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Abschied aus dem Hörsaal

Fast 40 Jahre lang hat Julius H. Schoeps an verschiedenen deutschen Hochschulen gelehrt. Seine letzte Vorlesung an der Universität Potsdam markierte das Ende seiner Laufbahn als Hochschullehrer, doch als ehrenamtlicher Direktor des Moses Mendelssohn Zentrums für Europäisch-Jüdische Studien hat sich der 65-Jährige noch viel vorgenommen.

Von Claudia van Laak |
    Zum Schluss stehende Ovationen und feuchte Augen: Die letzte Vorlesung von Julius Schoeps an der Universität Potsdam ist eine gefühlvolle Angelegenheit. Als Wissenschaftler, Publizist, Museumsleiter und Professor hat Schoeps jahrzehntelang die Debatte über das deutsch-jüdische Verhältnis nach der Shoa mitbestimmt. Am Ende des Sommersemesters muss Julius Schoeps sein stilvolles Büro gegenüber dem Neuen Palais in Potsdam-Sanssouci räumen.

    "Wehmütig, ganz sicher, ein Lebensabschnitt geht zu Ende. Es ist ein regnerischer Tag, das verstärkt dieses Gefühlt. Es ist in gewisser Weise ein Abschied, natürlich."

    Dass ihn das deutsche Beamtenrecht in den Ruhestand schickt, das passt dem 65-Jährigen ganze und gar nicht. Eine Verschleuderung von Ressourcen leiste sich das Land, kritisiert Julius Schoeps und verweist auf die USA.

    "Wenn man weiß, dass hier reihenweise die Kollegen in die Vereinigten Staaten wechseln, da hat man das Problem offensichtlich nicht."

    Julius Schoeps geht nicht in die Vereinigten Staaten, er bleibt sich und seinem Thema treu, als ehrenamtlicher Direktor des Moses Mendelssohn Zentrums für Europäisch-Jüdische Studien. Im nächsten Jahr erscheint die Edition "Die verbrannten Bücher". Schoeps legt all die Werke neu auf, die die Nationalsozialisten zerstörten. Für den deutschen Juden eine Herzensangelegenheit.

    "In gewisser Weise geht es mir ähnlich wie Lea Rosh, die ihr Stelenfeld durchgesetzt hat. Ich möchte mein lebendes Mahnmal, die Bücher in zwei Regalen in 3500 Oberschulen und Gymnasien aufgestellt wissen."

    Der Wissenschaft bleibt Schoeps erhalten, die Studierenden werden ihn vermissen. Julius Schoeps ist einer der wenigen Professoren mit Charisma bei uns in Potsdam, sagen sie.

    "Ich hab ihn nicht nur als Dozenten lieb gewonnen, sondern auch als Menschen."

    "Was ihn natürlich auszeichnete, ist sein Machertum, das für mich als Student immer sehr motivierend wirkte."

    "Ich bin stolz darauf, ein Teil seines Weges gewesen zu sein, da bin ich sehr dankbar für."

    Fast 40 Jahre lang hat Julius Schoeps an verschiedenen deutschen Hochschulen gelehrt. Mein Ziel war es immer, den jungen Leuten das Schwimmen beizubringen, sagt er rückblickend.

    "Mir ging es nicht darum, dass die Studenten mir nach dem Mund reden, sondern ich habe mich immer bemüht, den Studenten kritisches Denken beizubringen. Das war mir in meinem Berufsleben immer sehr wichtig gewesen."

    Der Laptop und die Powerpoint-Präsentation fehlen in der Welt des Julius Schoeps. Er setzt auf die freie Rede und muss erkennen, dass das vielen altmodisch erscheint genau wie das Festhalten an den alten Strukturen der deutschen Universität. Das Bachelor- und Master-System nennt Julius Schoeps schlicht "dummes Zeug".

    "Es wird Schule. Das was deutsche Universitäten ausgemacht hat, war das selbstbestimmte Denken. Junge Menschen haben selbst ihren Weg gefunden, das können sie mit diesen Strukturen nicht mehr. Ich bedauere das ungeheuer."

    Julius Schoeps hat sich mit einem Gedicht von der Universität Potsdam verabschiedet. verfasst von dem deutschen Juden Ernst Levin 1939 im argentinischen Exil. Es könnte von Julius Schoeps selber stammen.

    "Ihr habt uns beschimpft und bespien,
    verfolgt mit wildem Hass,
    erniedrigt wie die Hunde,
    ihr Tröpfe, was macht uns das
    Beschmutzt habt Ihr Euch selber
    Wir blieben fleckenlos rein
    und werden auch in Zukunft
    die bess'ren Deutschen sein."