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Abgebrannte Autos, ausgeplünderte Geschäfte

Bei den Krawall-Jugendlichen in Großbritannien handelt es sich nicht ausschließlich um schwarze Kids aus den Ghettos. Auch gut situierte Weiße sind aggressiv. Sie alle teilen eines - das Misstrauen in den Staat und die Polizei sowie die Angst vor dem sozialen Abstieg.

Von Ruth Rach und Jochen Spengle | 11.08.2011
    Es ist ruhig geblieben in London, nun schon die zweite Nacht. Auch in den anderen englischen Städten - in Manchester, Liverpool oder Wolverhampton, wo noch von Dienstag auf Mittwoch der Mob tobte, gab es heute keine Randale mehr. Vielleicht lag es auch am ungemütlichen Regen, der eine laue Krawallnacht verhinderte. Wahrscheinlich aber beginnt die Strategie der Regierung zu greifen. Sie will keine Kultur der Angst auf britischen Straßen zulassen. So hat es Premierminister David Cameron versprochen:

    "We will not allow a culture of fear to exist on our streets."

    Ein Rückblick:

    Auslöser der tagelangen Unruhen, die Großbritannien und die Welt erschütterten, war der Tod von Mark Duggan vor einer Woche. Der vierfache Vater ist 29 und schwarz. Die Polizei hält ihn für eine führende Figur der lokalen Unterwelt und will ihn in einem Taxi festnehmen. Dabei wird er von zwei Polizeikugeln getroffen und stirbt. Seine Familie erfährt von seinem Tod aus der Presse. Er habe zuerst geschossen, heißt es zunächst. Tage später ergeben Untersuchungen, dass Marc Duggan nicht geschossen hat.

    Am Samstagnachmittag demonstrieren Familie und Freunde vor dem Polizeirevier in Tottenham, sie verlangen Aufklärung und Antworten von der Polizei. Doch die verweigert sich. Die Wut wächst und mehrere Dutzend Anwohner versuchen das Revier zu stürmen.

    Noch in der Nacht zum Sonntag kommt es zu schweren Krawallen und Angriffen auf Polizisten. Polizeiautos, Busse und Gebäude werden in Brand gesetzt. 26 Polizeibeamte werden verletzt, 46 Randalierer festgenommen.

    In der Nacht zum Montag verlagert sich die Randale von Tottenham auf andere Stadtteile. In Enfield, Brixton und Hackney kommt es zu Plünderungen. Und am späten Montagabend weiten sich die Unruhen noch einmal aus. Die Gewalt eskaliert. Ganze Häuserzeilen stehen in Flammen. Mehr als ein Dutzend Stadtteile in London sind betroffen, und inzwischen auch Städte wie Liverpool und Bristol.

    Die Polizei greift vielerorts nicht ein und kann Ladenbesitzer und Feuerwehrleute nicht vor dem Mob schützen. Premierminister Cameron bricht seinen Urlaub ab. Er beruft für Dienstagmorgen den Nationalen Sicherheitsrat ein und tritt anschließend vor die Presse:

    "Die Menschen sollten nicht daran zweifeln, dass wir alles Notwendige tun, um auf den britischen Straßen die Ordnung wieder herzustellen und sie sicher zu machen für die Gesetzestreuen. Lassen Sie mich zunächst die Szenen, die wir im Fernsehen gesehen haben und deren Zeuge die Menschen in ihren Gemeinden wurden, verurteilen. Es sind abscheuliche Szenen von Leuten, die plündern, verwüsten, stehlen, rauben, Polizisten angreifen, ja sogar Feuerwehrmänner, die löschen wollen. Das ist schlicht und einfach Verbrechertum, dem wir entgegentreten und das wir besiegen müssen."

    Camerons Rezept: Die Polizeikräfte in London werden von 6000 auf 16.000 Mann aufgestockt und damit fast verdreifacht. Außerdem soll die Polizei jetzt robust vorgehen - eingreifen und nicht länger wegschauen.

