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Abschalten nur im Notfall

Sicherheit ist ein Geschäft mit enormen Wachstumschancen: Überwachungsanlagen fürs Kernkraftwerk, Sicherheits-Sensoren für den Industrieroboter oder die Ölplattform in der Nordsee - damit der Alltag sicherer wird, bedarf es ständig neuer technologischer Entwicklungen. Ein Stuttgarter Unternehmen mischt auf diesem Markt ganz vorne mit.

Von Thomas Wagner |
    "Als nächstes würde ich Ihnen mal das Labor zeigen...."

    Wenn Entwicklungsingenieur Dietmar Döttling die mächtige Türe öffnet, betritt der Besucher eine ihm fremde, geheimnisvolle neue Welt: Der Raum ist fensterlos. Große, schwarze Punkte finden sich auf dem weisen Boden wieder. An der Wand hängt ein eignartiges Gebilde, das so ähnlich aussieht wie ein Verkehrsschild mit drei Gucklöchern drin.

    "Das ist die Sensor-Einheit von SafetyEYE. Das sind drei Optiken, drei blendfreie Kameras. Die nehmen die Bilder von dem überwachten Bereich auf und senden sie dann zur Auswerte-Einheit. Dort werden sie dann dreidimensional ausgewertet."

    Das "SafetyEYE" ist die jüngste Entwicklung der Pilz GmbH und Co. KG in Ostfildern - ein Unternehmen, das sich seit Jahrzehnten auf Sicherheitstechnik spezialisiert hat. "SafetyEYE" soll zur optischen Überwachung von Industrie-Robotern dienen - und dabei zu erheblicher Kosteneinsparung beitragen. Herkömmliche Kamera-Überwachungssysteme schalten nämlich Industrieroboter ab, wenn sich eine Person oder ein Objekt dem Sicherheitsbereich nähert. Solche Abschaltvorgänge sind teuer, weil dadurch der gesamte Produktionsfluss aufgehalten wird. "SafetyEYE" dagegen überwacht einen Raum dreidimensional. Das lässt, so Entwickler Dietmar Döttling, "sanftere Reaktionen" zu.

    "Bei Annäherung wird zunächst einmal nur optisch oder akustisch vorgewarnt. Jetzt kommt zum Beispiel irgendein Objekt in die Nähe des Gefahrbereiches hinein. Und erst im nächsten Schritt, wenn das Objekt weiter eindringt, kann es sein, dass die Roboter-Arbeitsgeschwindigkeit verringert wird. Und erst zuletzt, wenn es beinahe zu einer Kollision kommt, wird die Maschine dann sofort abgeschaltet."

    So ausgetüftelt funktioniert moderne Sicherheitstechnik - ein Feld, auf dem sich Pilz erfolgreich spezialisiert hat. 1948 als Glasbläserei gegründet, begann sich das Unternehmen Anfang der 60er Jahre mit elektronischen Schaltsystemen zu beschäftigen. Wenig später erfolgte die Spezialisierung auf Sicherheitstechnik - eine strategische Entscheidung, die sich seitdem bewährt hat: Heute zählt Pilz 1200 Mitarbeiter. Der Jahresumsatz lag 2006 bei 135 Millionen Euro, etwa 11 Prozent mehr als im Vorjahr. Denn mittlerweile gibt es kaum eine Gerätegattung, für die Pilz nicht Sicherheitssysteme entwickelt hat. Produktmanager Klaus Stark:

    "Das fängt an bei der kleinsten Eismaschine bis hin zur Prozesstechnik-Anlage, bei der Güter auch entsprechend im flüssigen Bereich produziert werden. Auch im Kernkraftwerk sind wir drin, bis zur Ölplattform und ähnlichem. An der Mondrakete sind wir noch nicht dran. Aber auch daran würden wir arbeiten. "

    Für all diese Anlagen entwickelt Pilz Sensoren, Schaltkreise und Software, die bei Gefahr im Verzug automatisch Gegenmaßnahmen einleiten - bis hin zur Abschaltung. Die Neuentwicklung "SafetyEYE" zeigt, dass dazu Kreativität und "schwäbischer Tüftlergeist" vonnöten sind. Beides kultiviert das Unternehmen auf seine Art: Wer in die hellen Labors und Büros hineinschaut, der sieht neben den vielen jungen Entwicklern auch zahlreiche ältere Kollegen. Und das kommt nicht von ungefähr, so Renate Pilz, geschäftsführende Gesellschafterin:

    " "Die Erfahrung, die ein älterer Mitarbeiter einbringt, ist einfach sehr, sehr kostbar für ein Unternehmen. Wenn ein Unternehmen dann noch ein gesundes Wachstum hat und junge Mitarbeiter dazukommen, und wenn es dann noch gelingt, dass die älteren, erfahrenen Mitarbeiter mit den jungen Mitarbeitern, die von der Fachhochschule oder Hochschule kommen, einen fairen und offenen Austausch führen, dann ist das das beste Kapital, das ein Unternehmen überhaupt besitzen kann."

    Ein weiteres Kapital sind die 24 Auslandsgesellschaften, die Pilz in aller Welt gegründet hat. Dort geht es nicht nur um den Verkauf der Technologien, die die Ingenieure in Ostfildern ausgetüftelt haben. Jedes Land hat seine eigenen Sicherheitsrichtlinien, jedes Unternehmen seine Sicherheitsphilosophie - deshalb müssen die Entwicklungen zunächst auf die Bedürfnisse im Ausland angepasst werden. Produktmanager Klaus Stark:

    "Diese Tochtergesellschaften haben einen hohen Anteil an Applikationsingenieuren. Ein Automobilwerk in Australien brauchen das Vertrauen, dass wenn etwas passiert in einer Stunde eine Reaktion erfolgt oder in fünf Minuten sogar. Und das kann nur gewährleistet werden, wenn wir vor Ort auch die Kompetenz haben und nicht nur ein Lager, die Produkte und ein paar englisch- oder französischsprachige Kataloge."

    Direkt in der Gebäudemitte befindet sich das Büro von Renate Pilz, der geschäftsführenden Gesellschafterin. Ihr Schwiegervater hat das Unternehmen nach dem Krieg gegründet. Mehrmals täglich schlendert Renate Pilz durch die lichten Gänge des Gebäudes, schaut mal in die Büros, mal in die Labors hinein, mit einem freundlichen Wort an die Mitarbeiter auf der Zunge. Dass Pilz ein Familienbetrieb ist, kultiviert sie gerne. Und immerhin: Damit wird das Geschäft manchmal ein Stück weit einfacher.

    "Also ein Familienunternehmen unterliegt einfach anderen Regeln, wie das ein Aktienunternehmen tut. Wir sind da sehr glücklich darüber, dass wir diese Entscheidungsfreiheit haben, dass wir unabhängig entscheiden können. Ich würde sagen: Die Entscheidungen können wesentlich schneller getroffen werden. Wir tragen das Risiko gemeinsam. Die Gewinne bleiben im Unternehmen. Und wir haben das die ganzen Jahre über, seit das Unternehmen besteht, so gehandhabt. Und das wird auch in Zukunft so sein."

    Als Kapitalstock für Neuentwicklungen wie "SafetyEYE", die Pilz auch in Zukunft eine führende Stellung auf dem Gebiet der Sicherheitstechnik garantieren sollen.