisse der ausländischen Studierenden geprüft haben, dann soll das ausreichen, und Englisch wird auch als Wissenschaftssprache oder als Ausbildungssprache anerkannt. Das ist ein Zugeständnis daran, dass eben Englisch auch in vielen deutschen Hochschulen inzwischen gängige Wissenschaftssprache ist. Es gibt immerhin 460 englischsprachige Bachelor- und Masterstudiengänge an unseren Hochschulen.

    Biesler: Wenn Sie die Änderungen im Zuwanderungsgesetz jetzt insgesamt einschätzen, verbessert das eher die Lage der ausländischen Studierenden, die wir ja hier brauchen in Deutschland, oder wird es für die noch schwerer?

    Grob: Ich würde sagen, beides. Es gibt einige dezidierte Verbesserungen, die ich eben auch genannt habe, mehr Mobilität, Sprachkenntnisse werden nur noch einmal geprüft. Andererseits sehen wir auch die Gefahr, dass ausländische Studierende im Grunde genommen potentiell erst mal als ein Sicherheitsrisiko gesehen werden, und deshalb sollen ja auch die Ausländerbehörden die Aufenthaltsbewilligung nur noch für ein Jahr erteilen können im Einzelfall, das muss im Einzelfall geprüft werden, und wir sehen einfach die Gefahr, dass in der Praxis das für viele ausländische Studierende bedeutet, dass sie höchstens für ein Jahr planen können, immer nach einem Jahr auch vor der Unsicherheit stehen, darf ich in Deutschland bleiben, kann ich in Deutschland bleiben. Und vieles hängt ja nicht so sehr vom Gesetz, sondern von der Praxis ab, wie ein Gesetz umgesetzt wird, und da appellieren wir doch an die Behörden, bitte im Sinne der ausländischen Studierenden, aber auch im Sinne des Zieles zu agieren, Deutschland als Studienstandort attraktiver zu machen.

    Biesler: Vielen Dank für das Gespräch.