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Abschiebung trotz drohender Steinigung

Doris Simon: Eine Frau verlässt ihren Mann und konvertiert, wird Mitglied der evangelischen Kirche. Fast möchte man sagen, na und? Im Iran sieht man das nicht so gelassen, dort gilt das Verlassen des Mannes auch nach einer Zwangsheirat als Ehebruch und der Übertritt zum Christentum ist gleich besonders strafwürdig. Deshalb drohen der 24-jährigen Zarah Kameli aus Goslar, die genau das getan hat, drastische Strafen in ihrer Heimat, bis hin zur Steinigung sagen Menschenrechtsgruppen. Es ist kaum zu verstehen, dass die deutschen Behörden trotzdem vor knapp zwei Wochen versuchten, sie in den Iran abzuschieben. Sie erlitt auf dem Flughafen einen Zusammenbruch und nur weil der Pilot sich weigerte, sie an Bord zu nehmen, ist Zarah Kameli noch in Deutschland. Wenigstens hat ihre dramatische Fast-Ausweisung dazu geführt, dass sich heute der Petitionsausschuss in Hannover noch einmal mit dem Fall der jungen Iranerin befasst. Am Telefon ist nun die Hannoversche Landesbischöfin Margot Käßmann. Guten Morgen

Moderation: Doris Simon |
    Margot Käßmann: Guten Morgen, Frau Simon.

    Simon: Frau Käßmann, wie stehen die Chancen, dass Frau Kameli nun doch in Deutschland bleiben darf?

    Käßmann: Ich muss sagen, ich bin jetzt doch guter Hoffnung. Am Montag hat der Innenminister ja die Fraktionsvorsitzenden und mich zu einem Gespräch eingeladen und da wurde noch einmal darum gerungen, ob jetzt nicht doch im Rahmen der Härtefallregelung des Zuwanderungsgesetzes, das ja seit ersten Januar in Kraft ist, die äußerst schwierige Situation von Frau Kameli eine Duldung begründet und dann vielleicht doch auch eine langfristige Duldung. Das Problem ist, dass sie in dieser Härtefallregelung dann alle Asylgründe, die meines Erachtens vorliegen, gar nicht mehr geltend machen können. Das Rechtsgestrüpp ist schon schwierig.

    Simon: Wie erklären Sie sich, dass es erst so dramatisch werden musste, bevor Zarah Kameli hier bleiben konnte?

    Käßmann: Ich muss sagen, dass ich fürchte, es gibt viele solcher Situationen, in denen es zur Zeit so ist, dass das Bundesinnenministerium keine Asylgründe sieht, aber Gruppen, also Flüchtlingsrat, Asylgruppen, Kenner der Menschenrechtslage beispielsweise im Iran, Menschen an Leib und Leben akut gefährdet sehen. Ich denke, wir müssen noch mal darüber reden, was heißt denn eigentlich Härtefall. In ihrem Fall sind es nun wahrhaftig geschlechtsspezifische Gründe einerseits, die im neuen Zuwanderungsgesetz drin sind und dann diese Konversion zum Christentum. Mir ist es unverständlich, warum unser Asylrecht einem solchen Menschen keinen Schutz gewährt.

    Simon: Frau Käßmann, gibt es Ihrer Meinung nach in Deutschland vielleicht auch ein bisschen viel Toleranz, frei nach dem Motto, das ist halt in deren Land so, da mischen wir uns nicht ein, oder ist das eher Desinteresse?

    Käßmann: Ich fürchte, dass sich da etwas mischt, die eine Angst vor, ich sag, das gibt es ja auch, Menschen, das haben wir gesehen, gerade bei den Diskussionen um den Volmer-Erlass, die nach Deutschland kommen, um tatsächlich unsere gute Rechtslage auszunutzen. Dann gibt es Flüchtlinge, die genau in diese Mühlen geraten und keiner schaut genau hin. Ich habe jetzt gemerkt, wenn bei Frau Kameli genau hingeschaut wird, gibt es hunderte von Menschen, die sagen, das kann nicht sein, das darf nicht sein, sie können doch nicht eine 24-Jährige, die sich von ihrem Mann getrennt hat nach Zwangsheirat und Christin geworden ist, in den Iran abschieben. Das versteht eigentlich jeder.

