Könnte im Theater einmal nicht gekocht werden? In Stefan Puchers Züricher "Matthäus-Passion" haben die Zuschauer Gulasch gegessen, in Matthias Hartmanns "Othello" durften wir mit den Schauspielern Sekt trinken, und in Basel wird nun schon wieder geköchelt. An der Pfanne steht Jupiter persönlich, der Schauspieler Andrea Bettini. Für den ersten Gang bereitet er unter andere, "Crème à la coquotte", später wird er dem Musiker Lars Wittershagen, der als sein Lustknabe Ganymed ebenfalls am Tisch sitzt, eine Nudel von der Glatze schlürfen.
Den Regisseur Sebastian Nübling, der Albernheiten letzterer Art in fast jeder Inszenierung bietet, treibt bei Purcell nicht der inszenatorische Hunger, sondern die Sehnsucht nach dem barocken Gesamtkunstwerk (ähnlich wie vor Jahren Martin Kusej bei "King Arthur" in Stuttgart): Musik, Schauspiel, Tanz - und nun auch Bratenduft, das alles an einer langen Tafel. Ein "Gastmahl" veranstaltet Nübling in Basel, klingt irgendwie nach Platon. Allerdings wird hier nicht disputiert, sondern musiziert, der Chor singt zunächst Trinklieder auf das Glück der Könige.
An die Tafel tritt ein hübscher Fremder, Äneas, gestrandet vor Karthago; Dido, die Königin, ist nicht amüsiert über seinen mit pathetischer Wut herausgespuckten Bericht über Trojas Untergang, beschließt aber dann in einer fast mechanischen Gefühlsanwandlung, sich in den Fremden zu verlieben: Ich will das jetzt haben.
Was findet die nur an dem? Eigentlich müsste Dido noch mit der Trauer um ihren ermordeten Gatten beschäftigt sein, sie müsste den Männern entsagt haben – damit der Verrat des geliebten Fremden, der ja nach Italien weiter muss, sie umso stärker in den emotionalen Abgrund würfe. Aber um Psychologie geht es in Basel nicht. Man sieht Schauspieler ohne wirklichen Text, die etwas behaupten, die klagen und brüllen; die derben, eingeflickten Sprechteile des Wüterichs Christopher Marlowe tragen nicht. Die gesamte Gefühls- und auch Erzähldimension wird also in Henry Purcells Musik verlagert – und das heißt, dass Nübling, der ein musikalisches Schauspielprojekt machen wollte, nur herumarrangiert und den Regiestab klammheimlich weitergibt an den Dirigenten Lutz Rademacher, der mit dem Chor und der vorzüglichen, ganz jungen "Schola Cantorum Basiliensis" einen durchsichtigen, auf alten Instrumenten fein abgerundeten Wohlklang erzeugt, ein barockes Gewebe aus Liebessehnen und Klagegesang.
In Dynamik, Akzentuierung und Tempiwechseln, in der atmosphärischen Grundierung der Trauer ist das vorzüglich. Da macht es auch wenig, dass der Elektronikbeauftragte Lars Wittershagen die Purcell-Themen immer wieder in dünnes Computer-Getröpfel fortschreiben muss.
Rademacher hat sich ein Hippie-Hemd angetan und tanzt sogar einen flotten Arabo-Pop mit (wir sind ja in Karthago). Und er hat die Basler Schauspieler, die alle leidlich singen können, auf ein achtbares Folksänger-Level gehievt. Purcells Musik ist im Grunde ganz schmal und feingliedrig komponiert, da bieten sich Ausflüge ins Liedermacher-Genre an – auch wenn es sich bisweilen um gesangliche Mutproben handelt. Einzig die Rolle der Dido ist doppelt besetzt (Nübling nennt das – nach Kantorowicz – etwas schwülstig den "doppelten Körper der Königin"): die energische Sandra Hüller spielt die liebeskranke Selbstmörderin, die Sopranistin Ulrike Bartusch singt vor allem die Passagen der Trauer und Verlassenheit mit einer überzeugenden, intensiven Innerlichkeit.
Im puritanischen England des Henry Purcell sang man, weil das Sprechtheater als zu gefährlich eingestuft wurde. In der puritanischen Schweiz singt man, weil die Schauspieler nichts zu sagen haben und weil ein bisschen barocke Lebensfreude her muss. Bei Nübling heißt das allerdings nur: Hoch die Tassen, immer noch mal! Es heißt peinlicherweise auch: Amor schießt Pfeile, ganz wirklich. Aeneas wird bei Vergil durch den Befehl der Götter von Dido fortgeholt, nach Italien, der Sachzwang ruft; bei Purcell sind es Hexenwesen, die ihn locken; bei Nübling stößt der eifersüchtige Schläger Jarbas den armen Fremden aus. So wird es am Ende doch noch politisch. Als konzertantes Musiktheater ist der Abend großartig – als Schauspiel ist er reichlich platt.
