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Abschied aus Mainz

Der Mainzer Ballettchef Martin Schläpfer ist einer der wichtigsten zeitgenössischen Choreografen der europäischen Tanzszene. Seit 1999 leitet Martin Schläpfer die Sparte Tanz am Staatstheater Mainz. Mit überragendem Erfolg. Aus der Ballettwüste in Mainz wurde in kürzester Zeit das Ballettwunder am Rhein. Nach zehn Jahren geht nun eine Erfolgsära zu Ende. Martin Schläpfer wechselt zur nächsten Spielzeit an die Deutsche Oper am Rhein Düsseldorf-Duisburg.

Von Natali Kurth |
    "Good! Enjoy. We are ready, when you are ready. Good! Run! Dance! Keep it.”"

    ""Ich entwickle mich langsam. Ich bin sicher nicht jemand, der steil aufsteigt, weil ich natürlich auch eine Ästhetik und eine Linie verfolge, die nicht unbedingt trendy ist, aber vielleicht auf eine längere Sicht eben eine Perspektive aufzeigt, die überleben kann."

    Mit dieser vor langer Zeit getroffenen Prognose hatte Martin Schläpfer recht. Gestern Abend wurde das Mainzer Ballettwunder zum letzten Mal gefeiert.

    Mit Hans van Manens "Simple Things", Twyla Tharps Deutscher Erstaufführung von "In the Upper Room" und seiner eigenen wichtigen Uraufführung mit dem schlichten Titel "5" zu Musik von Paul Pavey ist dem Schweizer eine herausragendes Finale gelungen.

    "5" kommt sehr ruhig und besonnen, erdig, aber auch schwermütig und sperrig daher. Schwarze Lederlappen hängen von oben herab und begrenzen die Bühne nach hinten. Eine eigenartige unterkühlte Aura entsteht, in der sich die Tänzer zu seltsamen Trios formieren. In ihren gefederten Kostümen, die jeweils nur eine Hälfte des Körpers bedecken, sehen sie aus wie gerupfte Urzeitvögel, die es nicht ins Paradies geschafft haben. Sie liegen am Boden, und zucken erbärmlich. Eine Art Papagei beobachtet die Szenerie mitleidig.

    Die Choreografie irritiert konsequent und orientiert sich nicht an musikalischen Rhythmen. Im Zentrum steht ein "Pas de deux" als Todestanz. Unbeholfene Annäherungsversuche enden im Opfermord. Eine Art Mini-Sacre. Ein Tänzer packt seine Ballerina an der Hüfte und drückt brutal zusammen, so dass ihr die Luft wegbleibt.

    Die Hände noch flehend zum Himmel gestreckt und den Mund zum Schrei verzogen, stirbt sie und liegt noch in der Todesstarre, wenn völlig unerwartet eine Horde Federvieh mit Plateauschuhen über sie drübertrampelt. Dann fällt die ganze Truppe in einen tranceartigen Gesang.

    "5" ist ein Abschied und doch gibt es kein Ende in dieser, der letzten wunderbaren Arbeit von Martin Schläpfer für das ballettmainz.

    Seine erste abendfüllende Choreografie ist 2002 die "Kunst der Fuge" zu Bachs gleichnamiger Komposition. Rückblickend eines seiner wichtigsten Werke der Mainzer Zeit.

    Martin Schläpfer, der sich selbst einmal als Maniac beschrieben hat, sagt Sätze wie "Bewegen ist keine Kunst" oder "Ich glaube, dass der Kopf nicht immer das beste Segment am Menschen ist". Unerschöpfliche Kreativität und enorme Musikalität sind maßgebliche Pfeiler des Erfolgs von Martin Schläpfer. Dazu kommt ein außergewöhnlich individuell strukturiertes, sehr athletisches Ensemble.

    Mit seinem "Tanz gegen den Trend führt er die Mainzer Kompagnie an die Spitze des zeitgenössischen Tanzes in Europa. Im Mai 2007 erhält Martin Schläpfer für sein Ballett "Streichquartett" zu Musik von Witold Lutoslawski im Moskauer Bolschoi Theater den "Prix benois de la danse", den Oskar der Tanzkunst. Wenig später steht der Wechsel nach Düsseldorf fest. 50 Tänzer wird er dort haben, mehr als doppelt so viele wie bisher. Das ist der Hauptgrund für seine Entscheidung.

    "Ich springe, weil ich denke, ich muss springen. Ich gehe nicht gerne , aber es ist richtig zu springen."