    Es funktioniert. Zumindest in London. Die Nacht zum Mittwoch verläuft ruhig. Dafür aber verlagert sich das Geschehen noch stärker in andere englische Städte. Nach Manchester etwa. Es gibt Nachahmungstäter und Trittbrettfahrer: Hunderte vermummte Jugendliche plündern und liefern sich Schlachten mit der Polizei. Deren Vizechef ist fassungslos:

    "Sie haben nichts, wogegen sie protestieren. Es gibt keine irgendwie geartete Ungerechtigkeit. Und es gibt keinen Zündfunken, der das ausgelöst hat. Es ist sinnlose Gewalt und Kriminalität in einem Maß, das ich in meiner Karriere niemals zuvor erlebt habe."

    Labour-Oppositionsführer Ed Miliband fordert, die Anzahl der Polizisten auch in anderen Städten so wie in London zu erhöhen:

    "Die Priorität ist, jetzt auf dem aufzubauen, was letzte Nacht in London geschehen ist, wo wir nicht mehr diese Krawalle wie in den vorangegangenen Tagen gehabt haben und sicherzustellen, dass wir diese entschiedene Antwort der Polizei auch anderswo haben. ... Jetzt gibt es eine vorrangige Priorität: die öffentliche Ordnung und Sicherheit."

    Während in den Straßen mehr Polizei für Ruhe sorgt, arbeiten Gerichte rund um die Uhr. In Schnellverfahren werden Randalierer und Plünderer verurteilt - keineswegs nur frustrierte schwarze Kids aus den Ghettos, sondern gut situierte Weiße. Darunter ein Lehrer, ein Friseur, eine Millionärstochter, ein Postbote.

    Zunehmend rückt die politische Dimension der Krawalle in den Fokus. Eine Sonderdebatte im Parlament heute, das erneut seine Sommerpause unterbricht. Die Labour-Opposition fordert schon lange, auf die geplante 20-prozentige Reduzierung der Ausgaben für die Polizei zu verzichten, was 16.000 Stellen gefährden würde. Nun schließen sich auch Konservative an, wie Londons Bürgermeister Boris Johnson.

    "Ich denke, dass dies nicht die Zeit ist, um über bedeutende Kürzungen der Anzahl der Polizeibeamten nachzudenken. Wir müssen der Polizei den Rücken stärken, das zu tun, wozu sie da ist. Auch wenn wir derzeit in der Lage sind, die Zahl der Polizisten in London aufzustocken, sollte die Regierung ihre Sparpläne noch einmal überdenken."

    Während Politiker debattieren, vor allem über den vermehrten Einsatz von Polizei und Sicherheitskräften, geht in der Bevölkerung Großbritanniens nach wie vor die Angst um. Schon unter der Labour Regierung haben sich die sozialen Kluften weiter vertieft, die Spannungen zwischen Arm und Reich zugespitzt. Was wird noch auf uns zukommen? fragen sich viele besorgte Bürger.

    Sieht so die Zukunft Englands aus, fragt ein Bürger den stellvertretenden Premierminister Nick Clegg in Birmingham. Die Ladenzeile hinter ihm: Sie ist geplündert und ausgebrannt.

    "Nein, das glaube ich nicht,"

    stottert Clegg. Aber zwei Frauen widersprechen:

    "Wir mussten aus der Wohnung fliehen, als die Randalierer die Straβe hochkamen, und die Gebäude in Flammen aufgingen."

    "Weder die Polizei noch die Feuerwehr ist uns zur Hilfe gekommen."

    Auf der einen Seite die Geschädigten, zunehmend erzürnt, auf der anderen die Randalierer, dauerhaft aggressiv.

    Paradoxerweise haben sie nun eines gemeinsam: ihr Misstrauen gegenüber der Polizei. Und das Gefühl der Ohnmacht. Ein Freund von Mark Duggan, dessen Tod die Proteste ursprünglich auslöste, bringt es auf den Punkt.

    "Die Polizei hat ihn getötet, aber sie macht, was sie will. Sie kann alle möglichen Behauptungen in die Zeitung setzen: Er war dies, er war jenes ... auch wenn es noch so unwahrscheinlich ist."

    OG singt im Wohnzimmer "Murdermile" ... dazwischen bellt sein Hund "Blood".

