"Ich weiß, dass ich Anfang 14 war, und das war mit meiner besten Freundin, das erste Mal. Aber da ist nicht viel passiert. Beim ersten Mal habe ich gar nichts gemerkt."
"Anfang 15 dann habe ich immer so am Wochenende geraucht, mit meinen Freunden zusammen. Und dann hat sich das immer mehr gesteigert mit der Zeit."
"Zum Schluss habe ich wohl jeden Tag ein paar Mal am Tag einen Joint geraucht. Also, unter der Woche vielleicht drei am Tag und dann am Wochenende, wenn man in die Discos geht und so lange wach ist. Dann kommen schon ein paar mehr dazu. Also, acht vielleicht. Also, nicht alleine natürlich geraucht, sondern mit Freunden geteilt. Das war schon ziemlich viel dann."
Nicht nur bei Kristina Lindberg kam die Abhängigkeit schleichend, auf leisen Sohlen. Wahrhaben wollte sie das nicht. "Ich kiffe, weil es mir Spaß macht", sagte sie, so wie auch Raucher ihren Tabakkonsum erklären und die Abhängigkeit leugnen.
Während der Konsum von Opiaten zurückgeht, greifen mittlerweile immer mehr Jugendliche und junge Erwachsene zu Cannabis. Die Zahl der Konsumentinnen und Konsumenten ist in den vergangenen zehn Jahren um 70 Prozent gestiegen. Schaut man nur auf die Jugendlichen und jungen Erwachsenen, sind es sogar 170 Prozent. Immer mehr geraten dabei in eine Abhängigkeit von der Droge. Und suchen Hilfe - eine Hilfe, wie sie zum Beispiel die Drogenambulanz am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf bietet. Professor Rainer Thomasius ist der Leiter der Ambulanz.
""Wir sehen in der Hamburger Ambulanz für drogenabhängige Jugendliche und junge Erwachsene 800 Behandlungsfälle pro Jahr.
Im Bereich der illegalen Drogen stehen die Anfragen durch Cannabis-Konsumenten ja mittlerweile auf dem Platz Nummer eins."
Die Zahl der Ratsuchenden Cannabis-Konsumenten hat sich in den vergangenen zehn Jahren verachtfacht. Doch Experten wie den Diplompsychologen Andreas Gantner beeindruckt das wenig. Er arbeitet seit 20 Jahren im Berliner Therapieladen mit Cannabis-Abhängigen und sieht die enorm gestiegene Zahl der Ratsuchenden nicht als Beleg für einen ebenso starken Anstieg des Problems.
"Ich glaube der Anstieg ist durch die bessere Wahrnehmung, durch bessere diagnostische Prozeduren, durch eine größere Sensibilität auf Seiten der Beratungsstellen, auf Seiten der Berater, zu erklären. Man schaut genauer hin. Man schaut auch in der Jugendpsychiatrie genauer hin. Und dadurch werden Probleme überhaupt mehr zur Kenntnis genommen, die vorher auch da waren."
So entpuppt sich die vermeintlich schlechte Nachricht – fast 800 Prozent mehr Cannabisklienten – zunächst einmal als eine gute. Die Zeiten sind vorbei, in denen Drogenberater Jugendliche wegschickten, weil sie ja ´nur´ Cannabis nahmen.
Gleichwohl ist unbestritten, dass die Zahl der abhängigen Cannabis-Konsumenten, stark zugenommen hat. Auf etwa 400.000 schätzen Experten die Zahl der Suchtkranken. Viele konsumieren beinahe täglich und rauchen im Durchschnitt 10 Mal am Tag. Das ganze Leben spielt sich im Rausch ab, wie Prof. Thomasius erläutert.
"Heute wird völlig zügel- und maßlos mitunter fünf bis sechs Gramm Cannabis-Produkte genommen. Junge Leute, die morgens aufwachen, den ersten Bong rauchen, im Verlauf des Tages fünf bis sechs, manchmal sogar noch mehr Gramm konsumieren. Abends, wenn sie ins Bett gehen, den letzten Bong konsumieren. Und im Übrigen ist den ganzen Tag über nichts Weiteres passiert als massiver Cannabis-Konsum und Beschaffung dieser Substanz. Die Jugendlichen verbringen ihren Tag ziel- und planlos. Völlig interesselos. Wenig konstruktiv."
Solch ein Leben für und mit der Droge bleibt nicht ohne Folgen. Die Jugendlichen leiden unter massiven Entwicklungsstörungen.
Sie sind in einem Alter, in dem wichtige Lebensaufgaben vor ihnen liegen. Sie beginnen, sich allmählich vom Elternhaus zu lösen, dafür müssen sie einen tragfähigen Freundeskreis aufbauen. Sie sollen sich mit ihrem zukünftigen Beruf auseinandersetzen – sich zumindest eine Vorstellung davon machen, wo es für sie hingehen könnte. Und schließlich sollen sie auch noch die ersten Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht sammeln. Alles in allem kein kleines Programm.
"Und wenn hier massiv Cannabis konsumiert wird, dann werden die einzelnen Entwicklungsaufgaben nicht angegangen, nicht angepackt, nicht durchlaufen. Und am Ende steht eine massive Identitätsstörung.
