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Abgasgrenzwerte
Umwelthilfe nimmt weitere Hersteller ins Visier

Opel, Renault und Mercedes waren bei vergangenen Abgastests negativ aufgefallen. In den vergangenen Monaten hat die Deutsche Umwelthilfe weitere Diesel-Fahrzeuge darauf getestet, ob sie die gesetzlichen Abgas-Grenzwerte im Alltag einhalten können - mit einem erschreckenden Ergebnis.

Von Anja Nehls | 09.02.2016
    Ein Messschlauch eines Gerätes zur Abgasuntersuchung für Dieselmotoren steckt im Auspuffrohr eines VW-Autos.
    Fiat behauptet, alle in Deutschland geltenden Bestimmungen eingehalten zu haben, so die Deutsche Umwelthilfe (dpa / picture alliance / Patrick Pleul)
    Die vorläufige Bilanz der Deutschen Umwelthilfe ist erschreckend. Es sieht so aus, als ob es tatsächlich kein Dieselfahrzeug in Deutschland gibt, das die vorgeschriebenen Abgasgrenzwerte einhält, sagt der unabhängige Verkehrsexperte Axel Friedrich.
    "Bisher hat kein Hersteller erklärt, unsere Autos halten die Grenzwerte auf der Straße ein und wir sind bereit, das unabhängig nachprüfen zu lassen, das ist der entscheidende Punkt."
    Dafür hat die Umwelthilfe jetzt ein weiteres Auto überprüft. Nachgemessen wurde ja bereits bei einem Mercedes C Klasse Euro 5 Norm mit verheerenden Ergebnissen, bei einem Opel Zafira, der den Stickoxidgrenzwert um das 17-fache überschritt und einem Renault Espace, der auf das 25-fache kam. Das ZDF Magazin "Frontal 21" berichtete über ähnliche Ergebnisse bei BMW und ebenfalls bei Mercedes.
    Jetzt hat ein von der deutschen Autoindustrie unabhängiges Schweizer Institut für die Deutsche Umwelthilfe einen Fiat 500X 2.0 Diesel von Fiat-Chrysler nachgemessen, sagt Axel Friedrich:
    "Das war erschreckend. Das Fahrzeug war längere Zeit auf dem Prüfstand über dem Messbereich für Stickoxide. Das habe ich bisher nicht gesehen. Und der Wert im Zyklus war 22 mal höher als der Grenzwert erlaubt und das ist für mich unglaublich, dass ein solches Fahrzeug auf der Straße rumfährt."
    Fiat dagegen behauptet, alle in Deutschland geltenden Bestimmungen eingehalten zu haben, so die Deutsche Umwelthilfe. Das ist nur möglich, weil vermutlich, wie auch bei VW, die Software so manipuliert wurde, dass sie ein kaltes Auto auf dem Prüfstand erkennt:
    "Einmal zum Beispiel ob man mit zwei oder vier Rädern misst. Auf der Straße mit zwei Rädern macht man nicht so lange. Auf dem Prüfstand in der Regel werden nur zwei Räder angetrieben. Man hat natürlich kein GPS, weil die Halle ist natürlich geschlossen, das kann man erkennen. Den Beschleunigungssensor im Airbag, den kann man benutzen, man kann Temperatursensoren benutzen. Es gibt eine ganze Reihe, etwa 14 verschiedene Methoden wie man erkennen kann, ob man auf dem Prüfstand steht oder nicht."
    Bundesverkehrsministerium hat Kontakt zur Deutschen Umwelthilfe abgebrochen
    Und wenn das erkannt wurde, wird das Abgas eben besser gereinigt, als bei einem warmen Auto in einer Wiederholmessung oder auf der Straße. All das sei den politisch Verantwortlichen im Bundesverkehrsministerium lange bekannt, so Jürgen Resch von der Deutschen Umwelthilfe. Aber anstatt wie in den USA entsprechend zu reagieren, habe Verkehrsminister Alexander Dobrindt erst einmal den Kontakt zur Deutschen Umwelthilfe abgebrochen und halten Messergebnisse, die dem Ministerium inzwischen seit über drei Monaten vorliegen, unter Verschluss:
    "In Deutschland gibt es auf der einen Seite einen sehr intensiven Kontakt der Ministerien zur Autoindustrie. Wir brauchen eine Zerschlagung dieses industriell-politischen Komplexes rund um die Automobilindustrie. Hier brauchen wir unabhängige Prüfbehörden. In Deutschland wäre es das Umweltbundesamt, das wir für die geeignete Behörde ansehen, um Nachprüfungen zu machen. Denn solange man nicht kontrolliert akzeptiert man eben diese Betrügereien zu Lasen der Gesundheit der Bürger."
    10.400 Menschen sterben jährlich an den Folgen von Stickoxid. Diese Zahl hat die EU-Kommission errechnet. Das sind 2,5 mal mehr als bei Verkehrsunfällen. In Großstädten werden die Grenzwerte von Stickoxid zum Teil um das doppelte überschritten und das sei nun mal kein Kavaliersdelikt, meint Annette Peters vom Deutschen Forschungszentrum für Gesundheit und Umwelt:
    "NO2 ist ein Reizgas, das in die unteren Atemwege eindringt und von da aus auf den ganzen Körper wirken kann. Wir finden bei einer erhöhten Belastung über das ganze Jahr hinweg einen Anstieg der Todesfälle aufgrund von Herz Kreislauf-Erkrankungen und aufgrund von Atemwegserkrankungen."
    Dabei wäre es eigentlich ganz einfach, denn technisch sind die Automobilhersteller durchaus in der Lage, das Abgas so zu reinigen, dass die gesetzlichen Bestimmungen auch im normalen Verkehr eingehalten werden können, meint Axel Friedrich:
    "In den USA drohen hohe Strafen, wie ja VW das jetzt auch wieder sieht. Deswegen werden Fahrzeuge in den USA anders ausgeliefert als hier. Der Motor von Fiat-Chrysler ist in den USA sauber."
    Und statt es hier ebenso zu machen, droht zum Beispiel Mercedes der Deutschen Umwelthilfe mit juristischen Schritten und versucht, die Veröffentlichung von schlechten Messergebnissen zu verhindern. Die französische Regierung hat anders als die deutsche jetzt einen ersten Rückruf bei Renault bekannt gemacht und Daimler sowie Opel wegen festgestellter hoher Stickoxid-Werte vorgeladen.