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650 Quadratmeter Frankreich

Kritiker halten das Projekt für ideologisch verdächtig. In seiner Ausstellung im Grand Palais zeigt das "Haus der Geschichte Frankreichs" unter anderem riesige historische Frankreichkarten. Die Organisatoren wissen, dass sie noch viel Überzeugungsarbeit leisten müssen.

Von Kathrin Hondl |
    Prächtiger geht es wohl kaum: Unter der enormen Glaskuppel des Grand Palais präsentiert das neu gegründete "Haus der Geschichte Frankreichs" seine erste Ausstellung. Und wer die riesige Halle betritt, findet sich erst einmal auf einer riesigen historischen Frankreichkarte wieder: 650 Quadratmeter Frankreich bedecken den Boden im Grand Palais – genauer: Frankreich im 19. Jahrhundert. Hauptattraktion der Ausstellung jedoch sind 16 historische Reliefkarten, die rund um die historische Frankreichkarte aufgebaut sind: Vergleichbar heutigen Modelleisenbahnen sind das große maßstabgetreu gefertigte Modelle französischer Städte und Landschaften, die von der Zeit des Sonnenkönigs Ludwig XIV. bis zum Ende des 19. Jahrhunderts zu militärischen Zwecken hergestellt wurden.

    "Eine weltweit einzigartige Sammlung","

    schwärmt Maryvonne de Saint-Pulgent, Präsidentin des Hauses der Geschichte Frankreichs:

    ""Diese Reliefkarten gab es zur Zeit der Monarchien überall in Europa. Aber nur der französische Staat hat nach dem Ersten Weltkrieg beschlossen, diese historischen militärischen Hilfsmittel als Kunstwerke zu betrachten und ihnen ein Museum zu widmen."

    Das Museum, in dem die historischen Reliefkarten konserviert werden, das "Musée des Plans-reliefs", befindet sich gar nicht weit vom Grand Palais entfernt im Pariser Invalidendom. Es ist eines von mehr als tausend historischen Museen in Frankreich. Dass jetzt mit dem "Haus der Geschichte Frankreichs" noch ein neues, ein zentrales Museum gegründet wird, wo es in Frankreich schon mehr Geschichtsmuseen als Käsesorten gibt, ist da erstaunlich und sorgt seit mittlerweile zwei Jahren für heftige Debatten. Viele Historiker in Frankreich halten das von Staatspräsident Sarkozy lancierte Projekt für ideologisch verdächtig – so Nicolas Offenstadt, Dozent für Geschichte an der Sorbonne und einer der schärfsten Kritiker:

    "Dieses Projekt ist gefährlich, weil es ein politisches Projekt ist, um eine neue nationale Meistererzählung zu bauen. Das ist nicht eine wissenschaftliche oder museale Frage, aber eine politische Frage. Und Geschichte ist nicht Politik."

    Politik und Geschichte gehörten in Frankreich zusammen, versucht dagegen die Präsidentin des "Hauses der Geschichte Frankreichs" zu beschwichtigen:

    "Die Leidenschaft der Franzosen für die Geschichte begann im 19. Jahrhundert, nach und wegen der Revolution. Sie war also immer politisch. Und Leidenschaft bedeutet eben leidenschaftliche Debatten und Polemik."

    Dass Sarkozys Museumsprojekt bei vielen Historikern keine Gnade findet, liegt unter anderem daran, dass es zeitgleich mit der sogenannten "Debatte über die nationale Identität" angestoßen wurde - eine Debatte, die sich schnell als Forum für rassistische und nationalistische Ideen entpuppte und wieder eingestellt wurde; so wie auch das von Sarkozy eingeführte und ebenso umstrittene "Ministerium für nationale Identität" wieder abgeschafft wurde. Auch das "Haus der Geschichte Frankreichs", so hat es Nicolas Sarkozy immer wieder betont, sollte die "nationale Identität" stärken - eine Idee, die die französische Regierung und die Leiterin des Hauses inzwischen allerdings nicht mehr gerne hören.

    "Die Debatte über nationale Identität hat die Debatte über das Haus der Geschichte beschmutzt","

    sagt Maryvonne de Saint-Pulgent,

    ""dabei hatte beides nichts miteinander zu tun. Es war nur ärgerlicherweise zur gleichen Zeit."

    Das ist allerdings eine deutlich geschönte Version der Gründungsgeschichte des neuen französischen historischen Museums. Möglicherweise aber hat man sich ja die massive Kritik der französischen Historiker auch zu Herzen genommen. Bis zur Eröffnung des "Hauses der Geschichte" 2015 wird jedenfalls, das weiß auch Maryvonne de Saint-Pulgent, noch viel Überzeugungsarbeit zu leisten sein.

    "Wir müssen beweisen, dass wir nützlich sind. Das heißt, wir müssen mit Historikern und Forschungseinrichtungen zusammenarbeiten, gemeinsame Projekte entwickeln und zeigen, dass wir im Sinne der historischen Forschung arbeiten."