Die Jugendlichen, wenn sie mit 22 Jahren dann beispielsweise nach siebenjährigem Cannabis-Missbrauch bei uns in der Ambulanz erscheinen, weisen dann nach wie vor den Entwicklungsstand eines 15-Jährigen, 16-Jährigen auf. Sie sind gewissermaßen in ihrer Entwicklung dort stehen geblieben, wo sie in den massiven Cannabis-Missbrauch eingetreten sind. Und fühlen sich dann – das beschreiben sie so – wie in einer Nussschale, ohne Ruder sitzend auf dem großen Ozean schwappend. Völlig hilflos. Völlig steuerlos."
"Ich habe eine Essstörung bekommen. Als erstes. Ich habe mich abgekapselt von meinen Freunden. Vielleicht auch wegen meiner Essstörung oder beides zusammen. Und ich wurde halt schlechter in der Schule. Bis hin halt zu meiner Krankheit."
"Dass ich psychotisch wurde, das war dann die Konsequenz daraus."
"Ich habe irgendwie mir Sachen eingebildet. Und ich habe gedacht, jeder kennt mich, spiel(en) ein Spiel mit mir und alle haben irgendeinen Plan und ich ... weiß ich nicht. Und alle können meine Gedanken lesen, habe ich gedacht. Halt schlimme Sachen. Ich konnte dann nicht mehr rausgehen. Ich habe dann nichts mehr gegessen, einen Monat lang, weil ich gedacht habe, das darf ich nicht. So komische Sachen halt."
Viele Eltern erkennen nicht, dass ihre kiffenden Kinder ein ernstes Problem haben. So ist es auch der Mutter von Kristina, Lisa Lindberg, ergangen.
"Ich hatte meine beiden Töchter über Drogen informiert. Und ich habe sehr eindringlich über die harten Drogen geredet und sie sehr davor gewarnt. Und die Gefahren von Cannabis habe ich eher bagatellisiert. Oder da sah ich keine großen Risiken. Denn ich ging davon aus, dass man damit nicht in Versuchung kommt, das zu missbrauchen. Und dem entprechend wurde das vielleicht auch falsch aufgenommen."
Dass Eltern die Gefahren des Cannabiskonsums unterschätzen, beobachtet auch Prof. Thomasius bei seiner Arbeit am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Eltern warnen vor Alkohol und Zigaretten. Sie warnen vor Heroin, dass Jahrzehnte lang die öffentliche Aufmerksamkeit in der Drogendebatte auf sich gezogen hat. Kiffen sehen sie als nicht so problematisch an.
Für die ehemalige Drogenbeauftragte der Bundesregierung und jetzige parlamentarische Staatssekretärin im Gesundheitsministerium, Marion Caspers-Merk, ist die Verharmlosung von Cannabis ein Grund dafür, dass in den 90er Jahren immer mehr Menschen zu Cannabis-Produkten gegriffen haben. Wiederholt hat Marion Caspers-Merk in den vergangenen Jahren deshalb auf die wachsende Zahl von Cannabis-Konsumenten hingewiesen.
"Ich glaube schon, dass die Verharmlosung der Cannbisrisiken ein Grund waren, dass viele Jugendliche dachten: Na ja, was in den Niederlanden erlaubt ist, kann nicht schädlich sein. Aber auch dass eine Eltern- und Erziehergeneration, die immer dachte, das ist ja harmloser als Alkoholtrinken oder es gibt ja keine Schäden, die bekannt sind, dass die auch dazu beigetragen hat, dass das Thema nicht Ernst genommen wurde."
Früher wurde Cannabis gerne als so genannte "weiche Droge" bezeichnet. Gerade deshalb gilt sie heute noch für viele Eltern und Lehrer, aber eben auch unter Jugendlichen selber, als ungefährlich. Bei Jugendlichen ist der Joint fast ähnlich akzeptiert wie die Zigarette, sagt der Bielefelder Sozialwissenschaftler und Jugendexperte Prof. Klaus Hurrelmann.
"Ich denke, im Wesentlichen, weil junge Leute wissen, dass das Andere auch tun. Das ist ein Gewöhnungseffekt, der hier im Spiel ist. Und es ist eine Substanz, von der man sagt unter Jugendlichen, die ist angenehm, damit kannst du dir Stress vom Leibe halten. Damit bist du nicht so unter Druck. Du hast hier ein probates Mittel. Es ist nicht sehr gefährlich, zeigen alle Studien. Bei Jugendlichen gilt Cannabis als ziemlich harmlos nach wie vor."
Für die Mehrheit der Cannabis-Konsumenten ist die Droge langfristig harmlos. Während der überwiegende Teil von Zigaretten-Rauchern abhängig wird, können die meisten Cannabis-Konsumenten in der Tat jederzeit von dem Stoff lassen. Sie wollen nach der Überzeugung von Prof. Hurrelmann vor allem Spaß haben – und mit der Droge ihre Alltagsbelastungen abfedern.
