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Abgekühltes Kooperationsklima

Das Klima zwischen öffentlich-rechtlichen Sendern und einigen Zeitungsverlagen ist seit der Einreichung der Sammelklage gegen die Tagesschau-App unterkühlter geworden. Der WDR kündigte sogar seine Kooperation mit der WAZ-Gruppe, um ein Zeichen zu setzen. Auch andere Kooperationsverträge wurden beendet.

Von Thielko Grieß | 30.07.2011
    Publizistische Zusammenarbeit zwischen den Sendern und privaten Verlagen im Internet – sie fällt unterschiedlich aus. Je nach Region und je nach Interesse der Beteiligten. Wenn es sie gibt, geht es in der Regel um Videos.

    Der Mitteldeutsche Rundfunk: Kooperation statt Kündigung


    Der MDR begann 2009 die Onlinekooperation mit der Zeitungsgruppe Thüringen, die zur WAZ-Gruppe gehört. Unter ihrem Dach erscheinen die "Thüringer Allgemeine", "Ostthüringische Zeitung" und "Thüringische Landeszeitung". Später schloss der MDR außerdem Verträge mit der "Sächsischen Zeitung" in Dresden und der "Leipziger Volkszeitung". Sie alle binden Videos auf ihren Internetportalen ein, die zuvor im Nachrichtenformat "MDR aktuell" und den Ländermagazinen ausgestrahlt wurden, zum Beispiel im "Thüringen Journal". MDR-Sprecher Dirk Thärichen sagt, der Sender habe zwar auch eine eigene Mediathek.

    "Wir wissen aber, dass zum Beispiel auf den Portalen der Landeszeitungen die Nutzer deutlich jünger sind. Dass die also im Bereich 30, 40 oder 50 sind. Und an diesen Stellen haben wir zum Beispiel im MDR-Fernsehprogramm Schwierigkeiten, die zu erreichen. Von dieser Seite her ist das eine Erweiterung."

    Die Zeitungsgruppe Thüringen übernimmt nach eigenen Angaben monatlich rund 100 Videos. Dafür zahle der Verlag dem Sender eine "marktübliche" Lizenzgebühr, heißt es etwas nebulös. Im Gegenzug druckten die Blätter Anzeigen, mit denen Fernseh- und Hörfunkprogramme des MDR beworben würden. Winfried Schenk, Onlinechef bei der Zeitungsgruppe Thüringen, allerdings unterstreicht: Videos produziere das Unternehmen auch selbst.

    "Unsere eigene Videoeinheit ist in Abstimmung mit den Redaktionen in erster Linie bei den Themen unterwegs, die Aktualität erfordern, noch am gleichen Tag. Die Videos vom MDR sind in der Regel Videos vom Vorabend aus dem Thüringen Journal. Und unsere eigenen Leute sind im Prinzip da unterwegs, wo wir sofort live sein wollen."

    Der Südwestrundfunk: Kündigung statt Kooperation


    Bis zum Jahresbeginn unterhielt der SWR vier Kooperationen mit Zeitungen in Baden-Württemberg. Drei davon wurden gekündigt, auf Betreiben der Verlage. Etwa des Südkuriers mit Sitz in Konstanz, der ähnlich wie die Thüringer Zeitungsgruppe die Clips für das Internetangebot inzwischen selbst dreht.

    "Das sind unsere eigenen Videos, wo wir auch Dinge tun, die der SWR vielleicht nicht machen würde, der ja, positiv formuliert, mit einer gewissen Ernsthaftigkeit, negativ formuliert, mit einer gewissen Traditionalität-Bräsigkeit verbunden wird"

    , meint Südkurier Onlineleiter Martin Utz. In Baden-Württemberg verlinkt inzwischen nur noch die "Rhein-Neckar-Zeitung" auf Videos des SWR. Dessen Landessenderdirektor in Stuttgart, Hans-Peter Archner, bedauert die Kündigungen, schließlich hätten sich beide Seiten gut ergänzt. Aber:

    "Es geht wirklich um die grundsätzliche Auseinandersetzung, darum, welche Rolle das Internet spielt, welche Rolle Journalismus spielt, und welche Rolle öffentlich-rechtliche Anstalten im Onlinejournalismus noch spielen dürfen. Und ob sie wirklich, was ich nicht glaube, dass das der Fall ist, ob sie wirklich wirtschaftliche Interessen der Verlage berühren."

    Der Faktor Konkurrenz sei für die "Badische Zeitung" in Freiburg nicht entscheidend gewesen, als die Kündigung an den SWR abgeschickt worden sei. Vielmehr sei es darum gegangen, eine klare Trennlinie zu ziehen. Chefredakteur Thomas Hauser.

    "Es gab da eine Zuspitzung in der Diskussion, die ein bisschen in die Richtung lief, so nach dem Motto, die Verleger sollen sich nicht so haben gegen uns so zu wettern. Im Grunde kooperieren sie doch ganz gern mit uns. Und dieses hat man dann eher als unfreundlichen Akt seitens der öffentlich-rechtlichen Vertreter empfunden."

    Beide Seiten rechnen damit, dass das Klima zwischen öffentlich-rechtlichen Anstalten und Verlagen in nächster Zeit konfrontativ bleibt. Mindestens solange es kein gerichtliches Urteil zur Smartphone-App der Tagesschau gibt.