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Abschlepper im All

Technologie.- Da Fernseh- und Kommunikationssatelliten nicht über unbegrenzten Treibstoff verfügen, enden sie nach ein paar Jahren unweigerlich als Elektroschrott im All. Ingenieure planen nun den Bau eines Raumfahrzeugs, das die Lebensdauer schwächelnder Satelliten verlängern kann.

Von David Globig |
    Groß und strahlend blau schwebt die Erdkugel am nachtschwarzen Himmel. Davor gleiten langsam zwei in Goldfolie verpackte Satelliten aufeinander zu. Im gleißenden Sonnenlicht ist die Düse eines Raketentriebwerks zu erkennen.

    Diese Szene spielt sich allerdings nicht im Weltraum ab, sondern in einer nüchternen, 40 Meter langen Halle in Oberpfaffenhofen bei München. Die Erde: nur ein Foto, das ein Projektor auf die Wand wirft. Die Sonne: ein starker Bühnenscheinwerfer. Und die Satelliten - auch nicht echt: Zwei orangefarbene Industrieroboter, wie man sie aus Autofabriken kennt, bewegen mit ihren vielfach abgewinkelten Gelenkarmen zwei goldfolienbespannte Platten. Es sind Eins-zu-Eins-Modelle von Satellitenteilen, erklärt Dr. Toralf Boge, der für den Teststand verantwortlich ist.

    "Wir können mit dieser Anlage den kompletten Rendezvousvorgang von Satelliten oder Raumschiffen im Weltraum nachstellen. Speziell die letzten 20, 25 Male. Wo ein Raumschiff zum Beispiel an der ISS, der internationalen Raumstation andockt. Oder auch wenn zwei Satelliten aneinander andocken, kann hier simuliert werden."

    Zur Zeit interessiert die Forscher vom DLR, dem Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt, besonders das Ankoppeln von Satelliten. Kommunikations- und Fernsehsatelliten, die in einer Höhe von rund 36.000 Kilometern durch den Weltraum rasen, müssen immer wieder ihre Lage und ihre Bahn korrigieren. Irgendwann geht ihnen allerdings der Treibstoff für die Steuerdüsen aus. Obwohl sie ansonsten noch voll funktionsfähig sind, kommen die Satelliten in einen sogenannten Friedhofsorbit.

    Um dieses Schicksal für die teuren Geräte hinauszuzögern, soll ihnen Olev zu Hilfe kommen. Olev, das Orbital Life Extension Vehicle, ist ein Unterstützungssatellit. Einige Zeit bevor etwa ein Kommunikationssatellit seinen Treibstoff komplett aufgebraucht hat, wird Olev ins All geschossen. Er koppelt an den Satelliten an und übernimmt mit seinen Triebwerken die Bahnregelung, erläutert Dr. Florian Sellmaier. Er ist am Raumfahrtkontrollzentrum des DLR verantwortlich für die Geschäftsfeldentwicklung.

    "Die durchschnittliche Lebenszeit von einem Kommunikationssatelliten ist 15 Jahre mit dem eigenen Treibstoff. Mit dem Olev-Satelliten huckepack kann die Lebenszeit um weitere zwölf Jahre verlängert werden."

    Allerdings ist das Anfliegen und Ankoppeln an einen Satelliten in 36.000 Kilometern Höhe eine große Herausforderung. Besonders auf den letzten Metern beziehungsweise Zentimetern. Hier muss der Abschleppsatellit selbst die Steuerung übernehmen. Er soll sich dabei auf die Bilder bordeigener Kameras stützen und am großen Haupttriebwerk des Zielsatelliten orientieren. Wie zuverlässig der Computer die Düse auf den Kamerabildern identifiziert und wie sauber er den Satelliten steuert, können die DLR-Ingenieure auf ihrem Teststand ausprobieren.

    Langsam fährt einer der beiden Industrieroboter vorwärts und bewegt ein originalgroßes Modell der Düse. Der zweite Roboter dreht und schwenkt das Kamerasystem. Außer hellen Lichtflecken lässt sich auf den Bildern allerdings kaum etwas erkennen – zumindest nicht ohne Computerhilfe.

    "Das ist eine Simulation, da hat man mit einer künstlichen Sonne eine Apogäumsdüse aufgenommen. Und hat einen Algorithmus entwickelt, der in der Lage ist, den Rand dieser Düse zu erkennen. Und das sieht man hier in dem leicht violetten Kreis angedeutet. Und aus dieser Randerkennung gewinne ich die Information, wie weit bin ich noch weg und in welcher Richtung befinde ich mich von der Düse und von dem Zielsatelliten."

    Um auch das Ankoppeln simulieren zu können, wird der Teststand in den kommenden Monaten aufgerüstet. Die Anlage soll dann auch die Kräfte messen, die auftreten, wenn sich die Modelle berühren. Ein Computer kann daraus errechnen, wie sich die Originalsatelliten in der Schwerelosigkeit tatsächlich verhalten. Florian Sellmaier:

    "Wenn die Satelliten beim Docking aufeinander prallen und der Kontakt oder das Docking nicht ganz sauber durchgeführt wurde, dann führt das ja dazu, dass die beiden Satelliten sich wieder entfernen, voneinander driften. Und dann muss ich simulieren können, wie die Satelliten anfangen zu taumeln im Weltall."

    2013, so hoffen die DLR-Ingenieure, wird dann der erste, perfekt "trainierte" Abschleppdienst ins All starten.