"Da dürfte der Hauptgrund liegen – wenn man es mal zusammenfasst aus den Studien – weswegen wir diesen immer weiteren Anstieg des Cannabis-Konsums haben. Übrigens nicht nur in Deutschland. Sondern in fast allen westeuropäischen, jetzt auch langsam osteuropäischen Ländern. Und auch in den USA und Nordamerika."
Der Anstieg des Cannabis-Konsums ist vor allem in den reichen Industrieländern zu beobachten. Gerne reden Experten dort beim Thema Drogenkonsum über den Alltagsstress der Jugendlichen, über familiäre Probleme oder über die Angst, leistungsmäßig nicht mithalten zu können. Das alles ist richtig. Doch bei dieser Sicht gerät schnell die materielle Seite des Problems aus dem Blick. Der Konsum von Cannabis kostet Geld – und Jugendlichen verfügen heute über mehr Geld als jede andere Generation vor ihnen.
Von den geringen Lohnzuwächsen ihrer Eltern in den 90er Jahre haben die Kinder und Jugendlichen nichts mitbekommen. Ihr verfügbares Einkommen – Taschengeld, Zuwendungen der Großeltern und selbst verdientes Geld – ist Jahr für Jahr deutlich gestiegen. Die Kaufkraft eines 15-Jährigen von heute, ist um ein Vielfaches höher als die eines ebenso alten Jugendlichen vor 20 oder vor 30 Jahren.
Eine der Antworten auf die Frage, warum Jugendliche heute vermehrt kiffen, lautet deshalb ganz einfach: Sie tun es nicht, weil ihre Probleme und Schwierigkeiten immer größer werden, sondern weil sie sich diese Ablenkung von den Problemen und Schwierigkeiten ihres Alltag schlicht leisten können. (Auch bei Zigaretten ist es ein ähnliches Phänomen bekannt: Untersuchungen zeigen, dass sich rauchende Jugendliche von nicht-rauchenden vor allem dadurch unterscheiden, dass sie im Durchschnitt einfach mehr Taschengeld bekommen und so den Zigaretten-Konsum finanzieren können.)
Außerdem hat Cannabis bei vielen Jugendlichen das Image, ein angesagter Stimmungsverbesserer zu sein. Und gute Laune, kritisiert die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Sabine Bätzing, SPD, ist für viele Jugendliche heute Pflicht.
"Das, denke ich, ist ein Problem überhaupt, bei sämtlichen Drogen und auch Suchtmitteln. Dieses Image oder dieses Gefühl: Man muss einfach gut drauf sein. Man darf keine schlechte Laune haben. Man kann nicht sagen, mir geht es heute nicht so gut. Man muss immer fit sein, immer lustig, immer Party machen wollen. Wenn Sie heute jemanden fragen: Wie geht es dir?, dann erwartet eigentlich der Fragesteller nie, dass man sagt: Heute ist nicht so mein Tag. Sondern es muss immer heißen: Ich bin gut drauf."
Dieses Gut-drauf-sein scheint vor allem für männliche Jugendliche heute ein echtes Problem zu sein. Sie stellen immerhin 85 Prozent der Ratsuchenden in Beratungsstellen.
Mit der männlichen Rolle besser klarkommen, Eindruck schinden, sich entspannen, dazugehören – die individuellen Motive für den Konsum von Cannabis sind vielfältig. Zum Teil sind es gerade die schulisch oder beruflich weniger erfolgreichen Jugendlichen, die in einen massiven Konsum von Cannabis flüchten.
Und zunächst geht die Rechnung der Konsumenten ja auch auf – sie fühlen sich mit Drogen einfach besser. Cannabis regt das Belohnungssystem im Gehirn des Menschen an. Das Gehirn produziert dann – vereinfacht gesprochen – Glücksgefühle. Doch wer sich angewöhnt, Glücksgefühle häufig von Außen herbeizuführen, der ist irgendwann nicht mehr in der Lage, Glück auch auf einem natürlichen Weg zu erleben. Er kennt weder die Freude des Sportlers, der einen Erfolg erzielt hat, noch das Glücksgefühl bei einem schulischen Erfolg. Für beides müsste sich der Cannabis-Abhängige anstrengen. Und dazu ist er häufig nicht mehr in der Lage.
Eine Abhängigkeit von Cannabis funktioniert, wie alle anderen Süchte auch: Der Stoff hilft zunächst, leichter mit den Schwierigkeiten des Lebens zurecht zu kommen. Er lässt Lebensprobleme für eine Weile verschwinden. Doch dann kehren sie wieder. Die Droge verhindert aber, dass der Suchtkranke nach einer Lösung sucht – und so rutscht er immer tiefer in die Krise hinein.
Wenn die Ratsuchenden dann am Ende in die Ambulanz von Prof. Thomasius am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf kommen, dann zeigen sie in aller Regel – zusätzlich zu den bereits erwähnten Entwicklungsdefiziten - auch psychiatrische Symptome auf.
"Das sind Angststörungen. Das sind depressive Störungen. Das sind in seltenen Fällen auch psychotische Störungen. Jugendliche, die merken, dass sie in Folge des massiven Konsums in der Schule oder in der Berufsausbildung nicht mehr zurecht kommen. Wenn wir Jugendliche mit einem schweren Cannabis-Missbrauch in der Ambulanz sehen, müssen wir immer berücksichtigen, dass bestimmte Problemlagen in den Konsum hineinführen. Und der Cannabis-Konsum dann selbst dann wiederum auch mitunter völlig andere Problematiken auslösen kann."
