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70. Geburtstag
Jeff Beck - ohne Plektrum zwischen den Musikstilen

Er wird in einem Atemzug mit Gitarrengrößen wie Eric Clapton, Jimi Hendrix, Keith Richards oder Pete Townsend genannt: Jeff Beck. Nun wird er 70. Musikjournalist Tim Hannes Schauen zieht Bilanz und rechnet mit dem Rock-Gitarristen ab.

Von Tim Hannes Schauen | 21.06.2014
    Ein weiß gekleideter Mann spielt auf einer weißen Gitarre, im dunklen Bühnenhintergrund steht eine Frau mit Baßgitarre.
    Der britische Rockgitarrist feiert am 24.06.2014 seinen runden Geburtstag. (picture alliance / dpa / Guillaume Bonnefont Ressort )
    Ach, Jeff. So wird das nichts mehr. Du bist jetzt so lange im Musikgeschäft aktiv, müsstest es eigentlich besser wissen. Was hättest Du alles haben können, talentiert und hoch veranlagt wie Du zugegebenermaßen bist? Alles! Und noch ein bisschen mehr. Und was machst Du daraus? Instrumentalmusik!
    Okay, nicht mehr zu singen war 1967 nach "Hi Ho Silver Lining" vielleicht eine Deiner besseren Entscheidungen.
    Doch an vielen anderen Stellen - bist du da nicht vielleicht falsch abgebogen? Vor allem an dieser einen Kreuzung: Um es einfach, bequem zu haben, um satt zu sein, hättest Du besser dem Teufel deine Seele verkauft und dreckigen Blues gespielt. So wie Eric Clapton, bevor er bequem und satt wurde und sich an MTV unplugged verkaufte.
    Und schau nur, was aus dem Mann geworden ist, der dir bei den Yardbirds folgte: Jimmy Page. Der ist superstarverdächtig, hat aus heavy Blues kurzerhand harten Rock gemacht. Maßstäbe gesetzt, der hatte sogar ein eigenes Flugzeug. Aber, ok, er ist auch eine zickige Diva. Und das Flugzeug musste er sich mit drei anderen teilen.
    Nachdem deine Jeff Beck Group zerbröselte, Rod Stewart zu den Faces überwechselte und Ron Wood zu den Stones - stehst Du jetzt ganz alleine da. Noch sauer auf Pink Floyd, dass sie David Gilmour und nicht dich für Sid Barret ...?
    Spezieller Musikgeschmack
    Aus dieser frühen Verlustangst, dem handfesten Verlassenwerden könnte dein wechselndes Bindungsverhalten herrühren. Obwohl du es ja immer wieder probiert hast, dich anderen anzuschließen – war aber meist nur von kurzer Dauer. Könnte ja doch auch an deinem speziellen Geschmack liegen. Deine Musik war immer einfach: sehr speziell.
    Mein Gott, mit wem hast du alles schon kooperiert? Mit allem, was nicht bei Drei auf einem Verstärkerturm war! Eine gute Entscheidung also, mal ein Stück von einem echten Musiker zu covern: das von dem blinden schwarzen Keyboarder.
    Und auch auf Stevie Wonders Album mitzuspielen, war ein guter Schachzug. Da kommt man immerhin mal auf die ganz große Bühne.
    Doch kurz danach musstest du deinen Fans ja eine Art Jazz um die Ohren hauen. Naja, der Kritik hat "Blow By Blow" gefallen. Aber: Macht sich gute Kritik im Geldbeutel bemerkbar?
    Nur eine Stratocaster
    Ganz sicher nicht, sonst hättest du dir endlich mal eine neue Gitarre leisten können - also ehrlich: Schon Amateurgitarristen haben mindestens zwei bis drei Werkzeuge im Waffenschrank: Und du? Immer nur die eine olle weiße Stratocaster! Sehr bescheiden!
    Überhaupt: Warum kannst Du nicht wie Millionen anderer vernünftiger Gitarrenspieler ein Plektrum verwenden? Das erhöht den Notendurchsatz auf Dauer doch enorm. Jeff! Shredding ist der neue Blues! Was? Dir ist nicht so wichtig, was du spielst, sondern wie? Jetzt, wo du es sagst. Aber mach es dir nicht so einfach Jeff, kling' doch nicht so gut und derart einzigartig, dass die meisten Sechs-Saiten-Süchtigen dich schon nach zwei bis vier Noten erkennen. Das pure Gefühl. Ist schon nicht so schlecht.
    Okay, du antwortest aber auch mit guter Gegenstrategie: Mäanderst zwischen Genres und Musikstilen, macht das Wiedererkennen schwer. Geschickter Schachzug. Warum sollte man sich auch reduzieren lassen?
    Zahlreiche Alben und Grammy-Auszeichnungen
    16 Studioalben, acht mit Liveaufnahmen. Und eins, zwei, drei, ach, hier ist auch noch einer, und, da, hoppla, der fünfte und letzte Grammy - der ist aber auch schon von 2008. Für eine DVD! Jeff! Ist das Rock 'n' Roll? Okay, der Auftritt und vor allem das Bassolo von Tal Wilkenfeld in "Cause We've Ended As Lovers" in der Bar von Ronnie Scott sind schon ein wahnsinniger Moment der Musikgeschichte.
    Doch müssen so gesetzte wie mit allen dreckigen Wassern gewaschene Herrschaften wie dein Trommler Vinnie Colaiuta und du gleich ihre Verblüffung über Tals Leistung derart unverblümt zum Ausdruck bringen, sodass man sich den Song wieder und wieder anhören und ansehen muss?
    Tja, scheint so. Muss also erst noch ein bisschen Gras drüber wachsen. Also: Bis zum 80., wenn wir dein Lebenswerk würdigen, ist es noch ein etwas hin - da kannst du noch einiges gerade rücken. Streng dich mal an! Derweil zum 70. schonmal: Herzlichen Glückwunsch! Das wird schon. Du bist ja auf einem ganz guten Weg.