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9.5.1994 - Vor 10 Jahren

Einen solchen Gesang auf einen Mann hatte das südafrikanische Parlament bis zum 9. Mai 1994 noch nie erlebt. Bis dahin dominierten hier weiße Abgeordnete und für die war es schon mutig, einmal laut "Hört, hört" zu rufen. Doch die Wahlen vor zehn Jahren, an denen erstmals alle Rassen Südafrikas teilnehmen durften, veränderte die Zusammensetzung des blüten-weißen Parlaments ein für alle Mal. Die Mehrheit der Abgeordneten waren nun Schwarze. Und für die meisten von ihnen war der Mann, den sie am 9. Mai so umjubelten und zum Präsidenten des Kap-Landes wählten, Nationalheld und Hoffnungsträger.

Von Frank Räther | 09.05.2004
    75 Jahre alt war Nelson Mandela zu diesem Zeitpunkt. Davon hatte er mehr als ein Vierteljahrhundert im Gefängnis verbracht. Und dort, so hatte es das Apartheidregime 1964 verfügt, sollte der zu lebenslänglicher Haft verurteilte Führer des Afrikanischen Nationalkongresses auch sterben. Doch der Widerstand gegen die fanatische Rassentrennungspolitik war in Südafrika wie international so stark geworden, dass der ein halbes Jahr zuvor ins Amt gekommene weiße Präsident Frederik Willem de Klerk im Februar 1990 im Parlament eine Ankündigung machte, die die Mehrheit der weißen Abgeordneten verblüffte:

    Die Regierung hat beschlossen, Nelson Mandela bedingungslos freizulassen, erklärte de Klerk. Für John Kani, den schwarzen Bürgerrechtler und Schauspieler war damals klar, was nun passieren würde, was Mandela nach seiner Freilassung tun werde.

    Wir erwarteten von ihm, dass er sagt: Ihr wisst, wo die Waffenlager sind. Lasst uns die Waffen holen. Die Revolution beginnt jetzt. Doch als er uns um die Chance bat, mit dem weißen Regime Gespräche aufzunehmen, da waren wir enttäuscht und sagten nur: Ohh.

    Vier Jahre lang dauerten diese Verhandlungen, die am Ende Südafrika vor einem Blutbad retteten und die Grundlage für das legten, was später als das südafrikanische Wunder bezeichnet wurde, nämlich die friedliche Umgestaltung des so zerrissenen Landes. Für den weißen Apartheidgegner Frederik van Zyl Slabbert war und ist Mandela der Retter Südafrikas
    Es war seine politische Handlungsweise, die den Erfolg des Übergangs ermöglichte.

    Denn aus dem Gefängnis war kein rachsüchtiger Mann gekommen, sondern ein sehr verantwortungsbewusster und auf Versöhnung Bedachter. Einen Tag nach der Wahl im Parlament wurde Nelson Mandela in Pretoria öffentlich in sein Amt eingeschworen. Und er erklärte:

    Die Zeit für die Heilung der Wunden ist gekommen. Der Moment, die Brücken, die uns trennen, zu überschreiten, ist gekommen. Wir werden eine Gesellschaft aufbauen, in der alle Südafrikaner, Schwarze wie Weiße, in der Lage sein werden, ohne jede Angst in ihren Herzen und sicher in ihrer menschlichen Würde zusammenzuleben – eine Regenbogennation, im Frieden mit sich und der Welt.

    Und diese Politik verfolgte Präsident Nelson Mandela dann in den fünf Jahren seiner Amtszeit. Selbst viele seiner Mitstreiter des jahrzehntelangen Kampfes gegen die Rassentrennung waren verwundert, dass nicht nur Mandela, sondern ein ganzes Volk diesen Kurs durchhalten konnte, wie sich Amina Cachalia erinnert, die beim ersten Marsch der Frauen gegen die Apartheid 1956 dabei war und zu den Aktivistinnen des Kampfes gegen Rassenterror gehörte:

    Selbst jetzt, wenn ich zurückblicke, frage ich mich immer noch, ob dies wirklich wahr ist. Aber es ist geschehen. Nach all den Jahren.

    Und auch die Weißen zogen in ihrer Mehrheit mit, nachdem Mandela den Kurs vorgegeben hatte. Fünf Jahre Präsidentschaft Mandelas haben Südafrika auf einen neuen Weg gebracht und geprägt, meint Christoph Köpke, der Chef von DaimlerChrysler Südafrika:

    "Er ist ein lebendes Vorbild fürs ganze Land. Und was wir, rein politisch, erreicht haben, ist für mich ein Weltwunder.