Solche Folgen des Cannabis-Konsums sind den wenigsten Jugendlichen bekannt. Manche Folgen kennen bis heute nicht einmal die Experten. Was der massive Missbrauch von Cannabis bei 13, 14 oder 15-Jährigen anrichten kann, darüber wissen wir bis heute noch wenig. Bekannt ist, dass Cannabis die Leistungen des menschlichen Gehirns beeinträchtigt. Zu langfristigen Schäden kommt es nicht, zumindest nicht nach dem derzeitigen Stand der Forschung. Was aber passiert, wenn Jugendliche schon mit 12 oder 13 Jahren massiv Cannabis rauchen? In diesem Alter befindet sich das Gehirn in einem starken Veränderungsprozess und könnte durchaus bleibende Schäden davontragen.
"Diese Frage, die sie jetzt stellen, nach den Einflüssen im Gehirn bei jugendlichen Cannabis-Konsumenten, dürfte ja die spannendste Frage für die Cannabis-Forschung der nächsten zehn Jahren sein. Und zwar sowohl in der Grundlagenforschung wie auch in der klinischen Forschung."
Das Einstiegsalter von Jugendlichen bei Cannabis sinkt. Inzwischen liegt es bei 16,4 Jahren. Und diejenigen, die Beratungsstellen aufsuchen, haben oft sogar schon mit 15 mit dem Kiffen begonnen.
Ob sich der Cannabiskonsum nicht doch dauerhaft auf die Denkfähigkeit auswirkt, wird zurzeit am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf erforscht.
Die Ergebnisse dieser Forschungen sind für die Vorbeugung gerade bei den jungen Cannabis-Konsumenten wichtig. Cannabis ist zwar als Droge nicht generell und für jeden gefährlich.
Ein hohes Risiko, abhängig zu werden besteht allerdings für die, die sehr früh in den Konsum einsteigen. Aber auch andere Probleme zum Zeitpunkt des Konsumbeginns erhöhen das Risiko, süchtig zu werden. Aufmerksamkeitsprobleme zum Beispiel oder Verhaltensstörungen. Das alles muss eine gute Präventionspolitik glaubwürdig vermitteln, will sie Jugendlichen auch erreichen.
Jugendliche zu erreichen, die noch nicht kiffen – das ist ein Ziel der Prävention. Jugendliche anzusprechen, die bereits Erfahrungen mit Cannabis haben das andere. Für diejenigen, die wegen ihres Cannabis-Konsums auffällig geworden sind – etwa im Straßenverkehr – gibt es in Deutschland seit fünf Jahren das erfolgreiche Interventionsprojekt FRED. Die Teilnehmer werden in 5 Sitzungen über Cannabis informiert und können über ihre persönliche Situation sprechen. FRED wurde zunächst in 15 Städten aus Bundesmitteln finanziert. Mittlerweile führen es Städte und Länder in eigener Regie weiter.
Bleibt noch der letzte und wohl schwierigste Bereich: die Hilfe für diejenigen, denen der Cannabis-Konsum völlig entglitten ist und die Unterstützung brauchen, um aus dem Kreislauf der Sucht herauszufinden. Die Hürden für sie, zum Beispiel eine geeignete medizinische Einrichtung zu finden, sind in Deutschland nach wie vor hoch, betont Prof. Rainer Thomasius.
"Modelle wie unsere UKE Drogenambulanz sollten deutschlandweit verbreitet werden. Hier stellt sich wieder die Frage des Finanzierungsmodus. Leider ist kein anderes Bundesland in Deutschland bereit gewesen, einen ähnlichen Finanzierungsmodus wie in Hamburg zu finden, wo wir Hilfestellung für Betroffene zu einem sehr frühen Stadium der Suchtentwicklung auf Krankenschein durchführen können."
Die neue Bundesregierung wird die Drogenpolitik ihrer rot-grünen Vorgängerin weiterführen. Dazu gehört unter anderem, dem veränderten Drogenkonsum Rechnung zu tragen und noch mehr als in der Vergangenheit vor Cannabis, Alkohol und Zigaretten zu warnen. Und: Noch stärker auf den Bereich der Prävention zu setzen, um jungen Menschen wie Kristina Lindberg, die sich von Cannabis eine Abkürzung zum Glück erhoffen, den Weg in die Sucht zu ersparen. Eine Sucht, die Kristina Lindberg nur mühsam und nach langer psychiatrischer Behandlung besiegt hat.
"Ich schätze, glaube ich, das Leben mehr. Und auch persönliche Bekanntschaften genieße ich mehr als früher. Früher war ich nicht wirklich an Leuten interessiert. Und heutzutage interessiere ich mich für viele Menschen, finde das interessant, die ganzen Persönlichkeiten. Schule bringt mir unheimlich viel Spaß. Mache ich gerne was für. Ich finde das Leben so fast schöner, als wie damals mit den Drogen."
"Durch diese schlimme Zeit, durch die ich auch gegangen bin, schätze ich das Leben auf jeden Fall mehr. Auch die Kleinigkeiten und die schönen Dinge."
