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7.3.1904 - Vor 100 Jahren

Am 27. Mai 1942 wurde der Stellvertretende Reichsprotektor von Böhmen und Mähren, Reinhard Heydrich, auf dem Weg nach Prag durch ein Bombenattentat schwer verwundet. Am 4. Juni erlag er seinen Verletzungen. Drei Tage später wurde sein Leichnam auf der Prager Burg aufgebahrt.

Von Volker Ullrich |
    Der am 7. März 1904 Geborene besaß eine für das SS-Führungspersonal nicht untypische Biografie. Er stammte aus bildungsbürgerlichem Hause; sein Vater war der Gründer des Konservatoriums für Musik in Halle. Bereits 1919 schloss sich der 15jährige Schüler einem rechtsradikalen Freikorps an. 1922, nach dem Abitur, trat er als Seekadett in die Reichsmarine ein. Er wollte Admiral werden. Doch wegen "ehrenwidrigen Verhaltens" – er hatte eine Affäre mit einem jungen Mädchen – musste er 1931 den Dienst bei der Marine quittieren.

    Noch im selben Jahr startete Heydrich seine zweite Karriere in der SS, und hier stieg er dank der Protektion des Reichsführers-SS, Heinrich Himmler, rasch auf. Bereits 1932 war er Chef des Sicherheitsdienstes. Nach der "Machtergreifung" wurde er zum Leiter der Bayerischen Politischen Polizei ernannt. 1934 übernahm er das Geheime Staatspolizeiamt in Berlin und erhielt 1936, als Himmler Chef der deutschen Polizei wurde, zusätzlich die Kontrolle über die deutsche Kripo. 1939 schließlich rückte er an die Spitze des neuen Reichssicherheitshauptamtes, das die Kompetenzen der Gestapo, der Kriminalpolizei und des Sicherheitsdienstes zusammenführte. Mit nur 35 Jahren war er einer der mächtigsten Männer des NS-Staates.

    Anders als die meisten hohen Chargen des Regimes entsprach Heydrich schon äußerlich dem Leitbild des Ariers: Er war hochgewachsen, blond und sportlich. Technokratische Effizienz verband sich bei ihm mit absoluter Gefühlskälte. "Ein Mensch wie ein Peitschenknall" – so hat ihn Joachim Fest genannt. Erfüllt zugleich von unstillbarer Machtgier und grenzenlosem Misstrauen schuf er einen gigantischen Überwachungs- und Terrorapparat, dessen Angehörige sich einig wussten in dem unbedingten Willen, die "weltanschaulichen" Ziele des Nationalsozialismus in die Tat umzusetzen.

    Dazu gehörte zuallererst die so genannte "Endlösung", also Deportation und Vernichtung der europäischen Juden. Ende Juli 1941, nach dem deutschen Überfall auf die Sowjetunion, wurde Heydrich von Göring beauftragt, alle dazu "erforderlichen Vorbereitungen" zu treffen. Bevor er für den 20. Januar 1942 die "Wannsee-Konferenz" nach Berlin einberief, um die Maßnahmen der beteiligten Dienststellen zu koordinieren, hatten seine Einsatzgruppen bereits Hunderttausende von Juden in den besetzten sowjetischen Gebieten umgebracht.

    Im Herbst 1941 verließ Heydrich sein Hauptquartier in der Prinz-Albrecht-Straße, um als Stellvertretender Reichsprotektor von Böhmen und Mähren neue Aufgaben zu übernehmen. Auch hier regierte er mit harter Hand. Sein Ziel war es vor allem, die Wirtschaft des Protektorats noch stärker für die deutsche Kriegsindustrie nutzbar zu machen.

    Heydrich fuhr im offenen Wagen, ohne Begleitung, als die Bombe ihn traf. Die Attentäter, zwei junge Widerstandskämpfer, handelten im Auftrage der tschechischen Exilregierung in London. Am 9. Juni 1942 wurde Heydrich in Berlin in einem pomphaften Staatsakt beigesetzt.

    Das Regime nahm grausame Rache. SS-Leute zerstörten das Dorf Lidice und brachten die männlichen Bewohner um. In Prag wurden über 1000 Tschechen hingerichtet. So wirkte der Schrecken, der Heydrichs Name anhaftete, auch noch nach seinem Tod fort.