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A little bit more Deutsch, please!

Eine Gruppe von rund 40 deutschen Wissenschaftlern befürchtet, dass Deutsch als Wissenschaftssprache gegenüber dem Englischen ins Hintertreffen gerät. In sieben Thesen, die mittlerweile der Kultusministerkonferenz vorliegen, warnen sie vor einer Dominanz des Englischen im deutschen Wissenschaftsbetrieb. Zu den Mitinitiatoren zählt Wolfgang Hasse, Professor für Medizin an der Freien Universität Berlin.

Moderation: Sandra Pfister |
    Sandra Pfister: Neun von zehn wissenschaftlichen Publikationen weltweit erscheinen auf Englisch. Die großen wissenschaftlichen Datenbanken, alles auf Englisch. In Deutschland gibt es kaum noch eine wissenschaftliche Konferenz, auf der nicht früher oder später ins Englische übergewechselt werden müsste, damit alle Teilnehmer sich untereinander verständigen können. Und: Die meisten Hochschulen bieten längst internationale Studiengänge, besonders in den Natur- und Wirtschaftswissenschaften. Und da spricht man - natürlich - Englisch. So wird Englisch zunehmend zur Lingua franca der Wissenschaften. Wer sie nicht beherrscht, wird ignoriert. Das zumindest findet eine Gruppe von rund 40 deutschen Wissenschaftlern und es stört sie, dass Deutsch als Wissenschaftssprache ins Hintertreffen gerät. Sieben Thesen haben sie an die Kultusministerkonferenz geschickt. Darüber rede ich jetzt mit Professor Wolfgang Hasse. Er lehrt Medizin an der FU Berlin und ist einer der Mitinitiatoren der Aktion. Was, Professor Hasse, ist denn eigentlich so schlecht daran, dass auf Kongressen beispielsweise Englisch gesprochen wird? Dann können sich doch alle an den Diskussionen beteiligen.

    Wolfgang Hasse: Frau Pfister, das ist gerade der Unterschied: Es können sich nicht alle Teilnehmer einer solchen Tagung an der Diskussion beteiligen.

    Pfister: Das heißt: Sie sind der Meinung, wenn da Deutsch gesprochen würde, könnten sich alle angemessen beteiligen?

    Hasse: Ja. Mit Sicherheit. Ich habe ja mit einem Kollegen aus Münster, Medizinische Informatik und Bio-Mathematik, zwei bundesweite Umfragen durchgeführt in der Ärzteschaft. Einhellig war die Meinung, bitte 96 Prozent auf nationalen Kongressen in deutscher Sprache, mit Simultanübersetzungen von Gastprofessoren. Das ist absolut selbstverständlich, dass die in Englisch sprechen können. Auf internationalen Kongressen verlangen und fordern auch heute noch, ohne Altersgruppenunterschied, 83 Prozent Deutsch und Englisch als gleichwertige Kongresssprachen, mit Simultanübersetzungen.

    Pfister: Jenseits der Kongresse ist es aber doch so, dass für Forscher aus dem Ausland Deutschland doch attraktiver wird, wenn sie hier nicht Deutsch reden müssen, sondern Englisch sprechen können?

    Hasse: Ja, ich denke aber, dass es eigentlich eine Frage der Selbstverständlichkeit ist, dass auch ausländische Kollegen sich bemühen, die gastgebende Sprache zu beherrschen. Das heißt also, wenn ich nach England gehe, spreche ich Englisch. Wenn ich nach Japan gehe oder Estland gehe, natürlich nicht Estisch oder Japanisch - da ist es Englisch, ohne Zweifel. Aber wenn ich über längere Zeit in einem Gastland bin, werde ich mich bemühen, die Nationalsprache zu beherrschen. Das kann man doch erwarten. Das erwartet man ja auch von uns.

    Pfister: Dann legen wir aber die Hürde ziemlich hoch für Wissenschaftler, die wir ja eigentlich für Deutschland gewinnen wollen.

    Hasse: Ja, aber die wird doch für uns gleichermaßen hoch gelegt, wenn wir ins Ausland gehen.

    Pfister: Aber wenn Sie nach Finnland gehen, können Sie doch da ohne Probleme Englisch sprechen?

    Hasse: Ja, sicherlich, das tue ich ja dann auch gerne. Aber wenn - Sie sagen es richtig: Wir passen uns dann dort an -, aber wir dürfen doch auch erwarten, dass Gastprofessoren aus dem Ausland, wenn sie länger nach Deutschland kommen, deutsche Sprachkenntnisse mitbringen.

    Pfister: Kommen wir zu den deutschen Wissenschaftlern. Sie sagen in diesen sieben Thesen: Wenn deutsche Wissenschaftler Englisch reden, dann können sie Zusammenhänge einfach nicht so stringent, nicht so deutlich darstellen wie in ihrer Muttersprache.

    Hasse: Ja.

    Pfister: Müssten sie dann nicht einfach besser Englisch lernen?

    Hasse: Ja, warum müssen die denn dann Englisch lernen? Natürlich, wenn ich ins Ausland gehe, lerne ich Englisch und versuche, mich auch so gut auszudrücken wie ich das kann. Aber jeder von uns denkt doch in seiner Muttersprache, formuliert und kann sich nur präzise in der Muttersprache ausdrücken. Selbst Einstein, der ja gezwungenermaßen lange Jahre in den Vereinigten Staaten lebte, hat bei schwierigen Diskussionen stets wieder seine Muttersprache benutzt - das ist allgemein bekannt.

    Pfister: Kommen wir von der Wissenschaft oder von den Wissenschaftlern mal zu den Studenten. Vorlesungen auf Englisch haben aber doch zumindest auch für die Studenten fast nur Vorteile, denn deutsche Studierende lernen dann ein flüssigeres Englisch - und das ist auch gut für den Arbeitsmarkt. Und ausländische Studierende haben keine Probleme, sich in Deutschland einzufinden.

    Hasse: Dazu eine kleine Vorbemerkung: Das Deutsche Studentenwerk hat 2000 eine Umfrage gemacht bei Studenten aller Fachschaften - 12.000 waren es - und hat gefragt: Wie sind denn Eure englischen Sprachkenntnisse? 29 Prozent haben gesagt: Gut, sehr gut. Aber bei Fachsprache reduzierte sich dieser Prozentsatz auf elf Prozent. Das heißt mit anderen Worten: Mindestens 70 Prozent der Studierenden sind ausgegliedert vom Verständnis der Sprache.

    Pfister: Aber sie können sich ja rein finden. Eben das wäre ja der Vorteil: Sie lernen es dann, weil es automatischer Bestandteil ihres Alltags wird.

    Hasse: Aber wenn sie das in der Vorlesung lernen müssen oder durch die Vorlesung, was geht denn da verloren an Wissensvermittlung? Es ist doch nicht die Aufgabe einer Universität den Studierenden eine Fremdsprache - auch wenn es die Fachterminologie ist - beizubringen, sondern den wissenschaftlichen Inhalt. Sie sollen ja mal die Elite unserer Gesellschaft werden.