Die Sonne brennt, das Thermometer klettert auf über 50 Grad, die Landschaft - karg und öde. Keine Wolke ist am Himmel. Mitten im nordafrikanischen Wüstensand laufen zwei Ameisen friedlich nebeneinander. Plötzlich: Szenenwechsel. Die eine fällt über die andere her, reißt die Kiefer auseinander, beisst und versprüht Säure. Schuld daran sind nicht Gefühlsausbrüche, sondern ein internes Orientierungssystem. Ein sogenannter Wegintegrator. Und dafür muss die Wüstenameise Cataglyphis pausenlos einen internen Vektor berechnen, also eine Art Richtungspfeil. Rüdiger Wehner, Zoologe an der Universität Zürich:
Dieser Vektor ist so etwas wie eine virtuelle Ariadnelinie, ein Ariadnefaden, oder wie ein Spinnenseil, dass sie immer hinter sich herziehen virtuell und den sie dann beim Rücklauf zurückspulen. Die Tiere müssen, wenn sie auslaufen, bei jedem Schritt die Richtung messen, die sie in diesem Schritt zurück gelegt haben und dann die Distanz. Sie müssen also gewissermaßen einen Schrittzähler haben, der Distanzen misst und einen Winkelmesser oder einen Kompass.
Für ihre Navigation brauchen die Ameisen keine Duftmarken wie andere Tiere, sondern vor allem die Sonne. Denn ihr interner Kompass funktioniert optisch, nicht magnetisch. Mit ihren Augen erkennen sie selbst am eintönig blauen Himmel ein markantes Muster. Dieses sogenannte Polarisationsmuster entsteht durch die Streuung des Sonnenlichts an den Molekülen der Erdatmosphäre und ist für uns Menschen unsichtbar. Die Wüstenameise hat aber in ihren Augen spezielle UV-Rezeptoren, mit denen sie die Muster erkennt. Das hilft ihr nach Hause zu finden - auch in völlig ebenen Wüstenregionen. Rüdiger Wehner:
Und ihr Vektor, solang sie eben im Nest sind, steht eben auf Null, und erst wenn sie die ersten Schritte außerhalb des Nestes machen, dann fängt dieser Wegintegrator an zu laufen, und der Vektor wird dann langsam aufgebaut. Wenn sie wieder zurücklaufen, wird er wieder abgebaut, und wenn sie wieder am Nest sind, ist er wieder auf Null.
Das Besondere daran: die Wüstenameise kann auf ihrer Futtersuche über 100 Meter noch so im Zickzack laufen, sie findet immer wieder auf geradem Weg zurück. Umgerechnet auf uns Menschen würde das bedeuten, dass wir 50 km durch strukturloses Gelände Kurven laufen müssten, um dann binnen weniger Minuten schnurstracks wieder nach Hause zu kommen. - Zu knifflig für das menschliche Gehirn. Das Hirn einer Ameise versagt jedoch nicht, obwohl es nur ein Zehntel Milligramm (0,1 mg) wiegt. Es wird nur dann irritiert, wenn die Tiere an eine andere Stelle versetzt werden und der Vektor nicht mehr stimmt. Dann landet die Ameise am falschen Ort. In umfangreichen Versuchen haben Rüdiger Wehner und sein Team Ameise für Ameise umgesetzt - auf ein Feld mit unzähligen Koordinaten.
Und wenn sie dann meint, sie sei am Nest, weil sie ihren Vektor abgespult hat, aber eben nicht am Nest ist, weil wir sie kilometerweit versetzt haben, dann beginnt sie ein systematisches Suchmuster. Wir können genau den Punkt bestimmen, an dem sie meint, sie sei am Nest.
Um das Verhalten der Ameisen untereinander zu studieren, haben die Forscher sie unterschiedlich weit ausgesetzt. Der Weg nach Hause, zu ihrem Nullvektor im Gehirn, war also für zwei Ameisen jeweils unterschiedlich lang. Demzufolge war die eine scheinbar schon daheim, während die andere noch ein Stück vor sich hatte. Und immer, wenn das der Fall war, gab es Streit. Die eine ging auf die andere los. Wehner:
Aber immer diejenige, die schon ihren Vektor auf null gestellt hatte, gewinnt dann. Also nicht immer, 84 Prozent war, glaube ich, die Zahl. Und die andere, die noch die Hälfte ihres Vektors zu gehen hatte, ist dann die defensive, die am Ende verliert. Das heißt in diesem Fall hat die Ameise ja gar keinen unmittelbaren Parameter gehabt, der ihr gesagt hat, ich war am Nest, da war kein Nestduft, da waren keine Landmarken, da waren keine anderen Ameisen in der Nähe, sondern sie hatte nur das innere Wissen sozusagen, dass sie am Nest sein muss, weil sie diesen Rücklaufvektor abgespult hat, und das sagt ihr, sie muss jetzt aggressiv sein.
