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Ab ins Altpapier

Technik. - Vorbei die Zeiten, da ungebleichte "Öko"-Schreibblöcke voll im Trend lagen, heute regiert vor allem der Preis den Markt. Trotzdem besteht das Papier zu 65 Prozent aus Altpapier. Um die Qualität zu halten, müssen aber raffinierte Tricks angewandt werden.

Von Andrea Vogel |
    Vom Schreibblock bis zum Pappkarton, in fast jedem Papier finden sich Reste: der alten Zeitung, der leeren Brötchentüte und von Allem, das sonst noch im Container landet. Natürlich auch vom Geschenkpapier. Und gerade das ist eine echte Herausforderung fürs Recycling, weiß Professor Samuel Schabel vom Fachgebiet Papierfabrikation und mechanische Verfahrenstechnik der Technischen Universität Darmstadt:

    "Da gibt es eine große Bandbreite: Es gibt Geschenkpapiere, die sind echtes Papier, sind bedruckt, es gibt Geschenkpapiere, die sind in Farbe getränkt, sind durchgefärbt, und es gibt Geschenkpapiere, die sind schon eher Folien: Das sind dann Verbundprodukte mit Kunststoffanteil oder rein auf Kunststoffbasis. Wenn sie an so Metallglitter-Effektpapiere denken, das sind eigentlich Folien. "

    Und damit eher ein Fall für den gelben Sack als fürs Altpapier. Aber selbst wenn die Folien aussortiert sind, bleibt die Rückgewinnung der hochwertigen Geschenkpapierfasern ein Problem: So bunt, wie sie sind, taugen sie höchstens für Kartons. Also muss die Farbe runter.

    "Der Recyclingprozess funktioniert durch Flotation - das heißt, wir blasen Luft ein. Man kann sich das so vorstellen: Wenn man eine Zeitung auflösen würde in einem Kochtopf und auf den Herd stellen und kochen, dann würde auch die gelöste Luft frei werden, es bilden sich Luftblasen. Wenn man das zu Hause macht, dann wird man feststellen, dass ein Schaum aufsteigt, der sich schwarz färbt. Und so funktioniert das in der Industrie auch."

    Die Farbpigmente auf der Zeitung lösen sich nicht im Wasser und hängen sich stattdessen an die aufsteigenden Luftbläschen. Das funktioniert nicht mehr bei lösungsmittelfreien Farben, Farben auf Wasserbasis. Die haben keinerlei Interesse an Luftbläschen, sondern lösen sich im Wasserbad einfach wieder in feinste Farbpigmente auf. Was beim Druck gut für die Umwelt ist, schadet ihr hier, denn der einfache Recyclingprozess funktioniert nicht mehr. Stattdessen müssen die Papierfasern gewaschen werden: Eines ums andere Mal muss das gefärbte Wasser abgelassen und sauberes Wasser zum Papier dazugeschüttet werden. Das ist aufwändig und teuer. Denn: Pro Kilogramm Papier braucht man bis zu 99 Liter Wasser pro Waschgang. In einer durchschnittlichen Papierfabrik werden täglich etwa 1000 Tonnen Altpapier wiedergewonnen. Hier müssen also gigantische Wassermassen bewegt und gereinigt werden. Darum ist es besser, nach anderen Farben oder Drucktechniken zu suchen. Professor Schabel:

    "Ein Ansatz wäre, die Druckfarben so zu modifizieren, dass sie bis zu einem gewissen Grad eben doch an die Luftblasen drangehen. Wichtig ist nicht nur das Aufsprühen, sondern wenn wir später das Papier wieder zerfasern und in seine Bestandteile zerlegen, dass sich dann ein Druckpunkt nicht als einzelne Pigmentstücke ablöst, sondern als großflächige Partikel, die viel leichter abgetrennt werden können. Da gibt es auch schon erste Erfolge. "

    Noch schlimmer sind durchgefärbte Papiere. Haben sich Farbpigmente erst einmal fest mit der Papierfaser verbunden, dann muss gebleicht werden oder der kostbare Rohstoff taugt nur noch für Pappkartons. Das gilt übrigens auch für die allseits beliebten gelb durchgefärbten Haftnotiz-Zettel. Die stören das Papier-Recycling allerdings nicht nur durch ihre intensive Farbe, sondern auch durch ihren Kleber:

    "Diese Klebstoffe sind empfindlich gegen Temperatur, werden bei erhöhter Temperatur sehr flexibel und schlüpfen dann durch die Siebe und durch andere Prozesse durch, mit denen wir sie eigentlich rausholen möchten."

    Wer allerdings Geschenkpapier mit Resten von Tesafilm ins Altpapier wirft, muss kein schlechtes Gewissen haben. Plastikfilm und Klebemasse haften hier nämlich fester aneinander als am Papier. Darum lassen sie sich ohne Probleme aus der Papiermasse filtern. Aber auch den schwierigeren Recyclingfällen stellen sich Schabel und seine Kollegen gerne. Denn:

    "Wir brauchen den Rohstoff; wir wollen in Zukunft auch noch mehr Papier aus Recyclingfasern herstellen. Der Bedarf weltweit steigt, insofern kann man nur darum bitten und dazu aufrufen, weiterhin Papier zu sammeln. "