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Abtritt eines Umstrittenen

Hans-Heinrich Sander war der Lieblingsfeind der Naturschützer in Niedersachsen. Jetzt tritt der 66-jährige Landesumweltminister zurück - sehr zur Freude der Umweltverbände. Zu groß waren die Fettnäpfchen, in die der FDP-Politiker in den vergangenen Jahren trat.

Von Susanne Schrammar |
    Ein Kettensägenmassaker - urteilte die Deutsche Umwelthilfe als Hans-Heinrich Sander im November 2006 höchstpersönlich zur eigenen Kettensäge griff, um damit im Biosphärenreservat Elbtalaue eine üppige Zwillingsweide zu köpfen – als Beitrag zum Hochwasserschutz. Die Sandersche Entbuschung an der Elbe löste einen Aufschrei bei Naturverbänden aus, die Opposition im niedersächsischen Landtag tobte und sogar die EU-Kommission rügte den niedersächsischen Umweltminister wegen Verstoßes gegen das Naturschutzrecht. Und dennoch – er würde es wieder tun, sagt Hans-Heinrich Sander, erzählt von seiner neuen akkubetriebenen Motorsäge und setzt sein bekanntes spitzbübisches Grinsen auf.

    "Nein, die Aktion habe ich deshalb nicht bereut – weil, ich darf nicht Umweltschutz machen nur durch die Brille des Naturschützers, sondern auch durch die Brille des Wasserschützers. In meinem Alter habe ich jetzt langsam gelernt: Mit Ideologie werden wir dieses Land höchstens nach unten wirtschaften, aber nicht nach vorne."

    Für die einen ist er der Lieblingsfeind Nr.1, für die anderen hat er Kultcharakter. Heute gibt Hans-Heinrich Sander sein Amt als niedersächsischer Umweltminister auf. Mit fast 67 Jahren, findet der FDP-Politiker, sei es Zeit, Platz zu machen für seinen Staatssekretär Stefan Birkner. Der ist vor wenigen Monaten Landesvorsitzender der Liberalen in Niedersachsen geworden und soll sich als Minister profilieren. Sehr zur Freude der Umweltverbände, die unverhohlen aufatmen angesichts Sanders Rücktritt. Ihren Einfluss und Finanzausstattung hatte der gelernte Landwirt und ehemalige Schulleiter gleich zu Beginn seiner Amtszeit 2003 kräftig gestutzt und kam mit den Naturverbänden nie auf einen grünen Zweig. Frank Allmer vom NABU in Lüneburg:

    "Viele Mitglieder im NABU sagen: Dieser Umweltminister ist eigentlich nur ein sogenannter Umweltminister, weil er sich so wenig für den Naturschutz einsetzt. Das sind so viele Aufgaben, die einfach nicht erfüllt wurden und wir sagen also: Naturschutzminister war er jedenfalls in seiner Amtszeit nicht."

    Windräder findet er hässlich, Biogasanlagen verschandelten seiner Meinung nach die Landschaft und die Energiewende hält der langjährige Atombefürworter für übereilt. Als Umweltminister eine Fehlbesetzung meinten viele. Und doch schaffte es Hans-Heinrich Sander mit seiner fröhlich-unbekümmerten Art, auch seinen härtesten Gegnern manchmal ein Lächeln zu entlocken. In der Politik, schrieb jetzt die Hannoversche Neue Presse, habe sich Sander verhalten wie ein Engländer am Wochenende: Er gehe keiner Schlägerei aus dem Weg, habe aber auch kein Problem damit, anschließend mit dem Gegner fröhlich ein Bier zu trinken. Mehrfach hat die Opposition im niedersächsischen Landtag Anträge zur Ablösung Sanders gestellt. Er werde in die Geschichte eingehen als der unterhaltsamste und zugleich unfähigste Umweltminister aller Zeiten, heißt es von den Linken und die SPD kritisierte ihn als Pro-Atomminister, als oberflächlich und nicht wissend. Doch die beiden niedersächsischen Ministerpräsidenten Wulff und McAllister stützten Sander und bei seinem Abschied bei der FDP gab es Standing Ovations für den hemdsärmeligen Praktiker. Christian Dürr, Fraktionsvorsitzender der liberalen Landtagsfraktion:

    "Gerade viele Menschen in den ländlichen Regionen Niedersachsens, die sagen: Das ist einer zum Anfassen, der hat Ecken und Kanten, ja, aber der steht zu seiner Meinung, ich glaube, das macht ihn so glaubwürdig. Er hat immer gesagt, man muss mit denjenigen, die in der Natur sind – das sind genauso wie Fischer, Jäger auch Landwirte – mit denen zusammenarbeiten. Er hat viel Vertragsnaturschutz in Niedersachsen gemacht und ich sehe ihn eher als Kooperationspartner als als Feind der Umwelt."

    An Sanders Nachfolger, den 38-jährigen Juristen Stefan Birkner, haben die Umweltakteure große Erwartungen. Die Verbände wünschen sich vom neuen Minister, der morgen vereidigt wird, mehr Sachlichkeit und Sachverstand. Vor allem bei der problematischen Endlagerfrage. Das Bundesamt für Strahlenschutz, das für die Schließung des maroden Atommülllagers Asse zuständig ist, erhofft sich von Sanders Nachfolger mehr Pragmatismus. Und tatsächlich setzt der neue niedersächsische Umweltminister beim Thema Endlager gleich zu Beginn einen Akzent: Am kommenden Samstag will Stefan Birkner die Asse besuchen und Anfang Februar Gorleben.