    Simon: Sie sprachen es eingangs an: die Härtefallregelung, die mit dem neuen Zuwanderungsgesetz gilt. Bemerken Sie in der Politik ein grundsätzliches Zögern, auch bei den Behörden, diese Härtefallregelung anzuwenden?

    Käßmann: Das ist meines Erachtens schon da, weil ja eine ganz große Angst bei allen Politikern immer wieder da ist, das könnten dann ein Präzedenzfall werden und ganz viele andere könnten sich darauf berufen. Der Bundesinnenminister hat ja dann letzte Woche gesagt, nach Würdigung der ihm bekannten Tatsachen, sei er der Auffassung, dass ein Aufenthaltsrecht ausgesprochen werden könnte. Aber nach all den Ablehnungen, die da gewesen sind, erklärt auch er, ein neues Asylverfahren sehe er nicht, im Asylverfahren sehe er keine solchen Gründe. Wissen Sie, unsere Verfassung sagt ja, Verfolgte genießen Asyl und die Bibel sagt, Gott hat die Fremdlinge lieb. Wenn ich das anschaue, unsere Grundsätze und die Rechtslage, dann kann ich es nicht ganz verstehen. Ich glaube, es ist einfach die Angst, es sind zu viele und es werden wieder mehr Zahlen, aber der einzelne Mensch und die ganz persönliche Situation gerät dann aus dem Blick.

    Simon: Diese Angst vor einer verbreiteten Meinung in der Bevölkerung, es werden zu viele, was Sie gerade auch sagten, ist das eine, es wird zwar so nicht gesagt, aber es bestimmt natürlich auch die Politik. Was Sie jetzt erleben im Fall Zarah Kameli, ist aber genau das Gegenteil, oder?

    Käßmann: Ich kann sagen, hier ist eine solche Welle von Hilfsbereitschaft da gewesen und auch Sympathie mit Zarah Kameli, dass wir hier ganz überwältigt eigentlich sind. Ich sage einmal, vom Landwirt aus Ostfriesland bis zur Contimitarbeiterin Menschen, die sagen, also für diese Frau wollen wir uns einsetzen. Auch viele Gemeinden, die sagen, dass ist eine Mitchristin geworden. Ich meine, Taufe ist nicht einfach eine ADAC-Mitgliedschaft, die ich unterschreibe, sondern da gibt es Taufunterweisung, Taufbegehren und dann die Taufe in eine Gemeinschaft, eine Gemeinde, die sie auch begleiten will. Wenn dann der einzelne Mensch angesehen wird mit seinem Schicksal, dann gibt es eine ganz große Bereitschaft auch in Deutschland, Menschen aufzunehmen.

    Simon: Sie sprachen vorhin den so genannten Volmer-Erlass an. Diese Härte bisher im Fall Kameli und zugleich die gelockerten Visaregelungen auf der anderen, erleben Sie das in der Bevölkerung als vermittelbar?

    Käßmann: Nein, ich erlebe eher, dass das eine ganz große Empörung auslöst, dass da gesagt wird, wer hat da alles Zugang zu unserm Land auf sehr leichte Art und Weise gefunden und dann kommt jemand, bei dem, glaube ich, jeder, der die Geschichte dieser Frau liest, sagt, eine solche Frau müssen wir doch schützen, die will sich integrieren, die will hier in Frieden und in Freiheit leben können. Ich glaube, dass eher diese Spannung zwischen diesen beiden Tatsachen, ich würde fast sagen, doch Empörung auslöst.

    Simon: Heute entscheidet der Petitionsausschuss in Hannover darüber, ob die Iranerin Zarah Kameli, die in ihrer Heimat von drastischen Strafen bis hin zur Steinigung bedroht ist, doch in Deutschland bleiben kann. Das war ein Gespräch mit der Hannoverschen Landesbischöfin Margot Käßmann.