Karin Fischer: Mein Kollege Stefan Koldehoff hat die Ausstellung gesehen. Trotzdem, Herr Koldehoff, hat der Zweite Weltkrieg ja nicht wenig mit Capas Biographie zu tun, denn er musste als ungarischer Jude, der in Berlin lebte, 1931 vor den Nazis fliehen und hat dann seinen Weg über Wien und Paris bis nach Amerika gemacht. Und von ihm stammen ja auch viele dieser legendären Aufnahmen, beispielsweise von der Landung in der Normandie.
Stefan Koldehoff: Die berühmten Fotos vom so genannten Omaha Beach, unscharfe Bilder, die die Soldaten zu Teil noch im Wasser zeigen, während sie versuchen, von den Landungsschiffen an den Strand zu kommen. Das ist eine der Bildserien, für die Robert Capa berühmt geworden ist und man könnte natürlich, wenn man das auf die heutige Mediensituation überträgt, davon sprechen, dass er so etwas wie einer der ersten "Embedded Journalists" gewesen ist. Auf der anderen Seite unterscheidet er sich ganz wesentlich von den anderen Kriegsberichterstattern, die eben heute beispielsweise mit den amerikanischen Truppen im Irak unterwegs gewesen sind, durch seine kritische Distanz. Er hat sich nie vereinnahmen lassen. Für ihn war es immer distanzierte, kritische Berichterstattung. Er hat sich nie als Kunstfotograf verstanden, sondern als Journalist. Deswegen ist diese Ausstellung im Gropius-Bau in Berlin auch sehr angenehm präsentiert. Es sind eben nicht die großen, auf Hochglanzpapier neu abgezogenen Formate, die dort beispielsweise prätentiös gerahmt zu sehen wären, sondern es sind größtenteils die Originalfotos, mit denen Capa gearbeitet hat, die er an die Magazine geschickt hat, auf denen zum Teil noch seine eigenen Retuschen zu sehen sind, Hintergründe, die er etwas verunschärft hat, Details, die er mit dem Tuschestift noch herausgearbeitet hat. Also eine Ausstellung, die ähnlich unprätentiös und doch eindrucksvoll daher kommt, wie es die Fotographien von Capa selbst sind.
Fischer: Sie haben es angedeutet, er unterscheidet sich von den Kriegsreportern heutiger Tage. Er gilt ja nach gerade als Vertreter einer humanistischen Weltanschauung in der Fotographie. Nun ist klar, dass bei aller realistischen Darstellung des Fotos ja die Auswahl des Fotographen auch mit die Message bestimmt. Hatte er denn eine?
Koldehoff: Er hat immer versucht, diese Kriege, und Sie haben sie vorhin angedeutet, den Spanischen Bürgerkrieg, den chinesischen Wiederstand gegen die japanische Besetzung, den Zweiten Weltkrieg in Europa bis hin zum Krieg in Indochina, er hat immer versucht, seine Sicht der Dinge wiederzugeben. Da muss ich von dem, was ich vorhin über die distanzierte Berichterstattung gesagt habe, ein Stück wieder zurück nehmen. Es gibt natürlich keine objektive Fotographie und Capa war einer derjenigen, die schnell begriffen haben, dass Fotographie die Geschichte nicht nur dokumentiert, sondern sie auch schreibt, indem sie sie nämlich in einer ganz bestimmten Art und Weise wiedergibt. Bei ihm hat sich daraus ein Verhältnis zwischen Wahrheit und Fiktion ergeben, dass man, glaube ich schon, problematisch nennen muss. Es ist nie ganz klar geworden, welches seiner Fotos denn nun tatsächlich so entstanden sind, wie wir sie heute kennen, welche möglicherweise inszeniert sind. Er selbst hat dazu gesagt, er wolle die tatsächliche Wahrheit einer Sache zeigen. Also, natürlich sind im Spanischen Bürgerkrieg bei Capa diejenigen die Guten, die für die Demokratie, für die Republik gekämpft haben und nicht diejenigen, die auf der Seite des faschistischen Diktators Franco gestanden haben. Und so setzt sich das in seinen Bildserien fort.