"Anfang 15 dann habe ich immer so am Wochenende geraucht, mit meinen Freunden zusammen. Und dann hat sich das immer mehr gesteigert mit der Zeit."
"Zum Schluss habe ich wohl jeden Tag ein paar Mal am Tag einen Joint geraucht. Also, unter der Woche vielleicht drei am Tag und dann am Wochenende, wenn man in die Discos geht und so lange wach ist. Dann kommen schon ein paar mehr dazu. Also, acht vielleicht. Also, nicht alleine natürlich geraucht, sondern mit Freunden geteilt. Das war schon ziemlich viel dann."
Nicht nur bei Kristina Lindberg kam die Abhängigkeit schleichend, auf leisen Sohlen. Wahrhaben wollte sie das nicht. "Ich kiffe, weil es mir Spaß macht", sagte sie, so wie auch Raucher ihren Tabakkonsum erklären und die Abhängigkeit leugnen.
Während der Konsum von Opiaten zurückgeht, greifen mittlerweile immer mehr Jugendliche und junge Erwachsene zu Cannabis. Die Zahl der Konsumentinnen und Konsumenten ist in den vergangenen zehn Jahren um 70 Prozent gestiegen. Schaut man nur auf die Jugendlichen und jungen Erwachsenen, sind es sogar 170 Prozent. Immer mehr geraten dabei in eine Abhängigkeit von der Droge. Und suchen Hilfe - eine Hilfe, wie sie zum Beispiel die Drogenambulanz am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf bietet. Professor Rainer Thomasius ist der Leiter der Ambulanz.
""Wir sehen in der Hamburger Ambulanz für drogenabhängige Jugendliche und junge Erwachsene 800 Behandlungsfälle pro Jahr.
Im Bereich der illegalen Drogen stehen die Anfragen durch Cannabis-Konsumenten ja mittlerweile auf dem Platz Nummer eins."
Die Zahl der Ratsuchenden Cannabis-Konsumenten hat sich in den vergangenen zehn Jahren verachtfacht. Doch Experten wie den Diplompsychologen Andreas Gantner beeindruckt das wenig. Er arbeitet seit 20 Jahren im Berliner Therapieladen mit Cannabis-Abhängigen und sieht die enorm gestiegene Zahl der Ratsuchenden nicht als Beleg für einen ebenso starken Anstieg des Problems.
"Ich glaube der Anstieg ist durch die bessere Wahrnehmung, durch bessere diagnostische Prozeduren, durch eine größere Sensibilität auf Seiten der Beratungsstellen, auf Seiten der Berater, zu erklären. Man schaut genauer hin. Man schaut auch in der Jugendpsychiatrie genauer hin. Und dadurch werden Probleme überhaupt mehr zur Kenntnis genommen, die vorher auch da waren."
So entpuppt sich die vermeintlich schlechte Nachricht – fast 800 Prozent mehr Cannabisklienten – zunächst einmal als eine gute. Die Zeiten sind vorbei, in denen Drogenberater Jugendliche wegschickten, weil sie ja ´nur´ Cannabis nahmen.
Gleichwohl ist unbestritten, dass die Zahl der abhängigen Cannabis-Konsumenten, stark zugenommen hat. Auf etwa 400.000 schätzen Experten die Zahl der Suchtkranken. Viele konsumieren beinahe täglich und rauchen im Durchschnitt 10 Mal am Tag. Das ganze Leben spielt sich im Rausch ab, wie Prof. Thomasius erläutert.
"Heute wird völlig zügel- und maßlos mitunter fünf bis sechs Gramm Cannabis-Produkte genommen. Junge Leute, die morgens aufwachen, den ersten Bong rauchen, im Verlauf des Tages fünf bis sechs, manchmal sogar noch mehr Gramm konsumieren. Abends, wenn sie ins Bett gehen, den letzten Bong konsumieren. Und im Übrigen ist den ganzen Tag über nichts Weiteres passiert als massiver Cannabis-Konsum und Beschaffung dieser Substanz. Die Jugendlichen verbringen ihren Tag ziel- und planlos. Völlig interesselos. Wenig konstruktiv."
Solch ein Leben für und mit der Droge bleibt nicht ohne Folgen. Die Jugendlichen leiden unter massiven Entwicklungsstörungen.
Sie sind in einem Alter, in dem wichtige Lebensaufgaben vor ihnen liegen. Sie beginnen, sich allmählich vom Elternhaus zu lösen, dafür müssen sie einen tragfähigen Freundeskreis aufbauen. Sie sollen sich mit ihrem zukünftigen Beruf auseinandersetzen – sich zumindest eine Vorstellung davon machen, wo es für sie hingehen könnte. Und schließlich sollen sie auch noch die ersten Erfahrungen mit dem anderen Geschlecht sammeln. Alles in allem kein kleines Programm.
"Und wenn hier massiv Cannabis konsumiert wird, dann werden die einzelnen Entwicklungsaufgaben nicht angegangen, nicht angepackt, nicht durchlaufen. Und am Ende steht eine massive Identitätsstörung.