    Schlieβt die Fenster, schlieβt die Türen, die Leute sterben auf der Straβe ... Der Rapper OG weiß, wovon er spricht. OG, Anfang dreißig, hat ein Drittel seines Lebens im Knast verbracht. OG lebt mit seiner Mutter und einem Pitbull namens Blood in einem berüchtigten sozialen Wohnungsblock in Hackney, Ostlondon. Gleich um die Ecke ist die von ihm besungene Mördermeile. Dort würden - so erzählt er - regelmäβig Schwarze erschossen oder erstochen. Aber die Polizei schere sich einen Dreck darum. Auch die Presse wolle nichts davon wissen. Die Angaben über die Zahl junger schwarzer Opfer seien viel zu niedrig. Aber sobald ein weißes Mädchen ermordet werde, würden sich die Medien überschlagen. Und die polizeilichen Ermittlungen liefen auf Hochtouren.

    OG trägt ein T-Shirt. "No snitching", steht darauf in roten Lettern. Was immer passiert, du darfst niemals petzen. OG sagt, er habe den Pfad der Tugend eingeschlagen. Jetzt wolle er die Jungs in seinem Block anhalten, ein besseres Leben zu führen. Gerade die Kleinen hätten vor nichts und niemandem Respekt. Die Leute vom Sozialamt hätten sie längst aufgegeben. Aber auf ihn, OG, würden sie hören.

    "Ich bin hier das Sozialamt. Ich kontrolliere die Wohnungen. Nichts geschieht ohne mein Wissen. Die Jungen, die Alten, alle lieben mich."

    OGs Bruder wurde bei einer Auseinandersetzung erstochen. Sein Vater hat sich wie viele afrokaribische Männer früh abgesetzt. Seine Mutter ist Krankenschwester. Sie geht jeden Sonntag in die Kirche, ansonsten drückt sie beide Augen zu und betet, dass alles besser wird. OGs bester Freund ist Dynamo, ein weiβer Rapper. Die Vorstellung, Hackney, sein Stadtteil, sei ein schwarzer Slum findet er lächerlich. Hackney habe ganz im Gegenteil eine sehr gemischte Bevölkerung. Und er räumt mit einem weiteren Vorurteil auf.

    "Ja es stimmt, wir haben viele Gangs hier, aber aus gutem Grund: Gangs sind eine Art Familie, sie kümmern sich um ihre Familie. Gangs sind nicht immer schlecht. Die Polizei ist auch eine Gang, und zwar die gröβte Gang der Welt. Die Polizei ist hier in meinem Viertel zutiefst verhasst. Viele Polizisten sind korrupt. Aber du kommst nicht gegen sie an. Deswegen ist sie bei vielen Leuten so verhasst. "

    Dynamo und OG tragen teure Markenkleidung. Allein ihre Schuhe kosten in den Geschäften mehrere Hundert Pfund. Wie sie sich das alles leisten können, verraten sie nicht.

    Ob in London, Birmingham, oder Bristol, was bei den jüngsten Ausschreitungen auffällt, ist die Tatsache, dass sich die Randalierer bei ihren Beutezügen mit Vorliebe auf teure Konsumartikel konzentrieren. Aus einem einfachen Grund, sagt Noel, afrokaribischer Herkunft. Die britische Gesellschaft sei schon seit Jahrzehnten dem Konsumrausch verfallen. Nun lebten die vorwiegend jungen Plünderer quasi die Schattenseiten der britischen Konsumgesellschaft aus.

    "Sie sind gar nicht bitterarm. Aber sie begehren diese Schuhe, diese Klamotten, diese Accessoires. Sie sehen, wie andere Leute teure Marken tragen, sie sehen sie im Fernsehen, und jetzt endlich sehen sie die Chance, selber an die Sachen heranzukommen. Das sind keine politischen Proteste. Ich habe nicht gesehen, wie sie das Parlament stürmen. Oder eine Polizeiwache. Stattdessen greifen sie Sportgeschäfte und Gucci-Läden an."

