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Abgesang auf einen Gesundheitsstar

Der Westdeutsche Rundfunk hat die Zusammenarbeit mit Hademar Bankhofer beendet. Der Sender verdächtigte den Gesundheits-Experten des ARD-"Morgenmagazins", Schleichwerbung betrieben zu haben. Die Frage ist, wieso erst jetzt reagiert wurde.

Von Christian Floto |
    Alle Achtung, der Mann ist ein Phänomen. Auf dem zentralen Feld der Gesundheitswissenschaften hat er nichts, aber auch gar nicht gelernt, geschweige denn studiert. Fleißig angelesen, aufgeschnappt und eigenverwertet muss er all die Informationen haben, die er jahrzehntelang von sich gegeben hat: mal als angeblich international anerkannter Medizinjournalist. der Anerkennung auch in medizinischen Fachkreisen genieße – so feiert ihn die Verlagsgruppe Random House im Internet – , viel häufiger aber als Gesundheitsexperte. 18 Jahre für HR3, jahrelang für das ARD-Morgenmagazin, für andere öffentlich- rechtliche Anstalten sowie in ungezählten Kolumnen bei weitem nicht nur der yellow press .

    Nun: die Entzauberung eines Mannes, den mancher Regisseur als Idealbesetzung in einem Heiratschwindlerspielfilm casten würde. Charme, Schmäh, treuherzig-gewinnendes Lächeln, ein entzückender Akzent, Halstuch, weißhaarig, redselig und nie belehrend: die optimale präsentatorische Verpackung. Es menschelt, wenn er den Gesundheitsexperten gibt, die Anmutung von Warmherzigkeit tat vielen an der sonst meist kühlen Mattscheibe wohl. Medienwissenschaftlich also die perfekte Allianz im Sinne von uses and gratification: Lieber Zuschauer, ich schenke Ihnen vermeintliche Nähe, Wärme und Wohlgefühl – und die Quoten und ich kommen auch nicht zu kurz.

    Kein Problem, wenn es dabei um die optimale Stellung von Stühlen im Raum oder die Präsentation von Lieb und Leid und Welt und Traum ginge. Aber nein, der Herr mit dem schillernden österreichischen Professorentitel war in einem höchst lukrativen, aber eben auch sensiblen Themenfeld unterwegs.

    Er sonnte sich im Lichte der Lampen, die andere permanent für ihn anknipsten. Offensichtlich ohne sich im geringsten dafür zu interessieren, was der Herr Professor da eigentlich so alles von sich gibt und unter seinem Namen noch so treibt.

    "Gesundheitswelten.com" zum Beispiel versteht sich als das große Internetportal u. a. für alle Freunde von Professor Bankhofer. Da nimmt das Staunen kein Ende. Eine Physiotherm-Infrarot-Therapiekabine wird dort von Bankhofer hoch gelobt, wie sie die "allgemeine Immunkraft" – was immer das auch ist- aufbaut. Welche Verantwortlichen beim ARD-Morgenmagazin hat es eigentlich hinsichtlich von Konsequenzen interessiert oder nicht interessiert, als der Leiter des Deutschen Cochrane Zentrums in Freiburg, Dr. Gerd Antes, schon 2004 und 2006 offensichtlich unsinnige Empfehlungen , die unter dem Anschein auf Wissenschaftlichkeit verkündet wurden, rügte.

    Erst als jetzt Verdacht auf mögliche Schleichwerbung auftrat, wurde sensibel reagiert – und die Zusammenarbeit mit dem selbsternannten schillernden Gesundheitsstar abrupt beendet. Aber wieso erst jetzt? Welche Mechanismen lassen ein Medienphänomen Bankhofer ent- und bestehen – trotz deutlichster Hinweise auf gravierende Kompetenzmängel, die auch der Vorsitzende der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft, Professor Wolf-Dieter Ludwig, gegenüber dem Deutschlandfunk unterstreicht. Bezogen auf Bankhofers Internetportal hält er es für äußerst problematisch, wenn ein Gesundheitsexperte ohne fundiertes Studium und Medizinkenntnisse unter dem Deckmantel, seriöse Information zu verbreiten, eher desinformiert, sodass Patienten möglicherweise unsichere Wirkstoffe und Arzneimittel einnehmen und gut etablierte Verfahren nicht mehr nutzen.

    Der Fall Bankhofer zeigt, dass auf dem Feld von Gesundheitsthemen bei den journalistisch Verantwortlichen vieler Medien unverantwortliches Laissez-faire vorherrscht. Anscheinend nach dem Motto, Gesundheit betrifft alle, also können alle mitreden, wird sich vermutlich kein Jota geschert um Wissenschaftlichkeitskriterien evidenzbasierter Gesundheitsstudien. Im besten Falle ist es Inkompetenz, im schlimmsten Fall wäre es bornierte Ignoranz, die ausschließlich dem Quotenfetisch huldigt, der sich um Verpackung, aber nie um Inhalte kümmert.

    Es reicht ja schon, einfach die Klingelwörter "wie Studien zeigten" oder" renommierte Wissenschaftler haben herausgefunden" fallen zu lassen: Wer hat jemals in diesen Redaktionen solche Studien nachgelesen oder die Dignität der besagten oder angeblichen Forscher überprüft? Warum wurde niemand von Berufs wegen stutzig, wenn ein Herr Bankhofer chamäleonartig zwischen Journalisten- und Expertenrolle changierte? In journalistischer Hinsicht lässt sich das nur mit einem denkwürdigen Gebräu aus Nonchalance, Festhalten am ewig Gleichen, Kritiklosigkeit und grenzenloser Fehleinschätzung tatsächlichen Expertentums und seiner Voraussetzungen auf dem Gebiet von Gesundheitsthemen erklären. Solange war er für diese der Star. Nun ist er schnuppe. Und das ist auch gut so.