Die Jugendlichen, wenn sie mit 22 Jahren dann beispielsweise nach siebenjährigem Cannabis-Missbrauch bei uns in der Ambulanz erscheinen, weisen dann nach wie vor den Entwicklungsstand eines 15-Jährigen, 16-Jährigen auf. Sie sind gewissermaßen in ihrer Entwicklung dort stehen geblieben, wo sie in den massiven Cannabis-Missbrauch eingetreten sind. Und fühlen sich dann – das beschreiben sie so – wie in einer Nussschale, ohne Ruder sitzend auf dem großen Ozean schwappend. Völlig hilflos. Völlig steuerlos."
"Ich habe eine Essstörung bekommen. Als erstes. Ich habe mich abgekapselt von meinen Freunden. Vielleicht auch wegen meiner Essstörung oder beides zusammen. Und ich wurde halt schlechter in der Schule. Bis hin halt zu meiner Krankheit."
"Dass ich psychotisch wurde, das war dann die Konsequenz daraus."
"Ich habe irgendwie mir Sachen eingebildet. Und ich habe gedacht, jeder kennt mich, spiel(en) ein Spiel mit mir und alle haben irgendeinen Plan und ich ... weiß ich nicht. Und alle können meine Gedanken lesen, habe ich gedacht. Halt schlimme Sachen. Ich konnte dann nicht mehr rausgehen. Ich habe dann nichts mehr gegessen, einen Monat lang, weil ich gedacht habe, das darf ich nicht. So komische Sachen halt."
Viele Eltern erkennen nicht, dass ihre kiffenden Kinder ein ernstes Problem haben. So ist es auch der Mutter von Kristina, Lisa Lindberg, ergangen.
"Ich hatte meine beiden Töchter über Drogen informiert. Und ich habe sehr eindringlich über die harten Drogen geredet und sie sehr davor gewarnt. Und die Gefahren von Cannabis habe ich eher bagatellisiert. Oder da sah ich keine großen Risiken. Denn ich ging davon aus, dass man damit nicht in Versuchung kommt, das zu missbrauchen. Und dem entprechend wurde das vielleicht auch falsch aufgenommen."
Dass Eltern die Gefahren des Cannabiskonsums unterschätzen, beobachtet auch Prof. Thomasius bei seiner Arbeit am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf. Eltern warnen vor Alkohol und Zigaretten. Sie warnen vor Heroin, dass Jahrzehnte lang die öffentliche Aufmerksamkeit in der Drogendebatte auf sich gezogen hat. Kiffen sehen sie als nicht so problematisch an.
Für die ehemalige Drogenbeauftragte der Bundesregierung und jetzige parlamentarische Staatssekretärin im Gesundheitsministerium, Marion Caspers-Merk, ist die Verharmlosung von Cannabis ein Grund dafür, dass in den 90er Jahren immer mehr Menschen zu Cannabis-Produkten gegriffen haben. Wiederholt hat Marion Caspers-Merk in den vergangenen Jahren deshalb auf die wachsende Zahl von Cannabis-Konsumenten hingewiesen.
"Ich glaube schon, dass die Verharmlosung der Cannbisrisiken ein Grund waren, dass viele Jugendliche dachten: Na ja, was in den Niederlanden erlaubt ist, kann nicht schädlich sein. Aber auch dass eine Eltern- und Erziehergeneration, die immer dachte, das ist ja harmloser als Alkoholtrinken oder es gibt ja keine Schäden, die bekannt sind, dass die auch dazu beigetragen hat, dass das Thema nicht Ernst genommen wurde."
Früher wurde Cannabis gerne als so genannte "weiche Droge" bezeichnet. Gerade deshalb gilt sie heute noch für viele Eltern und Lehrer, aber eben auch unter Jugendlichen selber, als ungefährlich. Bei Jugendlichen ist der Joint fast ähnlich akzeptiert wie die Zigarette, sagt der Bielefelder Sozialwissenschaftler und Jugendexperte Prof. Klaus Hurrelmann.
"Ich denke, im Wesentlichen, weil junge Leute wissen, dass das Andere auch tun. Das ist ein Gewöhnungseffekt, der hier im Spiel ist. Und es ist eine Substanz, von der man sagt unter Jugendlichen, die ist angenehm, damit kannst du dir Stress vom Leibe halten. Damit bist du nicht so unter Druck. Du hast hier ein probates Mittel. Es ist nicht sehr gefährlich, zeigen alle Studien. Bei Jugendlichen gilt Cannabis als ziemlich harmlos nach wie vor."
Für die Mehrheit der Cannabis-Konsumenten ist die Droge langfristig harmlos. Während der überwiegende Teil von Zigaretten-Rauchern abhängig wird, können die meisten Cannabis-Konsumenten in der Tat jederzeit von dem Stoff lassen. Sie wollen nach der Überzeugung von Prof. Hurrelmann vor allem Spaß haben – und mit der Droge ihre Alltagsbelastungen abfedern.
"Da dürfte der Hauptgrund liegen – wenn man es mal zusammenfasst aus den Studien – weswegen wir diesen immer weiteren Anstieg des Cannabis-Konsums haben. Übrigens nicht nur in Deutschland. Sondern in fast allen westeuropäischen, jetzt auch langsam osteuropäischen Ländern. Und auch in den USA und Nordamerika."
