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Abwarten und beobachten

Die Tier- und Naturschützer beunruhigt nicht nur das Auftreten der Vogelgrippe in Süddeutschland, auch im Norden Deutschlands ist man wachsam. Der Grund: In Dänemark, auf der Insel Anholt im Kattegat sind junge Seehunde am Staupevirus verendet. Der Ausbruch der Krankheit hatte bereits 1988 und 2002 zu einer umfassenden Epidemie bei den Seehundbeständen in ganz Nordeuropa geführt.

Von Annette Eversberg |
    Auch beim letzten Seehundsterben 2002 ging die Seuche von der dänischen Insel Anholt aus. Weil sie dort ganz ungestört sind und auch das Nahrungsangebot gut ist, sammeln sich die Seehunde in großer Zahl. Die Möglichkeit, dass die Tiere sich dort gegenseitig anstecken, ist also hoch. Dass es sich bei der Krankheit um die Seehundstaupe handelt, die durch ein Virus hervorgerufen wird, daran gibt es keinen Zweifel mehr. Dr. Thomas Borchardt ist für die Seehundzählung im schleswig-holsteinischen Wattenmeer zuständig:

    " Und zwar ist es wieder das gleiche wie 2002 und auch 1988. Von dem wissen wir, dass es hoch virulent, also sehr ansteckend ist. Die Seehunde infizieren sich gegenseitig durch eine Tröpfcheninfektion. Und nach 7 Tagen bricht dann die Krankheit aus, und innerhalb einer weiteren Woche stirbt das Tier dann meistens. "

    Dass die Krankheit auf Anholt ausbricht, hat einen besonderen Grund. Hier sammeln sich nicht nur viele Seehunde. Es kommen hier auch verschiedene Populationen zusammen. 1988 waren Ringelrobben aus der Barentsee die Virusträger. Sie schwammen nach Süden, weil im Norden das Nahrungsangebot knapp wurde. Thomas Borchardt:

    " Beim letzten Seehundsterben war das nicht der Fall. Deshalb gibt es jetzt die These, dass Kegelrobben, die sehr, sehr weite Wanderungen unternehmen und auch zügig dabei schwimmen, dieses Virus aus diesen nordischen Robbenbeständen hier zu uns runter tragen und die Seehunde hier anstecken. "

    Die Kegelrobben sind Virusträger, ohne selbst daran zu erkranken. Gute Chancen haben jene Tiere, die gegen das Virus immun sind, weil sie die Seuche von 2002 überlebt haben. Dr. Detlef Hansen, Leiter des Landesamtes für den schleswig-holsteinischen Nationalpark, ist derzeit noch optimistisch:

    " Wir haben ein Monitoringprogramm für die Seehunde aufgelegt, zusammen mit Forschungsinstitutionen in Schleswig-Holstein, wo die Vitalität der Seehundpopulation untersucht wird. Immer nach denselben Methoden. Das wird in den Niederlanden, in Dänemark und auch in Schleswig-Holstein so gemacht. Und die Ergebnisse zeigen, dass unsere Seehunde eigentlich fit sind. "

    Dass die Seuche das Wattenmeer auf jeden Fall erreichen wird, davon ist Thomas Borchardt überzeugt:

    " Einmal hat es einen Monat gedauert, dann hatten wir hier die ersten Staupetiere. Beim 2. Mal hat es eben drei Monate gedauert. Aber die Seuche ist hier zu uns herübergekommen. "

    Trotz des guten Immunstatus gibt es auch hier Tiere, die sich noch nicht mit dem Virus auseinandersetzen mussten. Sie haben noch keine Antikörper gebildet. Darunter sind auch die Jungtiere, die in diesem Monat gerade geboren wurden. Was genau passieren wird, können Naturschützer und Seehundforscher noch nicht sagen. Bei der ersten Staupeepidemie unter den Seehunden im Jahre 1988 starben im Wattenmeer der Niederlande, Deutschlands und Dänemarks zwei Drittel des gesamten Bestandes. Damals fürchtete man, dass die Population aussterben könnte. Doch aufgrund der Schutzmaßnahmen für die Seehunde im Wattenmeer erholte sich der Bestand und hatte sich 2002 sogar mehr als verdoppelt. Als im selben Jahr eine neue Seuche ausbrach, starben mehr Tiere als 1988. Aufgrund der hohen Bestandszahlen war der Anteil jedoch geringer. Im letzten Jahr wurden im Wattenmeer der Niederlande, Dänemarks und Deutschlands bereits wieder 16000 Seehunde gezählt. Wenn die Seuche kommt, ist man vorbereitet. Detlef Hansen hat das Frühwarnsystem aktiviert. Das Nationalparkamt kann dabei auf Helfer zurückgreifen, die dauernd im Einsatz sind:

    " Wir haben die staatlich bestellten Seehundjäger, unsere Ranger, die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Küstenschutzverwaltung gebeten, verstärkt ein Auge auf die Seehundpopulation draußen zu haben, um aktuelle Lageberichte zu bekommen. Danach ist es so, dass wir zur Zeit noch keine Nachweise haben für die Seehundstaupe hier an der Nordseeküste. "

    Für Menschen ist die Seehundstaupe keine Gefahr. Trotzdem sollte man Tiere, die am Strand liegen, nicht anfassen, sondern die Seehundjäger informieren, betont Thomas Borchardt:

    " Was aber auf alle Fälle auch zu beachten ist, dass da nicht Hunde drangelassen werden dürfen, denn die können sich infizieren. Das Seehundstaupevirus ist eng mit dem Hundestaupevirus verwandt. Die Symptome sind zwar etwas verschieden, aber die Ansteckung ist auf alle Fälle möglich. "