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Abwasser zum Baden

Der Einsatz von Membranfiltern gilt als Schlüsseltechnologie im Abwasserbereich. Das Abwasser wird dabei durch eine Kunststofffolie gedrückt, Mikroschadstoffe, die aus Industriechemikalien und Medikamenten stammen, bleiben zurück. Auch die 60 Einwohner der Wohnsiedlung Heidelberg-Neurott kommen seit dem Wochenende in den Genuss einer der modernsten Membrankläranlagen Deutschlands. Hier ist die Keimbelastung so gering, das sich sogar in dem gefilterten Abwasser baden ließe.

Von Nick Schader | 19.12.2005
    Neurott ist eine kleine Siedlung südlich von Heidelberg. Ein paar Bauernhöfe, eine Gaststätte, 60 Einwohner - und im ehemaligen Feuerwehrgeräte-Haus eine der modernsten Kläranlagen Deutschlands... Auf gerade mal rund 30 Quadratmetern findet die gesamte Anlage Platz. Keine großen, stinkenden Klärbecken gibt es hier, sondern alles ist in einem luftdicht verschlossenen System untergebracht. Bis vor kurzem hatte das Dörfchen Neurott überhaupt keine Kläranlage, erläutert der Vorsitzende des Heidelberger Abwasserzweckverbandes, Raban von der Malsburg...

    " Jeder Hof oder 2 Höfe zusammen haben früher nur eine Sinkgrube gehabt, in der die festen Bestandteile sich abgesetzt haben und dann von Zeit zu Zeit abtransportiert worden sind. Dabei ist auch immer etwas daneben gegangen, so dass die Stickstoff-Belastung in der Umgebung sehr groß war. Der Überlauf ist dann zusammen mit dem Regenwasser in den Leimbach gegangen. Das hat sich jetzt gründlich geändert. Heute geht nur noch das Regenwasser direkt in den Leimbach, sämtliche Abwässer werden gründlich gereinigt. "

    Ein Kanal-Anschluss von Neurott an die 5 KM entfernte Kläranlage in Heidelberg hätte rund 800.00 Euro gekostet. Die Membran-Kläranlage wurde für 620.000 Euro errichtet. Entwickelt wurde die Anlage vom Fraunhofer-Institut in Stuttgart. Projektleiterin Tosca Zech...

    " Das wichtigste an dem Konzept ist die Demonstration der Kompaktheit der Anlage. Außerdem die Dezentralität, also dass man nicht gezwungen ist, große, lange und teure Kanäle zu bauen. Und das wir vor allem Regenwasser und Schmutzwasser voneinander trennen. "

    Denn ohne die Aufnahme von Regenwasser, könne die Anlage deutlich kleiner und damit billiger konzipiert werden.
    Im Ort befördern 7 kleine Pumpen die Abwässer von den Häusern in die Anlage. Sie ist deutschlandweit die erste, bei der die Abwässer gleich zweimal durch so genannte Membranfilter gesäubert werden, erläutert Professor Walter Trösch vom Fraunhofer Institut...

    " Das ist das Wichtigste, dass es hier zweimal die Membranen gibt - auch schon zur Vorfiltration, damit in die Kläranlage nur wenig Verschmutzung hineinkommt und man nicht so viel Energie braucht um das Wasser zu reinigen. Dieses abgefilterte Material in der Vorstufe geht dann in den Faulturm. "

    Nur wenige 1000stel Millimeter groß sind die Membran-Poren, durch die die Abwässer gefiltert werden. Dabei drehen sich die Membranscheiben unentwegt. Die Rotation bewirkt, dass der Schmutz nicht an den Filter-Scheiben kleben bleibt.
    Die Klärschlämme, die herausgefiltert werden, sammeln sich in einem luftdicht verschlossenen Tank. Dieser wird rund einmal pro Woche geleert - und die Schlämme einer weiteren Verwertung zugeführt. In einer speziellen Faulungsanlage in Heidelberg...Professor Walter Trösch

    " Im Faulturm wird in der anaeroben Stufe wird aus dem organischen Material über Bakterien CO2 und CH4 hergestellt wird - und das ist Biogas. Und dieses kann man natürlich nutzen wie Erdgas und daraus in einem Blockheizkraftwerk Energie gewinnen. "

    Das Wasser, das am Ende die Anlage verlässt, hat Trinkwasser-Qualität und kann nun dem früher stark belasteten Leimbach zugeführt werden. Doch nicht nur die Reinigungsleistung dieser Anlage setzt Maßstäbe - auch ökonomisch sei das Konzept sinnvoll, glaubt Dr. Rüdiger Furrer vom Forschungszentrum Karlsruhe
    "80 Prozent der Kosten im Abwasser-Bereich werden für die Unterhaltung des Kanal-Systems verwendet. Und da liegt man eben bei dezentralen Anlagen deutlich niedriger, weil das Kanalnetz deutlich kleiner ist. "

    Die kleine Anlage wird über einen Computer geregelt - kann aber auch vom Fraunhofer-Institut in Stuttgart aus ferngesteuert werden. Sie sei die Anlage der Zukunft, für Städte bis 50.000 Einwohner ist XX überzeugt. Und könnte auch zum Exportschlager Made in Germany werden...

    " Wasser wird ein Problemfeld für die Welt, und Wasserver- und Entsorgungssysteme, speziell wenn sie Wiedernutzung von Wasser zum Ziel haben, wie wir das haben wollen, werden sicherlich zu einem Exportschlager. "