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Abwanderung nach Osten?

Die Wanderungsbewegung junger Akademiker von Ost nach West bereitet den Hochschulen schon seit langem Sorgen. Nun hat das Institut der Deutschen Wirtschaft eine Studie veröffentlicht, nach der das Studium in den, immer noch so genannten, fünf neuen Bundesländern deutlich billiger ist als im Westen. Im Gespräch: der Autor der Studie, Helmut E. Klein, Leiter des Referats Bildungsforschung beim Institut der Deutschen Wirtschaft.

    Campus & Karriere: Herr Klein, was kostet denn die akademische Ausbildung Studierende in Ost und West?

    Helmut E. Klein: Wenn man unterstellt, dass in den Alten und in den Neuen Bundesländern im Durchschnitt gleich lang studiert wird, das sind etwa 6,7 Studienjahre, dann kostet das Studium in den Alten Bundesländern 54.000 Euro und in den Neuen Bundesländern 10.000 weniger, also ungefähr 44.000 Euro.

    Campus & Karriere: Wie kommen diese Unterschiede zustande?

    Klein: Die Unterschiede erklären sich überwiegend aufgrund von drei verschiedenen Kostenaspekten, der größte Kostenunterschied ist nach wie vor feststellbar bei den Mieten, aber ebenso gibt es noch größere Unterschiede bei den Ausgaben hinsichtlich der Ernährung sowie für Kultur- und Freizeitkonsum. Ich würde nicht unbedingt unterstellen wollen, dass man in den neuen Bundesländern weniger isst, sondern dass einfach noch bessere und günstigere Einkaufsmöglichkeiten vorhanden sind, das gilt im Übrigen auch für den Kulturbereich.

    Campus & Karriere: Welche Konsequenzen können daraus entstehen? Gibt es zum Beispiel, Ihrer Ansicht nach einen Trend zum Studieren Richtung Osten?

    Klein: Den Trend kann ich so nicht sehen. Ich würde eher sagen, soweit wir informiert sind über die Mobilität der Studenten, muss man eigentlich feststellen, dass die Studenten oder zwei Drittel der Studenten relativ immobil sind, weil sie sich in erster Linie für einen Hochschulstandort in Nähe ihres Heimatortes entscheiden. Und etwa 30 Prozent der Studierenden orientieren sich auch an Rankinglisten, das bedeutet, es könnte auch eine Hochschule interessant werden in den Neuen Bundesländern. Allerdings wissen wir da auch, dass nicht ausschließlich die Meinung der Professoren und deren Forschungsleistungen für die Studenten jetzt wichtige Kriterien sind, sondern die orientieren sich auch vorzugsweise gerne an der Wertschätzung der Studierenden, was das Betreuungsverhältnis, die Qualität der Betreuung angeht zu den Hochschulen. Und natürlich interessiert die Studierenden auch, wie man dort selbst leben und studieren kann und Freizeit konsumieren kann. Ich denke, dass in dem Bereich die Rankinglisten noch nicht das Optimum an Informationen bieten, was sich die Studenten wünschen.

    Campus & Karriere: Aber es ist auch Ihrer Ansicht nach immer noch so, dass im Osten das bessere Betreuungsverhältnis zwischen Lehrenden und Studierenden da ist, nach wie vor?

    Klein: Rein formal gesehen, rein rechnerisch gesehen trifft das zu, zumindest für die Länder Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt und Thüringen, die liegen deutlich mit ihren Betreuungsverhältnissen über dem Bundesmittel. Das muss man sehen. Es ist auf der anderen Seite auch durchaus so, dass es auch in den Neuen Bundesländern Trends gibt, wo man feststellen kann, dorthin wandern offensichtlich auch Studenten aus dem Westen ab. Vielleicht muss ich da mal ein Beispiel nennen, um das zu illustrieren. Es ist festzustellen, dass die Nachfrage nach einem Mathematikstudium in Mecklenburg-Vorpommern überdurchschnittlich stark ist, das rührt nicht alleine durch die Nachfrage der Oststudenten her, da sind auch mit Sicherheit Weststudenten mit drin. Und in Brandenburg haben wir festgestellt, dass dort auch sehr viele Studenten die Sozialwissenschaften nachfragen, weit überdurchschnittlich, also noch stärker als die Nachfrage im Bundesmittel. Für Sachsen-Anhalt wissen wir auch, dass dort die Physik und die Geowissenschaften stark nachgefragt werden. Aber der Punkt ist wirklich, wie wird das kommuniziert? Wenn wir dann daran denken, dass eben ein größerer Teil der Studenten vergleichsweise immobil ist, muss man sozusagen auch noch ein bisschen mehr dafür tun, um aufzuzeigen, dass man erstens dort im Moment noch vergleichsweise günstig studieren kann, was die Lebenshaltungskosten angeht und zweitens, dass dort offensichtlich aber auch qualitativ Studiengänge angeboten werden, die es sich lohnt, vor Ort tatsächlich anzunehmen.

    Campus & Karriere: Woran liegt es denn, dass die Studierenden teilweise eben für Sozialwissenschaften oder Mathematik die Hochschulen im Osten wählen? Haben das diese Hochschulen geschafft, das gut zu kommunizieren oder wo liegen die Ursachen?

    Klein: Dazu kann ich jetzt relativ wenig sagen. Ich würde selber vermuten, dass es mehrere Dinge sind. Zum einen sicherlich auch, dass es den Hochschulen gelungen ist, das gut zu kommunizieren. Ich habe jetzt diese Lehrstühle nicht untersucht, um festzustellen, dort gibt es Koryphäen, die einfach so faszinierend sind, dass man wünscht, dort an diesen Lehrstühlen zu sein. Möglicherweise wird das auch sozusagen in Fachkreisen kommuniziert und man weiß, dort gibt es ein besonders gutes Angebot, wie auch immer das im Detail aussieht.

    Campus & Karriere: Vielen Dank, Helmut E. Klein, Leiter des Referats Bildungsforschung beim Institut der Deutschen Wirtschaft über das billigere Studium im Osten.