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"Absurd" und "abstrus"

Früher wäre der Plagiatsvorwurf, den Karl Theodor zu Guttenberg gerade ereilt, Anlass für ein Duell gewesen. So etwas macht man nicht mehr. Also verteidigt sich zu Guttenberg mit Worten. Und wer wäre besser geeignet, als der Literaturchef des Deutschlandfunks, Hajo Steinert. Hier sind seine Anmerkungen.

Von Hajo Steinert | 17.02.2011
    Der Fall des Abschreibers Guttenberg hat neben einer urheberrechtlichen, einer wissenschaftlichen, einer psychologischen, politischen auch eine sprachliche Dimensionen. Die beiden Adjektive "abstrus" und "absurd" wurden von den zwei Hauptbeteiligten, dem Abschreiber Guttenberg und seinem Gutachter Häberle, im Brustton der Empörung all denjenigen zugerufen, die den - nennen wir ihn noch so - Autor der Dissertation des Plagiats bezichtigen. "Abstrus" und "absurd" - wer ist in der Lage, aus dem Stand und ohne Zuhilfenahme des Duden den Unterschied zwischen diesen beiden aus dem Lateinischen herrührenden Adjektiven zu benennen? - "Abstrus" und "absurd" sind beim ersten Hören zwei sehr vornehm klingende Fremdwörter, zur allgemeinen Einschüchterung bestens geeignet, am Ende aber doch nur pseudointellektuell, zwei Fremdwörter eben, von denen die, die sie gebrauchen, nicht wissen, was sie eigentlich bedeuten und diejenigen, denen sie entgegen geschleudert werden, geradezu einschüchtern. Zwei modische Adjektive, die durch häufigen Gebrauch ihrer eigentlichen Bedeutung beraubt sind. Zwei irgendwie auch schick klingende Adjektive, die immer dann gerne gebraucht werden, wenn einem nichts Besseres, Genaueres, Konkreteres einfällt. Adjektive wie "abstrus" und "absurd" sind Adjektive aus dem Wortschatz der "Bluffer".

    Im Falle Guttenbergs und Häberles ist der Gebrauch dieser Adjektive verantwortungslos, weil beide, Rechtswissenschaftler die sie sind, von ihrer Profession her zum genauen Gebrauch der Sprache verpflichtet sind wie kaum eine andere Berufsgruppe. Wenn Guttenberg die gegen ihn gerichteten und mit reichlich Beweismaterial belegten Plagiatsvorwürfe als "abstrus" bezeichnet, sagt er damit, wir nehmen den Duden zu Hilfe, dass seine Widersacher "versteckt" argumentierten, "verborgen", "absonderlich", "töricht", "schwer verständlich", "verworren", "ohne gedankliche Ordnung". Hat das Guttenberg wirklich gemeint? Man kann denen, die jetzt Guttenbergs Abschreibetechnik auf die Spur gekommen sind und verbreiten, allerhand unterstellen, aber "versteckt" oder "töricht" oder "verborgen" oder "verworren" und "ohne gedankliche Ordnung" sind weder jene Bremer Juristen, die Guttenbergs unseriöse wissenschaftliche Methode aufgedeckt haben, noch jene Journalisten vorgegangen, die erstaunt, geschockt bis amüsiert darüber sind, dass einer seitenweise das Urheberrecht missachtet, indem er die Sprache anderer als seine eigene ausgibt. Die Feuilletonistin Klara Obermüller, aus deren Artikel Guttenberg unter anderem abgeschrieben hat, ohne das Abgeschriebene als Zitat auszuweisen, drückt sich nicht mit einem Fremdwort um den heißen Brei herum, wenn sie des Doktoranden Vorgehen "erbärmlich" nennt.

    Nach dem Abstrusen das Absurde. Der Erstgutachter von Guttenbergs Dissertation, der Bayreuther Wissenschaftler Peter Häberle, sagt, die Plagiatsvorwürfe bei einer, so wörtlich, "erstklassigen Arbeit" seien "absurd". "Absurd" - was heißt das nun wieder? "Absurd" steht für - wir schauen wieder in den Duden. für "misstönend", "widersinnig", "dem gesunden Menschenverstand widersprechend", "sinnwidrig", "abwegig", "sinnlos". Hat das der Wissenschaftler wirklich auch gemeint? Wir meinen: Nicht diejenigen, die Guttenbergs zweifelhafter Methode, die Dissertation durchzubekommen, auf die Schliche kommen, sind auf einem "abstrusen" oder "absurden" Weg. Die Art und Weise, wie sich der Bundesverteidigungsminister gegen das ihm Vorgehaltene verteidigt und wie er vom Gutachter seiner Dissertation verteidigt wird, ist "abstrus" und "absurd". Wie die Achtung geistigen Eigentums anderer ist auch der genaue, verantwortungsbewusste Gebrauch der Sprache ein wesentlicher Bestandteil unserer Kultur. Daran sollte auch ein unter Rechtfertigungsdruck stehender Bundesverteidigungsminister denken, nicht nur wenn er schreibt, auch wenn er redet.