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70 Jahre FAZ
Seriös, selbstbewusst, suchend

Die Geschichte der Frankfurter Allgemeinen Zeitung ist eine der Kontinuität. Seit ihrer Gründung steht die Zeitung für Qualitätsjournalismus, der vor allem von Alpha-Männern verantwortet wird. Doch auf die Frage nach der wirtschaftlichen Zukunft hat auch die FAZ bis heute keine Antwort gefunden.

Von Brigitte Baetz | 31.10.2019
Der Schriftzug der Frankfurter Allgemeinen Zeitung an einer Hauswand.
Die Frankfurter Allgemeine Zeitung wurde am 1. November 1949 zum ersten Mal veröffentlicht. (Imago Images / Manfred Segerer)
Die FAZ, die am 1. November 1949 zum ersten Mal an den Zeitungskiosken lag, war das Kind von Eltern, denen an einer freiheitlichen Wirtschaftsordnung für Deutschland gelegen war. Die Wipog, die wirtschaftspolitische Gesellschaft, die das Blatt maßgebend aus der Taufe hob, war ein Zusammenschluss von Unternehmern und Politikern, unter ihnen Theodor Heuss und Ludwig Erhard.
Im Gegensatz zu dem Bild, das im Gedächtnis der Bundesrepublik über die Nachkriegszeit dominiert, war es in diesen Jahren gar nicht ausgemacht, dass der junge Staat sich dem verschreiben sollte, was heute als Soziale Marktwirtschaft bezeichnet wird. SPD und Gewerkschaften sowie große Teile der Union forderten beispielsweise die Verstaatlichung der Großindustrie. Die FAZ vertrat hingegen als Blattlinie, und das bis heute, das Konzept des Ordoliberalismus, kurz gesagt: einer marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung mit einem durch den Staat geschaffenen Ordnungsrahmen.
Dabei war die Zeitung schon in ihren Anfängen viel mehr als ein Sprachrohr der Wirtschaft, als das es bis heute vor allem in linken Kreisen bezeichnet wird. Wie der Historiker Peter Hoeres jetzt in einer ersten Geschichte der FAZ nachgezeichnet hat, wehrte man sich mehrfach erfolgreich gegen Interventionen aus der Industrie und erreichte auch daher erst 1952 die Rentabilitätsgrenze.
Legendär auch die Drohung Konrad Adenauers aus demselben Jahr, dass Anzeigen der Wirtschaft abgezogen würden, wenn der damalige Herausgeber Paul Sethe weiter kritische Leitartikel gegen die Politik der Westbindung veröffentliche. Der ließ sich nicht beirren, trat aber drei Jahre später aus dem Herausgebergremium zurück, weil seine Kollegen dort nicht mit seinem Kurs einverstanden waren. Jahre später trat Sethe noch einmal in einem Leserbrief an den "Spiegel" nach und prägte den Satz: "Pressefreiheit ist die Freiheit von zweihundert reichen Leuten, ihre Meinung zu verbreiten."
Legendäre Alphatiere
Doch dieser Satz unterschlägt, dass die Frankfurter Allgemeine Zeitung gemeinschaftlich von erst sechs, heute vier Herausgebern geführt wird - einem Unikum in der deutschen Presselandschaft - mit vier Chefredakteuren quasi über die jeweils eigenen Ressorts Politik, Wirtschaft, Feuilleton und Rhein-Main. Ein Gremium, das sogar selbst über seine Zusammensetzung entscheidet.
Ein Zusammenarbeit, die es oftmals in sich hat, so Peter Hoeres im SWR: "Wenn viele Alphatiere, meistens waren das Alpha-Männer, auch damals aufeinander prallen, die alle sehr gebildet sind, aber auch ein großes Ego haben, dann knallt's eben oft."
Und an legendären Alphatieren mangelte und mangelt es der FAZ nicht: von Joachim Fest bis Marcel Reich-Ranicki, von Frank Schirrmacher bis Johann Georg Reißmüller. Namen, die maßgeblich die politische wie kulturelle Geschichte der Bundesrepublik geprägt haben. Wie überhaupt die FAZ eine ganz besondere Struktur besitzt - die einerseits ein Garant für ihre Unabhängigkeit ist, gleichzeitig aber die schnelle Anpassung an die neue digitale Welt nicht leichter macht.