Fischer: In diesem Zusammenhang kann man ja gleich auch die Frage nach seinem bekanntesten Bild stellen. "Tod in Spanien" oder "Tod des Milizionärs" vom 5. September 1936 aus dem Spanischen Bürgerkrieg, das sehr umstritten ist. Es geht um einen republikanischen Kämpfer, der sozusagen im Fallen von der Kamera getroffen wird. Ist inzwischen geklärt, ob dieses Bild echt ist?
Koldehoff: Nein, es ist nicht geklärt worden. Also, diese Ikone der modernen Fotographie, dieser gefallene republikanische Kämpfer wirft ja auch im letzten Augenblick noch das Gewehr weg. Man kann also dieses Bild sogar programmatisch ausdeuten. Hängt in einem sehr kleinen Abzug und es hängt nicht als solitäre Ikone, sondern tatsächlich in der Reihe einer Reportage, die Capa damals über den Bürgerkrieg gemacht hat. Es hat viele Forschungen zu diesem Bild gegeben. Man hat anhand der Lichtverhältnisse versucht, zu rekonstruieren, ob das nun wirklich in dem Moment, in dem die Kugel trifft, auch geschossen worden sein kann, dieses Foto. Man hat versucht, die Schärfenverhältnisse zu untersuchen. Man kommt aber nach wie vor zu keinem Ergebnis. Überhaupt wird dieser ganze Diskurs über Realität und Fiktion leider nicht in der Ausstellung selbst thematisiert. Das hätte man ja mit Hilfe von Wandtexten, mit Gegenüberstellungen verschiedener Fotographien machen können. Er findet nur im Katalog statt. Im Katalog gibt es einen Zeitgenossen, einen Freund von Capa, der vehement für die Echtheit dieses Bildes plädiert aber Beweise hat er natürlich auch keine. Vielleicht muss man diese Beweise aber auch gar nicht haben, vielleicht reicht es, dieses Bild tatsächlich als Symbol für den Schrecken des Krieges zu sehen.
Fischer: Vielen Dank, Stefan Koldehoff über diesen Bericht über die Robert Capa Retrospektive im Gropius-Bau in Berlin.
Stefan Koldehoff: Die berühmten Fotos vom so genannten Omaha Beach, unscharfe Bilder, die die Soldaten zu Teil noch im Wasser zeigen, während sie versuchen, von den Landungsschiffen an den Strand zu kommen. Das ist eine der Bildserien, für die Robert Capa berühmt geworden ist und man könnte natürlich, wenn man das auf die heutige Mediensituation überträgt, davon sprechen, dass er so etwas wie einer der ersten "Embedded Journalists" gewesen ist. Auf der anderen Seite unterscheidet er sich ganz wesentlich von den anderen Kriegsberichterstattern, die eben heute beispielsweise mit den amerikanischen Truppen im Irak unterwegs gewesen sind, durch seine kritische Distanz. Er hat sich nie vereinnahmen lassen. Für ihn war es immer distanzierte, kritische Berichterstattung. Er hat sich nie als Kunstfotograf verstanden, sondern als Journalist. Deswegen ist diese Ausstellung im Gropius-Bau in Berlin auch sehr angenehm präsentiert. Es sind eben nicht die großen, auf Hochglanzpapier neu abgezogenen Formate, die dort beispielsweise prätentiös gerahmt zu sehen wären, sondern es sind größtenteils die Originalfotos, mit denen Capa gearbeitet hat, die er an die Magazine geschickt hat, auf denen zum Teil noch seine eigenen Retuschen zu sehen sind, Hintergründe, die er etwas verunschärft hat, Details, die er mit dem Tuschestift noch herausgearbeitet hat. Also eine Ausstellung, die ähnlich unprätentiös und doch eindrucksvoll daher kommt, wie es die Fotographien von Capa selbst sind.
