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Abgefackelt
Verlieren können ist alles

"Dabei sein ist alles" ist anders als häufig kolportiert kein olympisches Motto. Es ist eine Illusion, dass die Besten sich mit der Teilnahme zufriedengeben – häufig ist das Gegenteil der Fall. Und im Umgang mit der Niederlage treten menschliche Schwächen zutage.

Von Victoria Reith | 13.08.2016
    Die Torhüterin der amerikanischen Fußball-Nationalmannschaft, Hope Solo, beim Viertelfinal-Spiel gegen Schweden bei den Olympischen Spielen in Brasilia. Die USA verloren im Elfmeterschießen.
    Hope Solo hat ihrer Ansicht nach "gegen Feiglinge verloren". Die Feiglinge aus Schweden spielen jetzt um die Medaillen. (imago sportfotodienst)
    Der Satz "Dabei sein ist alles" wird dem Begründer der Olympischen Spiele der Neuzeit, Pierre de Coubertin, zugeschrieben. Er steht für die Geisteshaltung, nicht zu verbissen ranzugehen. Coubertins Ausspruch lautete zwar ein wenig anders, und zwar: "Das Wichtigste bei den Olympischen Spielen ist nicht zu gewinnen, sondern daran teilzunehmen." Geht aber von der Grundintention her in dieselbe Richtung. Man möchte meinen, in die Richtige. Aber moralisch lässt sich ja vom Sofa aus leicht urteilen, während Athleten alles tun, um sich selbst für vier Jahre harte Arbeit zu belohnen.
    Handschlag verweigert, Sieger düpiert
    Man kann nicht erwarten, dass der Unterlegene seinen Gegner umarmt und ihm euphorisch gratuliert. Normalerweise ringt der Bezwungene sich ein Lächeln ab, gibt dem Sieger die Hand und verschwindet in den Katakomben der jeweiligen Sportstätte. Nicht einmal das gelang aber gestern dem unterlegenen ägyptischen Judoka Islam al-Schehabi. Er weigerte sich, seinem Kontrahenten Or Sasson aus Israel die Hand zu geben.
    Druck verspürt oder schlechter Verlierer?
    Ein schlechter Verlierer? Nicht ganz eindeutig: Wenn al-Schebabi wirklich von islamistischen Kräften zu Hause aufgefordert wurde, gar nicht erst anzutreten, ist er sicher nicht zu beneiden.
    Trotzdem: Wenn man den Gegner mit dem Hinterteil anschaut, geht diese Aussage über den reinen Sport hinaus. Der Israeli Sasson ließ sich jedenfalls nicht beirren und gewann am Ende des Wettkampftags Bronze.
    Hope Solo: gegen einen "Haufen Feiglinge" verloren
    Eindeutiger ist die Lage bei Hope Solo, die sich, nachdem sie ihrer Mannschaft ein Spiel mit Herz bescheinigt hatte, auch noch zu einer Aussage über ihre Gegnerinnen hinreißen ließ. Die US-Torhüterin beschimpfte ihre Kontrahentinnen aus Schweden als "einen Haufen Feiglinge", weil sie keine Lust auf Pässe gehabt hätten. Die Feiglinge gewannen im Elfmeterschießen und die USA, Mitfavoritinnen auf Gold, flogen raus. Das beste Team hätte nicht gewonnen, so Solos Bilanz. Die schwedische Trainerin Pia Sundhage konterte: "Es ist okay, ein Feigling zu sein, wenn du gewinnst."
    Hope Solo schrieb nachher, ihre Aussage sei aus dem Kontext gerissen worden. Aber immerhin gab sie zu: Sie sei wirklich schlecht darin, zu verlieren.
    Schlechte Verlierer gibt es übrigens auch unter denjenigen, die mit ihrer Platzierung objektiv betrachtet glücklich sein müssten: Der Schwede Ara Abrahamian gewann bei den Olympischen Spielen von 2008 im Ringen das kleine Finale, war aber mit Bronze so unzufrieden, dass er die Medaille noch während der Zeremonie abnahm und die Halle verließ – aus Protest gegen ein vermeintlich zu Unrecht verlorenes Halbfinale.
    Der Sieger aus Italien, Andrea Minguzzi, sagte danach, Abrahamians Verhalten habe ihm die Siegeszeremonie verdorben. Das IOC erkannte Abrahamian später die Bronzemedaille ab, und vergab sie nicht neu. Noch schlimmer als schlechte Verlierer sind also unzufriedene Medaillengewinner.
    Unter "Abgefackelt" bildet die DLF-Sportredaktion Hintergründiges, Humorvolles, Abseitiges rund um die Olympischen Sommerspiele in Rio ab.