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Abscheidung eine Mogelpackung?

CCS bedeutet "Carbon Dioxide Capture and Storage". Dieser englische Begriff steht für eine Technik, die vielleicht in Zukunft einmal das CO2-freie Kohlekraftwerk ermöglichen könnte. Kohlendioxid soll im Prozess abgeschieden und dann irgendwo eingelagert werden. Die einen setzen große Hoffnung in diese Technik. Andere halten CCS für eine Mogelpackung, wie zum Beispiel der BUND, der in Berlin vor den Türen eines Kongresses des Vattenfall-Konzerns zur CCS-Technik demonstrierte.

Von Verena Kemna | 08.09.2008
    Hinter den Fensterfronten vom Kongresszentrum am Alexanderplatz stehen einige Kongressteilnehmer, sehen hinunter auf den Platz. Unter dem Motto "Vom Labor in die Praxis" ist ihr Thema eine Schlüsseltechnologie, es geht um Carbon Dioxide Capture Storage, kurz CCS. Mit dieser Technologie, mit der Abscheidung und geologischen Speicherung von CO2 setzt der Stromriese Vattenfall auf eine neue Generation von Kohlekraftwerke, ganz ohne CO2-Ausstoß. So zumindest wirbt Vattenfall für die weltweit erste Pilotanlage am Standort Schwarze Pumpe in der Lausitz. Thorben Becker, der BUND-Energieexperte vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland in Berlin schüttelt den Kopf:

    "Also Vattenfall macht ja schon seit längerem PR für die Abscheidung bei Kohlekraftwerken und hat ja auch mal versucht, das als CO2-freies Kraftwerk zu bezeichnen. Was wir deutlich machen wollen ist, dass Vattenfall zwar viel von dieser Technik redet, in Wahrheit aber ganz andere Kraftwerke baut und plant und insofern alles andere als ein Klimaschützer ist. "

    Mit drei neuen Kraftwerken sei der Stromkonzern für einen zusätzlichen CO2-Ausstoß von über 18 Millionen Tonnen pro verantwortlich. Dazu kommen Zweifel an der Abscheidungstechnologie. Nach Ansicht des BUND haben derartige Kohlekraftwerke einen um bis zu zehn Prozent niedrigeren Wirkungsgrad als konventionelle Kraftwerke, entsprechend mehr Kohle würde benötigt:

    "Vattenfall baut in Boxberg in Sachsen gerade ein neues Braunkohlekraftwerk. Vattenfall ist dabei, sehr viel Druck zu machen, um in Hamburg ein riesiges Steinkohlekraftwerk zu bauen und in Berlin gibt es ja auch Planungen für ein neues Steinkohlekraftwerk. Und diese Kraftwerke werden alle ohne diese CO2-Abscheidetechnik geplant. Unser Eindruck ist aber, dass Vattenfall viel über CO2-Abscheidung redet, um diesen neuen Planungen einen klimafreundlichen Anstrich zu geben. Deshalb ist das aus unserer Sicht nur ein Feigenblatt und dagegen wollen wir heute protestieren. "

    Der Stromkonzern sieht sich als Technologieführer. Etwa 70 Millionen Euro seien in den Bau der Pilotanlage Schwarze Pumpe investiert worden. Morgen soll die Anlage mit einer Leistung von 30 Megawatt Thermisch in Betrieb gehen. Nach einer mehrjährigen Forschungsphase will Vattenfall spätestens bis 2015 zwei Demonstrations-Kraftwerke in Deutschland und Dänemark bauen. Die elektrische Leistung soll bis dahin verzehnfacht werden. Nach eigenen Angaben sind serienreife Anlagen das Ziel.

    Jana aus Nordrhein-Westfalen ist 19 Jahre alt und macht beim BUND ein Freiwilliges Ökologisches Jahr. Auf ihrem schwarzen T-Shirt steht in weißer Kreide "CO2". Jana demonstriert mit anderen Umweltaktivisten gegen die Unsicherheiten der neuen Technologie und gegen den Bau weiterer Kohlekraftwerke:

    "Also in der nächsten Nähe sind vier Kohlekraftwerke und es ist wirklich so, wenn man früh aus der Haustür geht und es hat geregnet, dann sind die Autos schwarz, der Gartentisch ist schwarz, da muss man den Tisch abputzen, wenn man sich dran setzen will. Also man merkt sehr die Umweltbelastung dabei, deshalb finde ich es auch gut, hier mitmachen zu können. "

    Die von Vattenfall geladenen Kongressteilnehmer aus der ganzen Welt beobachten die Demonstranten von oben durch verglaste Fensterfronten. Auf dem Platz vor dem Kongresszentrum rechnet Thorben Becker vom BUND vor, dass die neue Technologie den Strom um bis zu sieben Cent pro Kilowattstunde teurer machen würde und außerdem viele Unsicherheiten birgt:

    "Es ist völlig ungeklärt, ob es ausreichend sichere Endlagerstätten in Deutschland gibt. Es ist völlig unklar, zu welchen Preisen diese Technik irgendwann mal in großem Stil im Einsatz sein wird. Alle Schätzungen gehen davon aus, dass sie deutlich teurer sein wird als die erneuerbaren alternativen Energien und da wissen wir, dass es funktioniert. Deshalb halten wir es für sehr gefährlich, jetzt auf diese Technik zu setzen."