Der Anstieg des Cannabis-Konsums ist vor allem in den reichen Industrieländern zu beobachten. Gerne reden Experten dort beim Thema Drogenkonsum über den Alltagsstress der Jugendlichen, über familiäre Probleme oder über die Angst, leistungsmäßig nicht mithalten zu können. Das alles ist richtig. Doch bei dieser Sicht gerät schnell die materielle Seite des Problems aus dem Blick. Der Konsum von Cannabis kostet Geld – und Jugendlichen verfügen heute über mehr Geld als jede andere Generation vor ihnen.
Von den geringen Lohnzuwächsen ihrer Eltern in den 90er Jahre haben die Kinder und Jugendlichen nichts mitbekommen. Ihr verfügbares Einkommen – Taschengeld, Zuwendungen der Großeltern und selbst verdientes Geld – ist Jahr für Jahr deutlich gestiegen. Die Kaufkraft eines 15-Jährigen von heute, ist um ein Vielfaches höher als die eines ebenso alten Jugendlichen vor 20 oder vor 30 Jahren.
Eine der Antworten auf die Frage, warum Jugendliche heute vermehrt kiffen, lautet deshalb ganz einfach: Sie tun es nicht, weil ihre Probleme und Schwierigkeiten immer größer werden, sondern weil sie sich diese Ablenkung von den Problemen und Schwierigkeiten ihres Alltag schlicht leisten können. (Auch bei Zigaretten ist es ein ähnliches Phänomen bekannt: Untersuchungen zeigen, dass sich rauchende Jugendliche von nicht-rauchenden vor allem dadurch unterscheiden, dass sie im Durchschnitt einfach mehr Taschengeld bekommen und so den Zigaretten-Konsum finanzieren können.)
Außerdem hat Cannabis bei vielen Jugendlichen das Image, ein angesagter Stimmungsverbesserer zu sein. Und gute Laune, kritisiert die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Sabine Bätzing, SPD, ist für viele Jugendliche heute Pflicht.
"Das, denke ich, ist ein Problem überhaupt, bei sämtlichen Drogen und auch Suchtmitteln. Dieses Image oder dieses Gefühl: Man muss einfach gut drauf sein. Man darf keine schlechte Laune haben. Man kann nicht sagen, mir geht es heute nicht so gut. Man muss immer fit sein, immer lustig, immer Party machen wollen. Wenn Sie heute jemanden fragen: Wie geht es dir?, dann erwartet eigentlich der Fragesteller nie, dass man sagt: Heute ist nicht so mein Tag. Sondern es muss immer heißen: Ich bin gut drauf."
Dieses Gut-drauf-sein scheint vor allem für männliche Jugendliche heute ein echtes Problem zu sein. Sie stellen immerhin 85 Prozent der Ratsuchenden in Beratungsstellen.
Mit der männlichen Rolle besser klarkommen, Eindruck schinden, sich entspannen, dazugehören – die individuellen Motive für den Konsum von Cannabis sind vielfältig. Zum Teil sind es gerade die schulisch oder beruflich weniger erfolgreichen Jugendlichen, die in einen massiven Konsum von Cannabis flüchten.
Und zunächst geht die Rechnung der Konsumenten ja auch auf – sie fühlen sich mit Drogen einfach besser. Cannabis regt das Belohnungssystem im Gehirn des Menschen an. Das Gehirn produziert dann – vereinfacht gesprochen – Glücksgefühle. Doch wer sich angewöhnt, Glücksgefühle häufig von Außen herbeizuführen, der ist irgendwann nicht mehr in der Lage, Glück auch auf einem natürlichen Weg zu erleben. Er kennt weder die Freude des Sportlers, der einen Erfolg erzielt hat, noch das Glücksgefühl bei einem schulischen Erfolg. Für beides müsste sich der Cannabis-Abhängige anstrengen. Und dazu ist er häufig nicht mehr in der Lage.
Eine Abhängigkeit von Cannabis funktioniert, wie alle anderen Süchte auch: Der Stoff hilft zunächst, leichter mit den Schwierigkeiten des Lebens zurecht zu kommen. Er lässt Lebensprobleme für eine Weile verschwinden. Doch dann kehren sie wieder. Die Droge verhindert aber, dass der Suchtkranke nach einer Lösung sucht – und so rutscht er immer tiefer in die Krise hinein.
Wenn die Ratsuchenden dann am Ende in die Ambulanz von Prof. Thomasius am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf kommen, dann zeigen sie in aller Regel – zusätzlich zu den bereits erwähnten Entwicklungsdefiziten - auch psychiatrische Symptome auf.
"Das sind Angststörungen. Das sind depressive Störungen. Das sind in seltenen Fällen auch psychotische Störungen. Jugendliche, die merken, dass sie in Folge des massiven Konsums in der Schule oder in der Berufsausbildung nicht mehr zurecht kommen. Wenn wir Jugendliche mit einem schweren Cannabis-Missbrauch in der Ambulanz sehen, müssen wir immer berücksichtigen, dass bestimmte Problemlagen in den Konsum hineinführen. Und der Cannabis-Konsum dann selbst dann wiederum auch mitunter völlig andere Problematiken auslösen kann."