Den Regisseur Sebastian Nübling, der Albernheiten letzterer Art in fast jeder Inszenierung bietet, treibt bei Purcell nicht der inszenatorische Hunger, sondern die Sehnsucht nach dem barocken Gesamtkunstwerk (ähnlich wie vor Jahren Martin Kusej bei "King Arthur" in Stuttgart): Musik, Schauspiel, Tanz - und nun auch Bratenduft, das alles an einer langen Tafel. Ein "Gastmahl" veranstaltet Nübling in Basel, klingt irgendwie nach Platon. Allerdings wird hier nicht disputiert, sondern musiziert, der Chor singt zunächst Trinklieder auf das Glück der Könige.
An die Tafel tritt ein hübscher Fremder, Äneas, gestrandet vor Karthago; Dido, die Königin, ist nicht amüsiert über seinen mit pathetischer Wut herausgespuckten Bericht über Trojas Untergang, beschließt aber dann in einer fast mechanischen Gefühlsanwandlung, sich in den Fremden zu verlieben: Ich will das jetzt haben.
Was findet die nur an dem? Eigentlich müsste Dido noch mit der Trauer um ihren ermordeten Gatten beschäftigt sein, sie müsste den Männern entsagt haben – damit der Verrat des geliebten Fremden, der ja nach Italien weiter muss, sie umso stärker in den emotionalen Abgrund würfe. Aber um Psychologie geht es in Basel nicht. Man sieht Schauspieler ohne wirklichen Text, die etwas behaupten, die klagen und brüllen; die derben, eingeflickten Sprechteile des Wüterichs Christopher Marlowe tragen nicht. Die gesamte Gefühls- und auch Erzähldimension wird also in Henry Purcells Musik verlagert – und das heißt, dass Nübling, der ein musikalisches Schauspielprojekt machen wollte, nur herumarrangiert und den Regiestab klammheimlich weitergibt an den Dirigenten Lutz Rademacher, der mit dem Chor und der vorzüglichen, ganz jungen "Schola Cantorum Basiliensis" einen durchsichtigen, auf alten Instrumenten fein abgerundeten Wohlklang erzeugt, ein barockes Gewebe aus Liebessehnen und Klagegesang.
In Dynamik, Akzentuierung und Tempiwechseln, in der atmosphärischen Grundierung der Trauer ist das vorzüglich. Da macht es auch wenig, dass der Elektronikbeauftragte Lars Wittershagen die Purcell-Themen immer wieder in dünnes Computer-Getröpfel fortschreiben muss.
Rademacher hat sich ein Hippie-Hemd angetan und tanzt sogar einen flotten Arabo-Pop mit (wir sind ja in Karthago). Und er hat die Basler Schauspieler, die alle leidlich singen können, auf ein achtbares Folksänger-Level gehievt. Purcells Musik ist im Grunde ganz schmal und feingliedrig komponiert, da bieten sich Ausflüge ins Liedermacher-Genre an – auch wenn es sich bisweilen um gesangliche Mutproben handelt. Einzig die Rolle der Dido ist doppelt besetzt (Nübling nennt das – nach Kantorowicz – etwas schwülstig den "doppelten Körper der Königin"): die energische Sandra Hüller spielt die liebeskranke Selbstmörderin, die Sopranistin Ulrike Bartusch singt vor allem die Passagen der Trauer und Verlassenheit mit einer überzeugenden, intensiven Innerlichkeit.
Im puritanischen England des Henry Purcell sang man, weil das Sprechtheater als zu gefährlich eingestuft wurde. In der puritanischen Schweiz singt man, weil die Schauspieler nichts zu sagen haben und weil ein bisschen barocke Lebensfreude her muss. Bei Nübling heißt das allerdings nur: Hoch die Tassen, immer noch mal! Es heißt peinlicherweise auch: Amor schießt Pfeile, ganz wirklich. Aeneas wird bei Vergil durch den Befehl der Götter von Dido fortgeholt, nach Italien, der Sachzwang ruft; bei Purcell sind es Hexenwesen, die ihn locken; bei Nübling stößt der eifersüchtige Schläger Jarbas den armen Fremden aus. So wird es am Ende doch noch politisch. Als konzertantes Musiktheater ist der Abend großartig – als Schauspiel ist er reichlich platt.