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Absolute Beginners

In vielen Bundesländern hat in dieser Woche die Schule wieder begonnen. Unter den Schulanfängern sind auch Erwachsene: Zahlreiche Junglehrerinnen und Lehrer haben Anfang der Woche ihren Stundenplan erhalten und stehen nun vor ihrem ersten eigenen Schuljahr nach der Ausbildung.

Von Katrin Sanders |
    " Heute haben wir erstmal unten in der Aula die Eltern begrüßt und dann sind die Klassenlehrer nach oben in die Klassen, dann haben wir begonnen mit organisatorischen Dingen, zum Beispiel wir haben Namenskärtchen gebastelt und da hatten die ihren Spaß dran, dann habe ich die Klassenliste überprüft und die waren ja auch alle ganz nervös und aufgeregt und haben auch ganz ordentlich gearbeitet, wie man hier sieht, dann durften sie hinten auf die Namensschilder noch was malen, was so zu ihnen passt, die Jungen haben meistens Fußball gezeichnet und die Mädels meistens Blümchen, so ganz typisch. "

    Suse Buschina, seit drei Tagen fest angestellte Lehrerin für Chemie, Biologie und Mathematik studiert im Lehrerzimmer das erste Klassenfoto der 5a. Schon jetzt kennt sie alle Namen und die dazugehörigen Gesichter der 27 Schulneulinge. In den kommenden Jahren wird sie ihre Klassenlehrerin sein. Für eine Berufsanfängerin gleich eine große Aufgabe. Ob sie aufgeregt war?

    " Die erste Minute und dann war's vorbei. Von den Kindern kam soviel: Hach, wir haben jetzt hier ne neue Lehrerin und wir wollen hier auf die Schule und wir freuen uns auf die Schule, wann geht's los, wann kriegen wir Chemie? Das waren so die ersten Fragen und das hat so bei mir die Nervosität sofort genommen. "

    Der Vormittag vergeht mit Kennenlern-Spielen und Organisatorischem. Hefte, Mäppchen, Wasserfarben, was wird gebraucht:

    " Das sind wir dann durchgegangen, wir haben hier viele Kinder, die Probleme haben, die deutsche Sprache zu verstehen, deswegen bin ich die Liste auch durchgegangen. Deshalb habe ich gezeigt, was ein Schnellhefter ist, was ein Spitzer mir Auffangdose ist und so was alles, das hat ne Weile gedauert. "

    Jetzt hat auch sie mal Zeit kurz durchzuatmen. Der Anfang fiel ihr nicht schwer. Denn sie kennt die Henry-Ford-Realschule bereits aus dem Referendariat - ein Vorteil, den ihr ebenfalls neuer Kollege Majid El Ouadani nicht hat. Seine erste Schule als Junglehrer hat er in diesen Tagen zum ersten Mal gesehen. Gleich aufgefallen ist ihm das gute Arbeitsklima - zum Glück. Als Neuer braucht man Rückendeckung, denn es heißt zurecht kommen:

    " Ich bin ganz neu, ich muss erstmal gucken, wie die Räume sind, wo die Schüler sind, manchmal stehe ich vor einem Raum, dann sind aber die Schüler nicht da, dann frag ich mich, ob ich richtig bin, manchmal andersherum, aber das ist Alltag. "

    Das Referendariat war nichts dagegen, sagt der Fachlehrer für Mathematik und Technik. Dazu kommt in seinem Stundenplan auch Physik, ein Fach, das er nicht studiert hat und doch unterrichten muss. Gemischte Gefühle:
    " Wie gesagt, ich muss hier Physik fachfremd unterrichten und ich habe hier immer die Schwierigkeit, dass ich nicht weiß, wo ich ansetze. Das gefällt mir ehrlich gesagt nicht, wenn ich nicht weiß, wo ich ansetzen soll. Ich weiß nicht, welche Themen die Klassen gehabt haben, ich weiß nicht, was sie gemacht haben in den letzten Jahren, es gibt darüber keine Listen. Ich muss sozusagen im Dunkeln tappen. "

    Im Physiksaal stehen Geräte, die so alt sind wie er selbst und die er nicht kennt. Jetzt ist Improvisationstalent gefragt. Große Vorbereitung war nicht möglich. Seinen Stundenplan nämlich hat Madjid El Ouadani erst zu Beginn der Unterrichtswoche bekommen. Die Schule selbst hat erst am letzten Tag vor den Sommerferien erfahren, wer nach dem Sommer eingestellt werden kann, erläutert dazu Schulleiter Dieter Gehringer:

    " Und wenn das gleich fünf Kollegen sind, von denen nicht feststeht, in welcher Fächerkombination sie kommen werden, konnten wir erst in den Ferien an der Unterrichtsverteilung arbeiten, den konkreten Stundenplan haben die Kollegen frühestens in der letzten Ferienwoche erfahren. "

    Der Techniklehrer wusste also beispielsweise nicht, ob er in Klasse sechs oder Klasse acht unterrichten wird und muss sich nun durch die ersten Tage durchwühlen. Die ganz normale Improvisation im Lehrerberuf, nennt das Gehringer. Er weiß, wie schwer der Anfang ist. Gleich fünf Berufsanfänger hat er in diesem Jahr dem Kollegium vorgestellt. Die Pensionierungswelle rollt, nachdem es 15 Jahre lang keine Neueinstellungen gab. Von den Neuen erwartet er auch Impulse und Ideen, denn ...

    " Ich finde schon, dass die alle gut ausgebildet hierher kommen und auch gut vorbereitet sind. Was immer von großer Bedeutung ist: die müssen plötzlich 28 Stunden unterrichten, das merkt jeder, der dann anfängt. Was mir sehr positiv auffällt, dass die natürlich ausgebildet worden sind, nach den neuesten Erkenntnissen von Didaktik und Methodik. Die bringen also in der Tat das mit, was sonst in kollegiumsinternen Fortbildungen zum Teil sehr langwierig machen muss, zum Teil auch gegen Widerstände erarbeiten muss, da kann man dann schon drauf bauen, dass man auf diese Art und Weise, was Unterrichtsentwicklung angeht auch schon mal schneller vorankommt. "

    Am Ende eines ersten Tages, sind solche Überlegungen für die Frischlinge allerdings noch Fernziele. Viel Organisation, viel Nachfragen, Absprachen treffen, die Schule kennen lernen - aller Anfang ist schwer, findet der Techniklehrer.

    " Ja! Man hat nicht viel getan, aber man ist trotzdem geistig müde. Ich muss mich ausruhen, ich brauche Ruhe, ich brauch wirklich Ruhe. Ich muss mich zurücklehnen, ich muss Listen erstellen. Ich muss jetzt für die nächste Woche schon einiges vorbereiten, muss improvisieren, weil das Material nicht vorhanden ist, na ja, so einfach ist es leider nicht. "

    Trotzdem: Lehrer zu sein, ist und bleibt sein Traumberuf. Und auch Suse Buschina, die ursprünglich als Biologin tätig, erst spät in den Schuldienst kam, sieht die noch fehlende Routine gelassen. Die ersten Tage an der Schule - der Einstieg ist geglückt:

    " Dann haben wir noch so ein bisschen erzählt, Fragen beantwortet, Feedback gegeben. Dann habe ich den Kindern das Klassemaskottchen vorgestellt, hier vorne der Klassentiger, ja, dann war's kurz vor elf, dann habe ich die Klasse entlassen. "