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Abstiegsangst in Cottbus

Die BTU Cottbus soll nach Plänen der brandenburgischen Wissenschaftsministerin Sabine Kunst (SPD) mit der Fachhochschule Lausitz zur Energie-Universität Lausitz fusionieren. Der geplante Zusammenschluss stieß im Potsdamer Landtag jedoch bei der mitregierenden Linken auf Kritik.

Alex Krämer im Gespräch mit Manfred Götzke | 23.02.2012
    Manfred Götzke: Kennen Sie das "Energie-Bundesland"? Nein? Brandenburg hat sich dieses Label vor ein paar Jahren gegönnt - nicht unbedingt wegen des massiven Braunkohleabbaus, der ist ja nicht so werbewirksam, aber in keinem anderen Bundesland spielt die Windenergie eine so große Rolle wie hier. Brandenburg geht als Vorreiter bei den Erneuerbaren. Und jetzt soll dieses Energieland passenderweise eine Energie-Universität bekommen. Schon 2013 soll die Brandenburgische Technische Universität Cottbus mit der FH Lausitz zur Energie-Uni fusionieren. Heute wurden die Pläne der Wissenschaftsministerin im Landtag diskutiert, und mein Kollege Alex Krämer war dabei. Herr Krämer, bevor wir auf die Debatte eingehen: Das Label Energie-Uni, das mag ja passen, aber was sind die genauen Gründe für den Zusammenschluss, den geplanten?

    Alex Krämer: Das ist Unzufriedenheit mit dem, was dort bisher in der Lausitz stattfindet an den Hochschulen. Es gab eine Expertenkommission, die das ausführlich untersucht hat, und die hat eine Menge Probleme identifiziert, insbesondere an der größeren BTU, an der Technischen Uni - da ist von Forschungsschwäche die Rede, von zu wenig Zusammenarbeit innerhalb der Universität, von fehlender Schwerpunktsetzung, das war wirklich ein schlechtes Zeugnis. Die Fachhochschule kommt besser weg. Ihr wird zum Beispiel im Bereich Biotechnologie Forschung sogar auf Universitätsniveau bescheinigt, auch eine gute Betreuung der Studenten. Aber generell auch, sagen die Experten, die beiden Hochschulen arbeiten zu viel nebeneinander her, machen doppelte Angebote, zum Beispiel in BWL. Und als Lösung haben sie vorgeschlagen: Arbeitet stärker zusammen, ihr beiden, zum Beispiel mit gemeinsamen Fakultäten. Aber die Wissenschaftsministerin Sabine Kunst geht noch einen Schritt weiter, und sie sagt, na ja, dann machen wir doch gleich eine Hochschule daraus, eben die Energie-Universität Lausitz.

    Götzke: Energie-Universität - wird da nur noch Energie studiert?

    Krämer: Nein, also das ist ein bisschen irreführend, dieses Label. Energie soll den Schwerpunkt bilden, Energietechnik, alles, was dazugehört, energiesparendes Bauen zum Beispiel auch, weil es gibt da Fachbereich Architektur, aber auch das andere soll es weiter geben. An der Hochschule Lausitz zum Beispiel gibt es einen Studiengang Physiotherapie, der als sehr gut gilt, den soll es weiter geben. Das mit der Energie ist als Schwerpunktsetzung zu verstehen, als eben so Label als außen hin liegt eben in der Lausitz auch nahe. Dort wird die Braunkohle im Moment noch abgebaut, dort gibt es große Kraftwerke, dort gibt es aber eben auch Windradhersteller, Solarfirmen, und das soll dann der Kern der neuen Uni werden, und der Rest gruppiert sich drum herum.

    Götzke: Heute war das Ganze eben in der Aktuellen Stunde im Landtag thematisiert worden. Wie umstritten sind denn die Pläne in der Bildungspolitik in Brandenburg?

    Krämer: Das war spannend, also die ist gerade zu Ende gegangen, die Aktuelle Stunde, und da haben sich unerwartete Koalitionen ergeben. Kritische Töne kamen erst mal von der oppositionellen CDU. Ihr Hochschulexperte Michael Schierack sagt, das ist uns alles noch ein bisschen zu unkonkret:

    "Wir haben heute eine schöne Überschrift, aber was letzten Endes dieses Gebilde sein wird, was es trägt und wer es trägt, das wissen wir bis heute nicht, und gerade darüber hätte ich heute gerne diskutiert."

    Krämer: Die Opposition kritisiert die Regierung, soweit ja erwartbar. Spannend war aber, dass auch die mit regierende Linke - wir haben ja eine rot-rote Landesregierung - Probleme hat mit dieser Fusion. Bei der Linken heißt der Hochschulexperte Peer Jürgens:

    "Wenn die Kommission vorschlägt, beide Hochschulen zu erhalten und nur in einigen Bereichen gemeinsame Institutionen zu schaffen, dann hat das einen Grund. Warum Ministerin Kunst dennoch die einsame Entscheidung getroffen hat, beide Hochschulen aufzulösen und eine neue Universität zu gründen, leuchtet noch nicht richtig ein."

    Krämer: Bedenken bei der Linken also. Die Grünen dagegen, die in der Opposition sitzen, sagen: Das war ein wohltuender Paukenschlag, die Ankündigung der Ministerin. Bisschen verkehrte Welt hier im Landtag, und Ministerin Sabine Kunst selbst zeigt sich unbeeindruckt, die sagt, nach der Bologna-Reform sind die Abschlüsse an Unis und FHs ohnehin gleichwertig und deswegen wäre es nur konsequent, jetzt eine einzige Hochschule daraus zu machen. Sabine Kunst:

    "Das ist eine einmalige Chance für die Region, für die Studierenden, auch für die Hochschullehrer, für eine gerechte Bildungsteilhabe und für neue Formen der Kooperation zwischen Wissenschaft und Wirtschaft."

    Krämer: Also die Ministerin bleibt dabei: Im Sommer nächsten Jahres soll es losgehen.

    Götzke: Ja, aber das ist trotzdem noch ein sehr sportlicher Plan. Was muss bis dahin denn noch alles geregelt werden, wenn das tatsächlich vollzogen werden soll?

    Krämer: Eine ganze Menge. Erstmal muss ein Gesetz auf den Weg, und - der Teufel steckt im Detail - da muss eine Menge geregelt werden. Ein Beispiel: Professoren an Fachhochschulen und Unis werden ziemlich unterschiedlich bezahlt, müssen unterschiedlich viel Lehre auch ableisten - das sind Unterschiede bis zu zehn Stunden da -, haben eine unterschiedliche Ausstattung - also an Unis gibt es wissenschaftliche Mitarbeiter der Professoren, an Fachhochschulen nicht, meistens nicht zumindest. Die sollen jetzt alle an einer Institution zusammenarbeiten, das muss irgendwie geregelt werden. Die Zugangsvoraussetzungen sind auch andere an Fachhochschulen und Unis. Viele offene Fragen im Detail, aber Sabine Kunst ist eine durchsetzungsfähige Frau, außerdem war sie bis vor genau einem Jahr Präsidentin der Uni in Potsdam und weiß also auch, wovon sie redet. Ich würde mich nicht wundern, wenn sie das auch hinbekommt, wirklich zum Wintersemester '13/14 dann zu starten.