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Abwehr des westlichen Imperialismus

Spätestens nach den Anschlägen vom 11. September 2001 nahm sich eine interessierte Öffentlichkeit das saudische Erziehungssystem vor. Westlichen Orientalisten fiel nicht schwer, tendenziösen Unterricht im Königreich festzustellen. Auserwählt zu sein und sich abzugrenzen lernten die Schüler. Die Saudis wollten das ändern, aber nichts tat sich, fand eine amerikanische Studie heraus. Das saudische Erziehungsministerium hat mit überarbeiteten Schulbüchern reagiert und Volltextdateien ins Internet gestellt.

Von Joseph Croitoru |
    Nach den Anschlägen des 11. September - die meisten Täter waren bekanntlich Saudis - wurde das Erziehungssystem in Saudiarabien von der internationalen Öffentlichkeit unter die Lupe genommen. Studien westlicher Orientalisten konnten belegen, dass der Schulunterricht im saudischen Königreich äußerst tendenziös war. Den Kindern wurde suggeriert, dass sie auserwählt seien und sich vom Rest der Welt abzugrenzen hätten. Die saudischen Behörden reagierten prompt auf diese Kritik und gaben 2005 bekannt, ihre Schulbücher überarbeitet zu haben. Doch eine amerikanische Studie aus dem vergangen Jahr hat genau das Gegenteil ergeben - Feindbilder über andere Religionen wurden weiter geschürt. Die Schüler wurden nach wie vor im missionarischen Geist erzogen: Der Islam soll verbreitet werden, wenn nötig, durch den Heiligen Krieg.

    Das Erziehungsministerium Saudiarabiens hat auf diese Vorwürfe nicht nur mit der Herausgabe neuer, wesentlich überarbeiteter Schulbücher reagiert, sondern diese jetzt als Volltextdateien gleich auch auf seine Internetseite gestellt. Offenbar will das Königreich Saud damit Transparenz und Weltoffenheit demonstrieren. Tatsächlich präsentiert sich die Gestaltung der neuen Lehrinhalte schon deutlich moderner als früher. Erstklässlern werden vor allem die Grundlagen des islamischen Glaubens gelehrt, sie lernen aber auch schon Rechnen und Grundlegendes über Biologie und Natur. Das Religionsbuch "Einheitsglaube und Religionsgesetz" vermittelt den Schulanfängern, Muslime zu sein, von Gott geschaffen.

    Doch mündet die kindgerechte Einführung bald in eine rigide Erziehung mit tendenziös-exklusivem Charakter, wenn es heißt, Muslim zu sein, bedeute die Ablehnung aller anderen Religionen. Der Lohn der Gottestreue, präzisiert nun das Lehrbuch, sei das Paradies. Wer den Islam jedoch ablehne, werde - hier wird Koranvers 3:85 zitiert - im Jenseits zu denen gehören, "die den Schaden haben". Der Buchteil über den Einheitsglauben endet unmissverständlich: "Wer die Lehre des Propheten Muhammad ablehnt, den erwartet das Höllenfeuer." Eine kleine Sensation birgt hier ein Lied zur saudischen Nationalfahne: Das Schwert, eigentlich religiöses Symbol für den Kampfgeist der Muslime, suggeriert dem Schulkind, dass es die Macht - wohl der im Lande Herrschenden - im politischen Sinne symbolisiert.

    Mit einer ebensolchen Mischung aus Patriotismus und Religion werden die Schüler ab der vierten Klasse in Gemeinschaftskunde unterrichtet, wo besonderes Augenmerk auf Disziplin, Gehorsam und soziales Verhalten gelegt wird. Der Geschichtsunterricht befasst sich jetzt ausschließlich mit dem Leben des Propheten Muhammad, dem ein eigenes Unterrichtsbuch gewidmet ist. Allerdings war der Lehrer bereits im Religionsunterricht für die zweite Klasse angewiesen, neben denen des Muhammad auch über die religiösen und historischen Verdienste des Muhammad Abdel Wahhab aufzuklären, des Urhebers des Wahhabismus.

    Dessen Dogmen wie die Ablehnung des Heiligen- und Grabkultes sowie die Bekämpfung der Abtrünnigen sollen die Schüler dieser Altersstufe ebenso verinnerlichen wie ihre nationalen Pflichten, allen voran den Militärdienst. Letzterer ist die höchste Form von Dienst am Vaterland, für dessen Verteidigung im Dschihad gegebenenfalls auch ein ehrenvoller Tod zu sterben ist - dieses Credo wird bereits Fünfklässlern eingeimpft.

    Der Horizont der Kinder bleibt bis in die Oberstufe sehr begrenzt. Sie lernen, dass sie außer Saudis auch noch Teil der arabischen, dann auch der islamischen Welt sind. So etwa wird allgemeine Geographie, in der auch andere Erdteile durchgenommen werden, erst in der zwölften Klasse eingeführt. Noch schlechter ist es um die Weltgeschichte an saudischen Schulen bestellt. Sie wird den Schülern vorenthalten, dafür aber die islamische Geschichte mit Betonung auf der Beschreibung der siegreichen Schlachten der Muslime immer wieder durchgekaut.

    Es wird erklärt, dass der Islam trotz manch militärischer Niederlage in der Vergangenheit letztlich unbesiegbar sei, und sich derzeit im Aufbruch befinde - vor allem auch in demographischer Hinsicht und in allen Teilen der Welt. Im Vergleich zu früher fällt auf, dass auf jegliche Hetze gegen die muslimischen Schiiten verzichtet wird, während die Religionsgemeinschaften der Ahmadiyya und der Behai-Sekte noch immer als Häresien betrachtet werden.

    Um so mehr plädieren die neuen saudischen Lehrbücher für eine globale islamische Solidarität und für die Abwehr des westlichen, heute vor allem kulturellen Imperialismus. Gegen diesen will das Königreich Saud die Muslime überall auf der Welt stärken und zur Schaffung, so wörtlich, besserer islamischer Gesellschaften beitragen - mit Hilfe der Scharia, des islamischen Religionsgesetzes. Das sollte man nicht nur, das muss man auch gerade im Westen ernst nehmen.