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70 Jahre Deutscher Sportbund
"Ein Stück sozialer Kitt"

Gegründet als demokratische Dachorganisation für den westdeutschen Sport musste der Deutsche Sportbund viele Herausforderungen meistern: die Zeit des medizinischen Wettrüstens in Ost und West, die Wiedervereinigung. Der Nachfolgeverband DOSB sieht sich heute ganz anderen Aufgaben gegenüber.

Von Jessica Sturmberg | 10.12.2020
Einen Festakt zum 50-jährigen Bestehen des Deutschen Sportbundes (DSB) begehen am 07.12.2000 im Hodlersaal des Rathauses von Hannover Funktionäre und Gründungsmitglieder. Im gleichen Saal wurde am 10. Dezember 1950 die Dachorganisation des deutschen Sports gegründet. Heute zählt der DSB fast 27 Millionen Mitglieder in 87 700 Turn- und Sportvereinen.
Vor 70 Jahren, am 10. Dezember 1950, wurde der Deutsche Sportbund gegründet. Hier: eine Aufnahme der 50-Jahr-Feier. (dpa / Rainer Jensen)
Die Trimm Dich-Bewegung in den 70er Jahren mit dem Maskottchen Trimmy – ein Aufruf zu mehr Bewegung. Ob Laufen oder Schwimmen oder wie in einem Lied der Bewegung: "Wer das gesellige Zusammensein und die erholsame Stille der Natur gleichermaßen genießen will, für den ist Skiwandern genau das Richtige". Eine gigantische Marketingaktion, von Wirtschaft und Medien mitgetragen, die ein Bewusstsein schaffen sollte für den Breiten- und Gesundheitssport. In einer Zeit, in der sich die Wirtschaftswunderjahre auch in Wohlstandsbäuchen zeigten. Getragen wurde die Bewegung durch den Deutschen Sportbund.
Gegründet am 10. Dezember 1950, um etwas zu schaffen, was heute wie selbstverständlich erscheint: eine übergreifende Dachorganisation für den Sport, wie ein Mann der ersten Stunde, Sportfunktionär Walther Tröger, erklärt: "Der DSB war in einem demokratischen Land die demokratische Dachorganisation der Untergremien, also der Vereine, der Landessportbünde und der Fachverbände für die einzelnen Sportarten."
Mehr Konkurrenz als Gemeinsamkeit
Aufgebaut von unten nach oben und nicht das Von-oben-nach-unten-Durchregieren der Nazizeit oder die Zersplitterung der Weimarer Republik, wie es Gründungspräsident Willi Daume damals beschrieb: "Es gab konfessionelle Sportverbände, es gab den Arbeitersport, den bürgerlichen Sport, es gab sogar einen kommunistischen Sport und das Einigungswerk von Hannover hatte zunächst mal den Sinn, dass es im gespaltenen Deutschland auf unserer Seite eine Organisation geben sollte, bei der alle zu Hause sein konnten."
Das waren sie in der Bundesrepublik und hofften die ersten Jahre auch noch, dass der Kontakt zu den Menschen in der DDR aufrechterhalten werden könnte. "Echte menschliche und sportliche Begegnungen hüben und drüben sind erwünscht", sagte Daume 1965, nachdem er einen Brief an den Turn- und Sportverband in der DDR geschrieben hatte, in welchem er zu einem gesamtdeutschen Sportverkehr aufforderte.
Der damalige NOK-Präsident Willi Daume beim Besuch auf dem Olympiagelände am 28.7.1971 in München.
Willi Daume war nicht nur 20 Jahre lang DSB-Präsident, sondern auch von 1961 bis 1992 Präsident des Nationalen Olympischen Komitees. (picture alliance / dpa)
Doch in der Realität entwickelte sich viel mehr Konkurrenz, und ein gefährliches medizinisches Wettrüsten: Doping in West wie Ost, unterschiedlich organisiert und politisch auf beiden Seiten gewollt. Heute kennen wir die die Folgen – früh verstorbene oder schwer geschädigte Athletinnen und Athleten. Nach der Wiedervereinigung war es Manfred von Richthofen, DSB-Präsident seit 1994, der dem weiter grassierenden Doping den Kampf ansagte: "Wir werden bei der Dopingbekämpfung keinen Schritt zurücktun, wir werden weiterhin im Trainingsprozess die Athleten untersuchen. Es ist die beste Abschreckung."
Hörmann: "Ich will nichts werden in diesem Kreis"
2006 ging der Deutsche Sportbund zusammen mit dem Nationalem Olympischen Komitee im Deutschen Olympischen Sportbund auf, leidenschaftliche Debatten wurden über das Für und Wider geführt. Einer der Gegner: der damals noch frisch ins Amt gewählte Präsident des Deutschen Skiverbandes, Alfons Hörmann: "Und das sage ich als einer, der heute das erste Mal in diesem Kreis mit von der Partie ist, der nichts ist und nichts werden will in diesem Kreis, insofern keine Motive hat als die, die ihm die heimatliche Verbandsbasis mit auf den Weg gegeben hat – Meinungsfindung und Kommunikation sind in dem aktuellen Prozess aus meiner Sicht auf eine Art und Weise umgesetzt worden, wie sie nicht vorbildlich und beispielgebend sind und deshalb sei uns zugestanden, dass Bauch und Kopf ganz einfach sagen: Gefahren und Risiken sind größer als Chancen."
7 Jahre später übernahm er selbst das DOSB-Präsidentenamt von Thomas Bach, der weiter zum IOC und dort ins höchste Amt gezogen war. Heute, 70 Jahre nach der Gründung steht der DOSB vor einer neuen, großen Herausforderung – der Spaltung der Gesellschaft entgegen zu wirken, sagt der Sporthistoriker Lorenz Peiffer: "Vereine sind ein Stück sozialer Kitt innerhalb einer Gesellschaft, von dort her ist die Förderung der Vereine und der Vereinsarbeit eine ganz, ganz wichtige Angelegenheit. Der Sport hat auch, wenn er seine Ansprüche ernst nimmt, nämlich nicht zu unterscheiden zwischen arm und reich, zwischen weiß und schwarz, dann hat er auch ganz klare Positionen innerhalb dieser Gesellschaft zu beziehen. D.h. er muss sich aussprechen gegen Rassismus, gegen Homophobie, gegen Antisemitismus. Da muss der Sport ganz deutlich Position beziehen." Wenn er diese Funktion erfülle, so der Historiker, verdiene er auch die große finanzielle Unterstützung, die er bekommt.