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8-Bit-Philosophie
Marx auf Monkey Island

Was könnte mehr retro sein als die Vor-Sokratiker? Das mögen sich die Macher des Videopodcasts "8 Bit Philosophy" gefragt haben, als sie auf die Idee kamen, philosophische Probleme anhand von alten Videospielen zu behandeln.

Von Julian Ignatowitsch | 10.12.2014
    Das Exemplar einer durchsichtigen Sonderedition des ersten Gameboys ist am 14.04.2014 im Computerspielmuseum in Berlin in einer Vitrine zu sehen.
    Philosophie als Computerspiel (picture alliance / dpa / Stephanie Pilick)
    Sisyphos, Camus und das Absurde, erklärt mithilfe von Super Mario:
    "Für Camus ist der Mythos des Sisyphos, der von den Göttern auf Ewigkeit dazu verdammt wurde, einen Stein bergauf zu rollen, die Allegorie der sinnlosen menschlichen Existenz. So als würde Super Mario, dieser schnauzbärtige, kleine Klempner mit der roten Mütze aus dem Videospiel, immerfort über Feuerbälle springen und Münzen sammeln, aber am Ende doch nie die Prinzessin retten."
    Philosophie als Computerspiel: Platons Höhlengleichnis im Burgverlies von Zelda, Karl Marx' kommunistische Utopie inmitten von Marioland, Nietzsches Übermensch als Mega Man - so sehen sie aus, die dreiminütigen "8 Bit Philosophy"-Häppchen von Wisecrack. Rasante Philosophie-Clips im Netz, illustriert und kombiniert mit dem Retro-Feeling von alten Videospielen.
    "Man könnte wahrscheinlich schon sagen, dass die akademische Philosophie mit den Computerspielen ein gewisses Nerdtum gemeinsam hat", sagt Philosophie-Doktorand und Computerspielexperte Sebastian Ring vom Medienzentrum München. Für ihn sind Spielewelten vereinfachte Ersatzwelten, in die der Spieler seine eigenen Erfahrungen und Wertevorstellungen einbringt und sich ausprobieren kann:
    "Da tauchen dann Fragen der Moral auf, wie Welten dargestellt werden, wie Menschen dort präsentiert werden, wie Männer und Frauen präsentiert werden, welche Rollen sie einnehmen, und die Auseinandersetzung damit kann auch eine philosophische sein."
    Erkentnisgewinn per Joystick
    Welten der Gewalt, Welten des Konsums, Welten der Gemeinschaft. Die Kernfrage: In welcher Welt wollen wir leben? In modernen Computerspielen werden die Entscheidungs- und Gestaltungsmöglichkeiten der Spieler immer wichtiger und vielfältiger: Rache oder Gnade? Alleingang oder Kooperation? Friede oder Krieg? Und auch gerne mal: Fleisch oder Gemüse?
    "Da muss ich mich als Spieler fragen: Was will ich tun? Wie stehe ich zum Beispiel zu Rache? Und das findet eben nicht in einem luftleeren Raum statt, sondern vor dem Hintergrund dessen, was die Spielenden auch in der sozialen Realität für sich als wichtig erkannt haben."
    Es sind existenzielle und alltägliche Fragen gleichermaßen, mit denen die Spieler in modernen Rollen- und Actiongames wie "Monkey Island" oder "Grand Theft Auto", aber auch in Aufbauspielen wie die Sims konfrontiert sind.
    Und der Trend geht immer mehr hin zur offenen Spielewelt, die die vorgefertigten Plots ersetzt. Das heißt, der Spieler emanzipiert sich, wird sozusagen zum Subjekt mit freiem Willen. Ganz nach Kant.
    "Human beings have the ability to will and this will is free."
    Der hat es bisher aber nur in die fantasievolle und lehrreiche 8-Bit-Welt der Macher von "8 Bit Philosophy" geschafft ...