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Abnehmen durch Nichtstun

Medizin. - Gemütliche "Couch Potatoes" setzen schnell an, während Jogging-Fetischisten nur selten Fettpölsterchen mit sich schleppen. Sie verbrennen aber nicht nur beim Abreißen der Kilometer, sondern auch noch danach, wie eine neue Studie jetzt zeigt.

Von Volker Mrasek | 21.10.2008
    An den Citrat-Zyklus erinnern sich viele noch aus dem Biologie-Unterricht. Er ist der entscheidende Schritt zur Bereitstellung von Energie im Zell-Stoffwechsel. Proteine, Kohlenhydrate und Fette aus der Nahrung fließen hinein. Heraus kommt nach weiteren Reaktionsschritten ein Molekül namens ATP, in dem Energie gespeichert ist, und zwar in jederzeit abrufbarer Form:

    "ATP ist so etwas wie die universelle Energie-Währung im Körper. Es kann für alle möglichen Prozesse eingesetzt werden: für die Kontraktion von Muskeln, für den Transport von Molekülen in und aus Zellen und für vieles andere."

    Citrat-Zyklus und ATP-Produktion: Auf welchen Touren laufen sie, wenn man körperlich inaktiv ist? Unterscheidet sich der Stoffumsatz von Ausdauersportlern und erklärten Sportmuffeln auch während des süßen Nichtstuns? Genau das wollten Douglas Befroy und seine Kollegen vom Yale-Universitätsklinikum in New Haven wissen. Mit nuklearmedizinischen Verfahren untersuchten sie den Stoffwechsel in der Waden-Muskulatur von 15 männlichen Studienteilnehmern. Sieben von ihnen gaben an, regelmäßig zu laufen, mindestens vier Stunden pro Woche. Die anderen acht dagegen sind Couch Potatoes: Sie treiben keinen Sport.

    "Wir konnten feststellen, dass der Stofffluss durch den Citrat-Zyklus bei den trainierten Personen wesentlich höher ist als bei den Nicht-Sportlern, und zwar um mehr als 50 Prozent. Aber wir fanden keinen Unterschied in der Produktion von ATP. Das bedeutet, dass Ausdauersportler im Ruhezustand mehr Kraftstoff verbrennen."

    Man könnte es auch so formulieren: Im Leerlauf läuft der Motor von Ausdauersportlern auf höheren Touren als der ihrer inaktiven Zeitgenossen. Deshalb verbraucht er auch mehr Sprit in Form von Nahrungsfetten und –zuckern:

    "Im Ruhezustand neigen Muskeln dazu, wesentlich mehr Fett als Zucker zu verbrennen. Wir vermuten, dass der Anteil von Glukose, also von Traubenzucker, dann nur 15 bis 20 Prozent beträgt. Und dass rund 80 Prozent aus der Oxidation von Fetten kommen."

    Wenn sich Ausdauersportler auch mal faul auf die Couch lümmeln, verbrennen sie also mehr Kalorien als notorische Sportmuffel. Mithin halten sie sich selbst dann schlank, wenn sie nichts tun. Doch warum ist das so? Wieso läuft ihr Motor im Ruhezustand so hochtourig, was man bisher nicht wusste? Schließlich ist das unökonomisch. Auch Physiologe Befroy kann da vorläufig nur Vermutungen anstellen:

    "Wir waren selbst ein bisschen überrascht von unserem Ergebnis. Aber es gibt vielleicht eine plausible Erklärung dafür. In der Studie hatten wir trainierte Sportler. Ihr Körper ist darauf getrimmt, dass er praktisch jeden Augenblick Leistung bringen kann. Also ist es zweckmäßig, wenn der muskuläre Stoffwechsel auch im Ruhezustand erhöht ist: Der Motor bleibt warm und läuft mit etwas mehr Gas im Leerlauf. In dem Moment, wenn sportlicher Einsatz gefragt ist, kann dann schneller Energie für die Muskel-Kontraktion bereitgestellt werden."

    Laut Befroy sind bereits Folgestudien an der Yale-Universität geplant, um diese Theorie zu überprüfen. Schon jetzt hat der Physiologe aber einen Ratschlag für hartnäckige Couch Potatoes. Sie sollten sich das mit ihrer Sportverweigerung noch einmal gründlich überlegen:

    "Wir sehen hier, dass Sport noch auf andere, bisher unbekannte Weise dazu beiträgt, Fett zu verbrennen. Das erklärt einmal mehr, warum körperliche Aktivität vor Diabetes im Alter schützt. Ich kann daher nur jedem raten: Bleib’ am besten immer sportlich aktiv!"