Offensichtlich schaltet das interne Orientierungssystem einer Wüstenameise auf Rot, sobald sie im Nahbereich ihres berechneten Nests eine Ameise von einer anderen Kolonie sieht. Wie das genau funktioniert, ist bislang nur Vermutung. Möglicherweise hängen Orientierungssystem und Hormonsystem der Tiere so eng zusammen, dass genau dann das Aggressivitätshormon stärker ausgeschüttet wird, wenn ihr Gehirn den Ameisen signalisiert: Ich bin zu Hause. My home is my castle!
Dieser Vektor ist so etwas wie eine virtuelle Ariadnelinie, ein Ariadnefaden, oder wie ein Spinnenseil, dass sie immer hinter sich herziehen virtuell und den sie dann beim Rücklauf zurückspulen. Die Tiere müssen, wenn sie auslaufen, bei jedem Schritt die Richtung messen, die sie in diesem Schritt zurück gelegt haben und dann die Distanz. Sie müssen also gewissermaßen einen Schrittzähler haben, der Distanzen misst und einen Winkelmesser oder einen Kompass.
Für ihre Navigation brauchen die Ameisen keine Duftmarken wie andere Tiere, sondern vor allem die Sonne. Denn ihr interner Kompass funktioniert optisch, nicht magnetisch. Mit ihren Augen erkennen sie selbst am eintönig blauen Himmel ein markantes Muster. Dieses sogenannte Polarisationsmuster entsteht durch die Streuung des Sonnenlichts an den Molekülen der Erdatmosphäre und ist für uns Menschen unsichtbar. Die Wüstenameise hat aber in ihren Augen spezielle UV-Rezeptoren, mit denen sie die Muster erkennt. Das hilft ihr nach Hause zu finden - auch in völlig ebenen Wüstenregionen. Rüdiger Wehner:
Und ihr Vektor, solang sie eben im Nest sind, steht eben auf Null, und erst wenn sie die ersten Schritte außerhalb des Nestes machen, dann fängt dieser Wegintegrator an zu laufen, und der Vektor wird dann langsam aufgebaut. Wenn sie wieder zurücklaufen, wird er wieder abgebaut, und wenn sie wieder am Nest sind, ist er wieder auf Null.
Das Besondere daran: die Wüstenameise kann auf ihrer Futtersuche über 100 Meter noch so im Zickzack laufen, sie findet immer wieder auf geradem Weg zurück. Umgerechnet auf uns Menschen würde das bedeuten, dass wir 50 km durch strukturloses Gelände Kurven laufen müssten, um dann binnen weniger Minuten schnurstracks wieder nach Hause zu kommen. - Zu knifflig für das menschliche Gehirn. Das Hirn einer Ameise versagt jedoch nicht, obwohl es nur ein Zehntel Milligramm (0,1 mg) wiegt. Es wird nur dann irritiert, wenn die Tiere an eine andere Stelle versetzt werden und der Vektor nicht mehr stimmt. Dann landet die Ameise am falschen Ort. In umfangreichen Versuchen haben Rüdiger Wehner und sein Team Ameise für Ameise umgesetzt - auf ein Feld mit unzähligen Koordinaten.
Und wenn sie dann meint, sie sei am Nest, weil sie ihren Vektor abgespult hat, aber eben nicht am Nest ist, weil wir sie kilometerweit versetzt haben, dann beginnt sie ein systematisches Suchmuster. Wir können genau den Punkt bestimmen, an dem sie meint, sie sei am Nest.
Um das Verhalten der Ameisen untereinander zu studieren, haben die Forscher sie unterschiedlich weit ausgesetzt. Der Weg nach Hause, zu ihrem Nullvektor im Gehirn, war also für zwei Ameisen jeweils unterschiedlich lang. Demzufolge war die eine scheinbar schon daheim, während die andere noch ein Stück vor sich hatte. Und immer, wenn das der Fall war, gab es Streit. Die eine ging auf die andere los. Wehner:
Aber immer diejenige, die schon ihren Vektor auf null gestellt hatte, gewinnt dann. Also nicht immer, 84 Prozent war, glaube ich, die Zahl. Und die andere, die noch die Hälfte ihres Vektors zu gehen hatte, ist dann die defensive, die am Ende verliert. Das heißt in diesem Fall hat die Ameise ja gar keinen unmittelbaren Parameter gehabt, der ihr gesagt hat, ich war am Nest, da war kein Nestduft, da waren keine Landmarken, da waren keine anderen Ameisen in der Nähe, sondern sie hatte nur das innere Wissen sozusagen, dass sie am Nest sein muss, weil sie diesen Rücklaufvektor abgespult hat, und das sagt ihr, sie muss jetzt aggressiv sein.
Offensichtlich schaltet das interne Orientierungssystem einer Wüstenameise auf Rot, sobald sie im Nahbereich ihres berechneten Nests eine Ameise von einer anderen Kolonie sieht. Wie das genau funktioniert, ist bislang nur Vermutung. Möglicherweise hängen Orientierungssystem und Hormonsystem der Tiere so eng zusammen, dass genau dann das Aggressivitätshormon stärker ausgeschüttet wird, wenn ihr Gehirn den Ameisen signalisiert: Ich bin zu Hause. My home is my castle!