Fischer: Sie haben es angedeutet, er unterscheidet sich von den Kriegsreportern heutiger Tage. Er gilt ja nach gerade als Vertreter einer humanistischen Weltanschauung in der Fotographie. Nun ist klar, dass bei aller realistischen Darstellung des Fotos ja die Auswahl des Fotographen auch mit die Message bestimmt. Hatte er denn eine?
Koldehoff: Er hat immer versucht, diese Kriege, und Sie haben sie vorhin angedeutet, den Spanischen Bürgerkrieg, den chinesischen Wiederstand gegen die japanische Besetzung, den Zweiten Weltkrieg in Europa bis hin zum Krieg in Indochina, er hat immer versucht, seine Sicht der Dinge wiederzugeben. Da muss ich von dem, was ich vorhin über die distanzierte Berichterstattung gesagt habe, ein Stück wieder zurück nehmen. Es gibt natürlich keine objektive Fotographie und Capa war einer derjenigen, die schnell begriffen haben, dass Fotographie die Geschichte nicht nur dokumentiert, sondern sie auch schreibt, indem sie sie nämlich in einer ganz bestimmten Art und Weise wiedergibt. Bei ihm hat sich daraus ein Verhältnis zwischen Wahrheit und Fiktion ergeben, dass man, glaube ich schon, problematisch nennen muss. Es ist nie ganz klar geworden, welches seiner Fotos denn nun tatsächlich so entstanden sind, wie wir sie heute kennen, welche möglicherweise inszeniert sind. Er selbst hat dazu gesagt, er wolle die tatsächliche Wahrheit einer Sache zeigen. Also, natürlich sind im Spanischen Bürgerkrieg bei Capa diejenigen die Guten, die für die Demokratie, für die Republik gekämpft haben und nicht diejenigen, die auf der Seite des faschistischen Diktators Franco gestanden haben. Und so setzt sich das in seinen Bildserien fort.
Fischer: In diesem Zusammenhang kann man ja gleich auch die Frage nach seinem bekanntesten Bild stellen. "Tod in Spanien" oder "Tod des Milizionärs" vom 5. September 1936 aus dem Spanischen Bürgerkrieg, das sehr umstritten ist. Es geht um einen republikanischen Kämpfer, der sozusagen im Fallen von der Kamera getroffen wird. Ist inzwischen geklärt, ob dieses Bild echt ist?
Koldehoff: Nein, es ist nicht geklärt worden. Also, diese Ikone der modernen Fotographie, dieser gefallene republikanische Kämpfer wirft ja auch im letzten Augenblick noch das Gewehr weg. Man kann also dieses Bild sogar programmatisch ausdeuten. Hängt in einem sehr kleinen Abzug und es hängt nicht als solitäre Ikone, sondern tatsächlich in der Reihe einer Reportage, die Capa damals über den Bürgerkrieg gemacht hat. Es hat viele Forschungen zu diesem Bild gegeben. Man hat anhand der Lichtverhältnisse versucht, zu rekonstruieren, ob das nun wirklich in dem Moment, in dem die Kugel trifft, auch geschossen worden sein kann, dieses Foto. Man hat versucht, die Schärfenverhältnisse zu untersuchen. Man kommt aber nach wie vor zu keinem Ergebnis. Überhaupt wird dieser ganze Diskurs über Realität und Fiktion leider nicht in der Ausstellung selbst thematisiert. Das hätte man ja mit Hilfe von Wandtexten, mit Gegenüberstellungen verschiedener Fotographien machen können. Er findet nur im Katalog statt. Im Katalog gibt es einen Zeitgenossen, einen Freund von Capa, der vehement für die Echtheit dieses Bildes plädiert aber Beweise hat er natürlich auch keine. Vielleicht muss man diese Beweise aber auch gar nicht haben, vielleicht reicht es, dieses Bild tatsächlich als Symbol für den Schrecken des Krieges zu sehen.
Fischer: Vielen Dank, Stefan Koldehoff über diesen Bericht über die Robert Capa Retrospektive im Gropius-Bau in Berlin.