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Abnehmen mit der Pillendose

Medizin. – Immer mehr Menschen leiden unter Übergewicht, so daß sich für die Pharmaindustrie ein lukrativer Appetitzügler-Markt aufzutun schein. Neueste Ergebnisse zum Thema Diätpille, die jetzt in Berlin vorgestellt wurden, zeigen jedoch, daß die Medikamente nur bei krankhafter Fettsucht sinnvoll eingesetzt werden können.

Von Volkart Wildermuth |
    Alle Diäten sind zum Scheitern verurteilt, die krankhafte Fettsucht muss dauerhaft mit Medikamenten behandelt werden. So die provokante These eines Referenten in Berlin. Obwohl die Tagung unter anderem von dem Pharmaunternehmen Sanofi-Aventis gesponsort wurde, wollten das die anderen Forscher nicht in dieser Radikalität unterschreiben. Doch auch Professor Arya Sharma von der McMaster Universität in Kanada glaubt, dass das krankhafte Übergewicht mit Appellen der Mäßigung allein nicht in den Griff zubekommen ist:

    "Die meisten Leute schaffen es zwar sehr gut Gewicht abzunehmen, sie können allerdings nicht dauerhaft diese Lebensveränderung beibehalten, so dass sich doch zeigt, dass medikamentöse Behandlung in einigen Fällen vielleicht sogar operative Behandlung notwenig ist, um den Erfolg der Behandlung dauerhaft zu gewährleisten."

    Also ran an den Speck, Pharmaindustrie. Die Unternehmen haben ja schon verschiedene Appetitzügler auf den Markt geworfen. Ihr Effekt auf die Figur war eher moderat. Mehrere Produkte mussten wegen schwerer Nebenwirkungen vom Markt genommen werden. Der Fressanfall nach dem Joint hat nun den Weg zu einem neuen Ansatz für die Hungerkontrolle gewiesen. Der Körper selbst bildet Stoffe, die dem Cannabis ähnlich sind und die im Gehirn den Wunsch nach Nahrung auslösen. Der neue Wirkstoff Rimonabant soll dieses körpereigene Signal blockieren. In mehreren großen Studien zeigte sich, dass Patienten innerhalb eines Jahres mit dem Medikament rund sieben Kilo mehr Gewicht verlieren, als mit einem Placebo. Inzwischen wurde die Patienten ein weitres Jahr beobachtet. In Berlin stellte Professor Luc van Gaal von der Universität Amsterdam erstmals die Ergebnisse vor:

    "”Wir konnten zeigen, dass der Gewichtsverlust von sieben Kilo gehalten wurde. Der Bauchumfang verringert sich um sieben oder acht Zentimeter, das entspricht einer Reduktion des besonders schädlichen Bauchfetts um 30 Prozent. Medizinisch ist das ein großer Erfolg. Auch positiven Effekte auf den Stoffwechsel haben sich über die zwei Jahre gehalten.""

    Das war nicht allein ein Effekt der Gewichtsabnahme. Rimonabant greift auch direkt an den Fettzellen an und normalisiert ihren Stoffwechsel. Ob sich die Veränderungen der Blutwerte umsetzt in eine sinkende Zahl von Herzinfarkten oder Zuckerkrankheiten, wird erst eine Folgestudie zeigen. Ein wichtiges Ergebnis der Zweijahresauswertung ist auch, dass die gelegentlichen Nebenwirkungen des Medikamentes, vor allem Übelkeit, Durchfall und eine trübe Stimmung im Lauf der Zeit verschwanden. Das Medikament eignet sich aus Sticht von Luc van Gaal also für die dauerhafte Behandlung von stark übergewichtigen Personen, besonders wenn sie gleichzeitig Probleme mit ihren Blutfetten haben. Täglich eine Pille einzunehmen, reicht aber nicht aus. Ein Medikament kann immer nur Teil eines ganzen Pakets von Maßnahmen zur Behandlung der Fettleibigkeit sein. Dazu gehören immer auch eine Diät und Bewegung. Entscheidend für den Erfolg, so Luc van Gaal, ist es, realistisch zu bleiben. Keine Pille wird aus einem Dicken ein Modell machen. Van Gaal:

    "”Ein wichtiger Grund, warum Leute die Behandlung abbrechen, ist, dass sie übertriebene Erwartungen haben, etwa dass sie 25 Kilo los werden. Man muss ihnen erklären, dass sie vielleicht sieben, acht Kilo abnehmen, dass der medizinische Effekt aber viel größer ist.""

    Rimonabant ist das erste einer ganzen Reihe neuer Medikamente, die versprechen, den Appetit wirksam und ohne große Nebenwirkungen zu dämpfen. Arya Sharma hofft, dass sie die Behandlung der chronischen Krankheit massives Übergewicht in Zukunft erleichtern. Schon das wäre ein großer und wachsender Markt für die Pharmaindustrie. Aber natürlich könnten diese Pillen auch von jeden eingesetzt werden, die nur ihre schlanke Linie halten wollen. Davon kann Arya Sharma nur abraten:

    "Diese Medikament sind eigentlich dazu da, diese Krankheit zu behandeln und nicht dazu da, kosmetische Effekte zu erzielen."

    Schließlich bewirken diese Pillen keine Wunder. Wenn die Patienten in den Studien Rimonabant wieder absetzten, kehrte auch ihr Bauch zurück. Es führt kein Weg daran vorbei. Der beste Weg zur guten Figur bleiben eine vernünftige Ernährung und viel Bewegung.