Die Schau beginnt mit einem Blick zurück, auf die Ursprünge des Phänomens abstrakter Expressionismus, wie Kurator David Anfam ihn nennt - "Gruppe" ist ihm zu ungenau, denn eine solche waren die Künstler ja nicht. Kleinformatige Gemälde aus den 30er-Jahren mit dunklen, fast düsteren Farben, figurativ. Kein Wunder, wenn man sich vor Augen hält, was passiert ist und noch passieren wird: ein Weltkrieg, eine Finanzkrise mit darauffolgender Depression, der spanische Bürgerkrieg, der erstarkende Faschismus in Europa, ein drohender Zweiter Weltkrieg. Etwa eine ganze Wand mit Selbstporträts: Ein dunkler Jackson Pollock, man ahnt schon, dass es schlecht für ihn ausgehen wird, ebenso für den jungen Mark Rothko.
Was folgt, sind eine Reihe thematisch geordneter Räume sowie Soloräume für die Protagonisten - Willem de Kooning, Mark Rothko, Clifford Still. Beginnend mit dem Armenier Arshile Gorky, der als erster seine Bilder zum Explodieren bringt. Er macht den Schritt in die Abstraktion, noch scheinen Surrealismus und Kubismus durch, doch man kann schon sehen: Hier entsteht etwas ganz Neues.
Größter Raum für Jackson Pollock
Das wird dann völlig klar im größten Raum der Schau, der ganz dem Giganten Jackson Pollock gehört. Zwei seiner ikonenhaften Gemälde hängen sich gegenüber, ein überwältigender Anblick: Das von der Sammlerin Peggy Guggenheim 1943 in Auftrag gegeben "Mural" und "Blue Poles" von 1952. Die gemalten, später gespritzten und gegossenen Farbschlieren ziehen sich wie ein Netz über die Leinwand, die Körperbewegungen des Künstlers bleiben sichtbar, die vermeintliche Improvisation ist ganz kontrolliert.
"Energie und Bewegung sichtbar gemacht", schrieb er über seine Bilder. Der tödliche Autounfall des Alkoholikers, wohl ein Selbstmord, machte der Kreativität 1956 ein jähes Ende. Seine Witwe Lee Krasner, selbst eine abstrakte Expressionistin, brauchte vier Jahre, ehe sie sich zu einem bewegenden Tribut durchringen konnte: das Gemälde "The Eye is the First Circle", mit seinen rhythmischen Linien, die um ovale Formen tanzen.
Willem de Kooning ist der einzige, der die Figuration nie ganz verlassen hat. Seine semi-abstrakten Frauen, wirbelnden Gliedmaßen und Brüste, hängen ebenso in einem Soloraum wie Clifford Stills mit der Spachtel aufgetragene farbige Formen, die wie der aufrecht gehende Mensch nach oben streben. Mark Rothkos Farbflächen sind in der zentralen Rotunde untergebracht, wie in einer Kapelle, ganz im Sinne der kontemplativen Natur seiner Kunst - "Tragödie, Ekstase, Schicksal", schrieb er. Auch er brachte sich um.
Dazwischen Räume mit den monochromen Farbflächen von Robert Motherwell, den schwarzen Balken von Ed Reinhardt und den an Kalligrafie erinnernden weißen Kritzeleien von Mark Tobey.
Am Schluss gehen die Individualisten dann ihre eigenen Wege. De Kooning malt elegische semi-abstrakte Küstenlandschaften, die zu Unrecht vergessene Joan Mitchell wie Monets Wasserrosen leuchtende Abstraktionen. Und Philip Guston schockiert alle mit seiner Umkehr in die Figuration, somit zum Anfang des Phänomens abstrakter Expressionismus zurückkehrend.
Ausstellungsstationen "Abstract Expressionism"
+ Royal Academy of Arts, London: 24. September 2016 bis 2. Januar 2017
+ Guggenheim Museum Bilbao: 3. Februar bis 4. Juni 2017
+ Royal Academy of Arts, London: 24. September 2016 bis 2. Januar 2017
+ Guggenheim Museum Bilbao: 3. Februar bis 4. Juni 2017