Solche Folgen des Cannabis-Konsums sind den wenigsten Jugendlichen bekannt. Manche Folgen kennen bis heute nicht einmal die Experten. Was der massive Missbrauch von Cannabis bei 13, 14 oder 15-Jährigen anrichten kann, darüber wissen wir bis heute noch wenig. Bekannt ist, dass Cannabis die Leistungen des menschlichen Gehirns beeinträchtigt. Zu langfristigen Schäden kommt es nicht, zumindest nicht nach dem derzeitigen Stand der Forschung. Was aber passiert, wenn Jugendliche schon mit 12 oder 13 Jahren massiv Cannabis rauchen? In diesem Alter befindet sich das Gehirn in einem starken Veränderungsprozess und könnte durchaus bleibende Schäden davontragen.
"Diese Frage, die sie jetzt stellen, nach den Einflüssen im Gehirn bei jugendlichen Cannabis-Konsumenten, dürfte ja die spannendste Frage für die Cannabis-Forschung der nächsten zehn Jahren sein. Und zwar sowohl in der Grundlagenforschung wie auch in der klinischen Forschung."
Das Einstiegsalter von Jugendlichen bei Cannabis sinkt. Inzwischen liegt es bei 16,4 Jahren. Und diejenigen, die Beratungsstellen aufsuchen, haben oft sogar schon mit 15 mit dem Kiffen begonnen.
Ob sich der Cannabiskonsum nicht doch dauerhaft auf die Denkfähigkeit auswirkt, wird zurzeit am Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf erforscht.
Die Ergebnisse dieser Forschungen sind für die Vorbeugung gerade bei den jungen Cannabis-Konsumenten wichtig. Cannabis ist zwar als Droge nicht generell und für jeden gefährlich.
Ein hohes Risiko, abhängig zu werden besteht allerdings für die, die sehr früh in den Konsum einsteigen. Aber auch andere Probleme zum Zeitpunkt des Konsumbeginns erhöhen das Risiko, süchtig zu werden. Aufmerksamkeitsprobleme zum Beispiel oder Verhaltensstörungen. Das alles muss eine gute Präventionspolitik glaubwürdig vermitteln, will sie Jugendlichen auch erreichen.
Jugendliche zu erreichen, die noch nicht kiffen – das ist ein Ziel der Prävention. Jugendliche anzusprechen, die bereits Erfahrungen mit Cannabis haben das andere. Für diejenigen, die wegen ihres Cannabis-Konsums auffällig geworden sind – etwa im Straßenverkehr – gibt es in Deutschland seit fünf Jahren das erfolgreiche Interventionsprojekt FRED. Die Teilnehmer werden in 5 Sitzungen über Cannabis informiert und können über ihre persönliche Situation sprechen. FRED wurde zunächst in 15 Städten aus Bundesmitteln finanziert. Mittlerweile führen es Städte und Länder in eigener Regie weiter.
Bleibt noch der letzte und wohl schwierigste Bereich: die Hilfe für diejenigen, denen der Cannabis-Konsum völlig entglitten ist und die Unterstützung brauchen, um aus dem Kreislauf der Sucht herauszufinden. Die Hürden für sie, zum Beispiel eine geeignete medizinische Einrichtung zu finden, sind in Deutschland nach wie vor hoch, betont Prof. Rainer Thomasius.
"Modelle wie unsere UKE Drogenambulanz sollten deutschlandweit verbreitet werden. Hier stellt sich wieder die Frage des Finanzierungsmodus. Leider ist kein anderes Bundesland in Deutschland bereit gewesen, einen ähnlichen Finanzierungsmodus wie in Hamburg zu finden, wo wir Hilfestellung für Betroffene zu einem sehr frühen Stadium der Suchtentwicklung auf Krankenschein durchführen können."
Die neue Bundesregierung wird die Drogenpolitik ihrer rot-grünen Vorgängerin weiterführen. Dazu gehört unter anderem, dem veränderten Drogenkonsum Rechnung zu tragen und noch mehr als in der Vergangenheit vor Cannabis, Alkohol und Zigaretten zu warnen. Und: Noch stärker auf den Bereich der Prävention zu setzen, um jungen Menschen wie Kristina Lindberg, die sich von Cannabis eine Abkürzung zum Glück erhoffen, den Weg in die Sucht zu ersparen. Eine Sucht, die Kristina Lindberg nur mühsam und nach langer psychiatrischer Behandlung besiegt hat.
"Ich schätze, glaube ich, das Leben mehr. Und auch persönliche Bekanntschaften genieße ich mehr als früher. Früher war ich nicht wirklich an Leuten interessiert. Und heutzutage interessiere ich mich für viele Menschen, finde das interessant, die ganzen Persönlichkeiten. Schule bringt mir unheimlich viel Spaß. Mache ich gerne was für. Ich finde das Leben so fast schöner, als wie damals mit den Drogen."
"Durch diese schlimme Zeit, durch die ich auch gegangen bin, schätze ich das Leben auf jeden Fall mehr. Auch die Kleinigkeiten und die schönen Dinge."