    Bei den Tätern handelt es sich keineswegs nur um britische Jugendliche, die sich aus der Gesellschaft ausgeklinkt haben. Organisierte Banden sind auch mit von der Partie - sie klauen auf Bestellung und haben auch schon gleich ein Fluchtauto parat - sowie Gelegenheitskriminelle und Nachahmer. Auch Frauen und Kinder beteiligen sich an den Plünderungen. Die Polizei hat einen Siebenjährigen aufgegabelt. Und ein Reporter filmte eine Frau, die offensichtlich mitsamt Nachwuchs auf Beutezug war: Sie probiert in aller Ruhe ein gestohlenes Paar Turnschuhe, um sicherzugehen, dass sie auch die richtige Gröβe erwischt hat. Auch in einem Einkaufszentrum in Nordlondon ging der Mob die ganze Nacht über seelenruhig durch die Geschäfte, bis die Einkaufswagen voll waren. Weit und breit keine Polizei in Sicht.

    Angesichts dieser Szenen klingt vielen in der britischen Bevölkerung der Appell der Londoner Polizei, sie solle zu ihrer eigenen Sicherheit zuhause bleiben, hohl und der Aufruf an Eltern, ihre Kinder heimzurufen, schlichtweg absurd. Gleichzeitig stellt sich die britische Öffentlichkeit immer wieder die Frage: Was motiviert die Randalierer wirklich, was geht in ihnen vor? Eines stehe doch fest, sagt eine Geschäftsfrau in Lewisham, Südlondon, die Randalierer haben keinerlei Angst vor der Polizei:

    Der Wunsch nach Macht spielt sicherlich auch eine Rolle. Endlich fühlen sich die Ohnmächtigen mächtig, sagen Beobachter. Sie machen Schlagzeilen, kommen ins Fernsehen, spielen endlich die Hauptrolle in einem Actionfilm, der selbst ihr liebstes Videospiel übertrifft.

    "In dem Moment, in dem sie Randale machen, fühlen sie überhaupt nichts, sondern bedienen sich einfach. Am nächsten Tag kommen sie in dasselbe Geschäft, kaufen etwas ein und sagen "Vielen Dank!"

    Erzählt ein indischer Ladenbesitzer in Croydon, Südlondon. In der Presse werden zwei 17-jährige Mädchen zitiert, die schon um neun Uhr früh gestohlenen Rosé-Wein trinken und über die "reichen Leute" herziehen. Einzubrechen sei ein Riesenspaß gewesen, den sie gerne wiederholen wollten. An allem sei natürlich die Regierung schuld, die Konservativen oder wie sie hieβen. Und die reichen Leute. Ein typisch infantiles Verhalten, sagt die Kinder- und Jugend-Psychotherapeutin Nancy Secchi.

    "Auf einer Ebene, denke ich, verhalten sie sich wie Kleinkinder, sie wollen alles sofort haben und sich an der Party beteiligen. Vor ihnen steht dieser riesige Kuchen, und jeder will ein möglichst groβes Stück davon abhaben und stopft sich so voll, bis ihm fast übel wird. Das heiβt aber noch lange nicht, dass sie nicht genau zwischen richtig und falsch unterscheiden können. Vielmehr haben sie einfach beschlossen, ihre moralischen Vorstellungen einen Nachmittag oder Abend lang einfach beiseitezuschieben."

    Völliger Unsinn, argumentiert hingegen Max Wind-Cowie vom konservativen Think Tank "Civitas".

    "Hinter den Gewalttaten steckt eine winzige Minderheit aus gewissen Communities. Sie haben ihren Respekt für jede Form von Autorität keineswegs verloren. Vielmehr sind sie in einem kriminellen, asozialen Umfeld aufgewachsen, wo sie ermutigt werden, Lehrer, Sozialarbeiter, die Polizei zu missachten. Ich behaupte, das sind keine politisch motivierten Proteste, das sind auch keine wirtschaftlich motivierten Proteste. Wer diesen Tätern solche Motive zuschreibt, sucht nur nach einer Entschuldigung für ihr Verhalten und will dem Ganzen eine tiefere Bedeutung geben. Nein, sie randalieren einfach nur, weil es ihnen nicht passt, dass sie sich denselben Regeln beugen, müssen wie alle anderen Leute auch."
    Vieles geschehe aus Opportunismus, dennoch müsse die soziale Frage gestellt werden, sagen andere. Bei diesen Unruhen gehe es weniger um Rasse, Klasse oder Religion, sondern vielmehr um all jene, die sich von der Gesellschaft abgehängt fühlten. Daniel Snell, Gründer des Jugendprojekts "Arrival Education" in Westlondon.