Frank Schirrmacher in einer Aufnahme von der Seite. Im Vordergrund sind bunte, unscharfe Flächen zu sehen.
Frank Schirrmacher, der Mitherausgeber der FrankfurterAllgemeinen Zeitung, in einer Aufnahme von 2014 kurz vor seinem Tod (Fredrik von Erichsen/dpa)
"Die FAZ braucht Leser"
Die "Zeitung für Deutschland", wie sie sich selbstbewusst nennt, ist stiftungsbasiert und hat zudem noch eine Geschäftsführung und einen Aufsichtsrat. Andreas Barner, ehemals Manager beim Chemieriesen Boehringer-Ingelheim, hat vor wenigen Monaten den Aufsichtsratsvorsitz bei der FAZ übernommen, vorher war er Kuratoriumsvorsitzender der FAZIT-Stiftung. Natürlich gebe diese Art der Finanzierung Sicherheit, wie das auch beim Guardian in Großbritannien der Fall sei, aber, so Barner:
"Sie ist natürlich nicht das unendlich große Füllhorn, mit dem man auch auf Dauer eine schwierige wirtschaftliche Situation kompensieren kann. Was der Guardian macht, ist ein interessantes und erfreulicherweise gelingendes Experiment, so wie es im Augenblick aussieht, sich über Spenden sozusagen zu finanzieren. Ich glaube nicht, dass das die Zukunft der FAZ ist, und ich glaube auch nicht, dass die FAZ genügend Spender fände, um sozusagen als Gratiszeitung auf hohem Niveau erhalten zu bleiben. Die FAZ braucht Leser, die bereit sind, für diese Qualität auch zu bezahlen."
Doch die werden, branchentypisch, weniger, auch wenn sich die FAZ redlich bemüht hat, über die Einführung einer eigenen Sonntagszeitung, beispielsweise, einem modernen Digitalauftritt oder der Lancierung des Wochenmagazins FAZ Woche und dem Hochglanzblatt FAZ Quarterly, neue Leserschichten zu gewinnen.
Der gediegene, auf Bildung und Seriosität pochende Stil der FAZ scheint manchmal aus der Zeit, zumal der digitalen, gefallen zu sein. Der Historiker Peter Hoeres: "Ich glaube, der Bedarf ist schon noch da, aber es ist nicht mehr so selbstverständlich, wie es vielleicht mal war. Und es hat sich verändert die finanzielle Basis. Denken Sie daran, um 2000 hat man die Zeitung samstags in keinen Postkasten bekommen, weil die so viele Anzeigen hatte. Das hat sich fundamental gewandelt."
Ein Archivbild zeigt ein altes TV-Studio der Frankfurter Allgemeinen Zeitung um 1986.
Auf der Suche nach neuen Geschäftsfeldern auch schon vor der Digitalen Revolution: Die FAZ versuchte sich 1986 im Bereich Fernsehnachrichten ( imago / Sven Simon )
Dienst an der Demokratie
Für den FAZ-Aufsichtsratsvorsitzender Andreas Barner bedeutet das: "Es gibt Umsätze im digitalen Bereich, aber die sind noch nicht da, wo sie sein müssten, um die FAZ zu finanzieren. Insgesamt steht die FAZ deswegen gut da, weil sie sehr viele treue Abonnenten hat. Langfristig werden diese aber abnehmen. Wenn Sie sich das gesamte Medienverhalten der Gesellschaft anschauen, dann ist klar, dass Tageszeitungen zumindest im Druckformat anfangen zu verschwinden. Deswegen muss die Frankfurter Allgemeine Zeitung sich neu erfinden oder zumindest weiterentwickeln."
Wie das gelingen kann, wird über die nächsten Jahre entscheiden. Schon wird eine neue Sparrunde kolportiert, wie sie schon bei der Konkurrenz Süddeutsche Zeitung angekündigt wurde. Der Aufsichtsratsvorsitzende Andreas Barner, der sich als Top-Manager nichts mehr beweisen muss, sieht seinen Einsatz für die Weiterentwicklung der FAZ als Dienst an der Demokratie:
"Ich halte die Frage, wie wir als Gesellschaft, als Menschen informiert werden, für ganz essentiell. Und dafür braucht es gute Tageszeitungen, gute Wochenzeitungen, aber eben auch guten Rundfunk und öffentliche Medien. Und in diesem Zusammenhang war mir die FAZ einfach wichtig.