Freitag, 17. Mai 2024

Bundestag
Abgeordnete entscheiden über Teil-Legalisierung von Cannabis

Der Bundestag stimmt heute über die Teil-Legalisierung von Cannabis ab. Die Regierung erhofft sich, den Gesundheitsschutz zu verbessern, den Schwarzmarkt zu schwächen und den Kinder- und Jugendschutz zu stärken. Union, AfD sowie einige SPD-Abgeordnete lehnen das Vorhaben dagegen ab.

23.02.2024
    Nahaufnahme einer Cannabispflanze
    Ungeachtet der Kritik auch aus den eigenen Reihen will die Ampel-Koalition das Cannabis-Gesetz heute verabschieden. (picture alliance / dpa / David Pichler)
    Laut Gesetzentwurf von Bundesgesundheitsminister Lauterbach soll für Erwachsene grundsätzlich der Besitz von bis zu 50 Gramm zum Eigenkonsum erlaubt werden. In der eigenen Wohnung dürften zudem drei Cannabispflanzen angebaut werden. Ab Juli sollen dann Clubs zum nicht-kommerziellen Anbau möglich werden. Verboten bleibt der öffentliche Konsum unter anderem in Schulen und Sportstätten. Die Abstimmung ist namentlich.

    Drogenbeauftragter: Weniger Stigmatisierung, mehr Hilfen

    Der Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Blienert, erwartet von der geplanten Cannabis-Legalisierung einen deutlichen Rückgang des Schwarzmarktes. Wer selbst Hanf anbauen dürfe, kaufe keine gefährlichen Mischungen mehr beim Dealer auf dem Schwarzmarkt, sagte er dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Verbote würden gegen das Kiffen nicht weiterhelfen, argumentierte der SPD-Politiker. Er sprach von einer neuen Drogen- und Suchtpolitik, weg von Stigmatisierung und Kriminalisierung, hin zu mehr Schutz und Hilfen. Präventionsarbeit an Schulen etwa werde dadurch leichter.
    Die Innenminister der Länder hingegen hatten am Wochenende parteiübergreifend vor einer Teillegalisierung gewarnt und die Möglichkeiten der Kontrolle infrage gestellt. Bedenken haben auch Kinder- und Jugendärzte, der Deutsche Richterbund sowie der Bund Deutscher Kriminalbeamter.
    Der Präsident des Berufsverbands der Kinder- und Jugendärzte, Hubmann, sagte der "Ärzte Zeitung", er befürchte, dass Cannabis an Kinder und Jugendliche vermehrt durchgereicht werde, wenn die Substanz für Erwachsene legalisiert werde. Seinen Worten zufolge bekommt der Kinder- und Jugendschutz bereits den Umgang mit Alkohol und Nikotin nicht in den Griff.

    Richterbund warnt vor Überlastung der Justiz durch Amnestie-Regelung

    Der Deutsche Richterbund bekräftigte seine Warnungen vor einer Überlastung der Justiz. Grund sind mögliche rückwirkende Straferlasse bei Cannabis-Vergehen. Der Gesetzgeber solle die geplante Amnestie-Regelung für nicht vollstreckte Altfälle streichen. Zur Begründung sagte Richterbund-Bundesgeschäftsführer Rebehn dem Redaktionsnetzwerk Deutschland, die Strafakten müssten händisch ausgewertet werden. Sei jemand wegen mehrerer Straftaten zu einer sogenannten Gesamtstrafe verurteilt worden, müsse das Gericht die nach neuem Recht nicht mehr relevante Betäubungsmittelstraftat nachträglich außer Betracht lassen und die Strafe mit neuer Begründung neu fassen.

    Der Bund Deutscher Kriminalbeamter forderte erneut den Stopp der Ampel-Pläne. Der DBK-Vorsitzende Peglow führte in der Funke-Mediengruppe, das Gesetz sei in der Praxis schwierig umsetzbar und fördere den Kleinhandel vom Cannabis.

    Offener Brief von 30 Experten ruft Abgeordnete zur Zustimmung auf

    Anfang der Woche hatten dagegen 30 Fachleute, darunter vor allem Professoren aus den Bereichen Rechtswissenschaft, Soziologie und Psychologie, einen offenen Brief verfasst. Er ging an Abgeordnete des Deutschen Bundestags und rief sie dazu auf, der geplanten Teil-Legalisierung von Cannabis in dieser Woche zuzustimmen. Die meisten relevanten Experten setzten sich für ein Ende der Strafverfolgung von Konsumenten ein, sagte der Initiator des Briefs, Bernd Werse, dem Deutschlandfunk. Es sei ihm angesichts der vielen Meldungen der Gegenseite wichtig gewesen, dies zu verdeutlichen, führte der Leiter des Zentrums für Drogenforschung an der Uni Frankfurt aus. Der Brief sei an die Ampelfraktionen und die Fraktions- sowie Gruppenleitungen der anderen demokratischen Parteien gegangen.
    Den Experten zufolge deuten Erfahrungen aus anderen Ländern darauf hin, dass eine ausgewogene Teil-Legalisierung, wie von der Koalition geplant, keine Erhöhung des Konsums zur Folge haben werde. Auch Befürchtungen über eine Stärkung des profitorientierten Schwarzmarktes seien nicht haltbar und ohne Bezug zur kriminologischen Drogenmarktforschung.
    Diese Nachricht wurde am 23.02.2024 im Programm Deutschlandfunk gesendet.