    "Sie haben sehr wenig Chancen, und selbst wenn sie eine Chance hätten, würden sie gar nicht wissen, wie sie sie nutzen können. Ihnen fehlen praktisch die Wege, die Brücken, die sie aus ihren Communities in die arbeitende Bevölkerung führen können. Sie wissen nicht, wie sie sich verhalten sollen, und weil sie nichts haben, ist es leicht, etwas zu zerstören. Wenn du nichts hast, kannst du auch nichts verlieren."

    Aber Shaun Bailey, ein afrokaribischer Streetworker und Vordenker, selbst in einem deprivierten Kiez in Westlondon aufgewachsen, macht noch auf einen weiteren Aspekt aufmerksam: In keinem anderen Land Europas sei der Zerfall der traditionellen Familie derart fortgeschritten wie in Groβbritannien. In keinem anderen Land verbrächten Kinder so wenig Zeit mit ihren Familien und so viel Zeit mit gleichaltrigen Peergroups.

    Shaun Bailey, Mitglied der konservativen Partei, hat das Zentrum "My Generation" gegründet, da, wo er aufgewachsen ist: mitten auf den North Kensington Estates. Shaun Baley kennt das Milieu, er spricht seine Sprache und nimmt kein Blatt vor den Mund. Die härtesten Jungs kommen in seinen Führungskurs. Sie müssen sich bewähren. In Sportturnieren, in Rollenspielen. Er hinterfragt ihr Verhalten. Sie müssen lernen, sich verbal auszudrücken. Viele glauben, sie hätten keine Zukunft. Seine Arbeit besteht darin, mit ihnen ein Zukunftskonzept zu entwickeln. Und sie aus ihrer Opferecke herauszuholen.

    "Das Zentrum "My Generation" wird von Leuten aus dem Kiez organisiert. Wenn wir es mit jemand zu tun haben, der in der Krise steckt, kann er sich nicht damit herausreden, dass wir nicht wissen, wie schlecht es ihm geht. Wir kennen uns ganz genau aus, weil wir seine Nachbarn sind."

    Jugendzentren funktionieren nicht, wenn sie von "Oben", von irgendeiner zentralen Stelle organisiert werden, da kann man noch so viel Geld hineinstecken, sagt Shaun Bailey. Sobald die Jugendlichen das Gefühl haben, der Staat hat seine Hand mit im Spiel, klinken sie sich aus. Außerdem wüssten Leute aus dem lokalen Milieu am besten über die Bedürfnisse ihrer Nachbarn Bescheid.

    Im Zusammenhang mit den derzeitigen Krawallen werden in der aufkommenden öffentlichen Debatte immer wieder zwei Begriffe beschworen: die Begriffe "sozialer Zusammenhalt" und "gesellschaftlicher Konsens". Vielleicht gerade deshalb, weil sie im modernen Groβbritannien häufig vermisst werden. Angesichts der gewaltsamen Übergriffe und der nicht überall präsenten Polizei haben sich nun mancherorts Nachbarschaften zusammengetan, um sich notfalls selbst zu schützen.

    Wir sind keine Unruhestifter, aber wir wollen nicht ohnmächtig zusehen, wie unsere Existenzgrundlage vernichtet wird, so ein afrokaribischer Ladenbesitzer in Enfield, Nordlondon.

    Sie werden nicht kommen, weil sie wissen, dass wir uns verteidigen werden, beteuert ein anderer, ein türkischer Restaurantbesitzer in GreenLanes, Nordlondon: Er und seine Nachbarn haben sich mit Schlagstöcken und Messern gerüstet. Einmal hätten sie einen Mob bereits erfolgreich vertrieben, erzählen sie.

    Doch diese Taktik ist auch gefährlich. In Birmingham wurden drei asiatische Muslime getötet, die offenbar ein Geschäft verteidigen wollten: Sie wurden von einem Auto umgefahren. Am Steuer saβ ein schwarzer Fahrer. Die Hinterbliebenen der Opfer haben an ihre Community appelliert, Ruhe zu bewahren. Aber manche befürchten schon, der Vorfall könnte zu blutigen Zusammenstöβen führen, diesmal zwischen den beiden ethnischen Gruppen in Birmingham.