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Abwehr von Mini-Drohnen
Gefahr aus der Luft

Mit wenig Aufwand lassen sich Mini-Drohnen wie die kleinen Quadrokopter zu Waffen umfunktionieren - etwa indem Terroristen eine Handgranate anbauen und in ein Stadion steuern. Bei der Konferenz für Angewandte Forschung für Verteidigung und Sicherheit in Bonn war die Abwehr von Mini-Drohnen ein großes Thema.

Von Ralf Krauter | 01.03.2016
    Beim G7-Gipfel, zu dem Angela Merkel im vergangenen Juni auf Schloss Elmau geladen hatte, wimmelte es nur so von Sicherheitsleuten. Zu den möglichen Bedrohungen, vor denen sie die versammelten Staats- und Regierungschefs schützen sollten, zählten auch Angriffe aus der Luft. Insbesondere Mikro- und Mini-Drohnen mit einem Gewicht zwischen einem und 25 Kilogramm habe man damals im Visier gehabt, erklärt der Ingenieur Oliver Parduhn. Die Firma ESG aus Fürstenfeldbruck, für die er arbeitet, half im Auftrag des Bundeskriminalamtes mit Hightech.
    "Wir als ESG beschäftigen uns sehr viel mit Technologie und auch mit Technologietransfer und haben jetzt zusammen mit Partnerfirmen ein Drohnenabwehrsystem entwickelt, bei dem wir Drohnen zum einen detektieren können, identifizieren können, und dann auch gegebenenfalls abwehren können."
    Schon das Aufspüren kleiner Fluggeräte ist eine Herausforderung. Deshalb kombinieren die Experten von ESG verschiedene Sensoren. Ein empfindliches Radarsystem erfasst Drohnen bereits, wenn sie noch ein bis zwei Kilometer entfernt sind. Ein Kamerasystem liefert dann hochauflösende Bilder der anfliegenden Objekte. Ein Peilsystem, das den charakteristischen Funkverkehr der Drohnen auffängt, gibt Aufschluss über Fabrikat und Bauart.
    "Also die Erfolgsrate ist sehr gut. Wir haben das auch bei einer Demonstration in Elmau letztes Jahr dargestellt. Natürlich: Eine gewisse Restunsicherheit bleibt immer, das ist bei jedem Sicherheitssystem so. Aber die Zuverlässigkeit ist sehr sehr hoch, dass wir Drohnen der normalen Größe 20 bis 30 Zentimeter detektieren können über eine große Entfernung."
    Via Funkpeilung die Fernbedienung orten
    Die Sicherheitskräfte bekommen anfliegende Objekte auf einem Monitor angezeigt, samt Entfernung und voraussichtlicher Flugbahn. Was die Verantwortlichen dann mit dieser Information anfangen, kommt drauf an. Im Fall einer funkferngesteuerten Drohne liegt es nahe, via Funkpeilung die Fernbedienung zu orten – und damit den Piloten. Das schafft die Elektronik binnen Sekunden, erklärt Oliver Parduhn.
    "Das wäre die einfachste Lösung: Wenn ich identifiziert habe, wo sich derjenige befindet, dann eben Polizeikräfte oder eigene Kräfte dorthin zu schicken und den Steuerer festzusetzen und somit den Drohnenbetrieb außer Kraft zu setzen. Das ist die eine Variante."
    Die andere wäre, dass der Pilot sich dieser Gefahr bewusst war und seiner Drohne deshalb einen Kurs einprogrammiert hat, den sie selbstständig abfliegt - mit Satellitennavigation und ganz ohne Funkkontakt zu ihrem Besitzer.
    "Und für diesen Fall, dass sie die Wegpunkte GPS-gesteuert abfliegt, haben wir einen Prototypen, eine Antenne entwickelt, die das GPS-Signal von dem Satelliten so übersteuert, dass wir die Drohne ablenken können zu einer Position, wo wir sie hinhaben wollen. Das ist in einem Entwicklungsstadium, das für viele Geräte funktioniert, aber natürlich heute noch keine Produktreife erlangt hat. Aber da arbeiten wir dran."
    Vorgaukeln eines zusätzlichen GPS-Satelliten
    GPS-Spoofing heißt dieser Trick im Fachjargon. Er funktioniert auf Entfernungen von einigen 100 Metern und basiert darauf, der Drohne per Funk die Existenz eines zusätzlichen GPS-Satelliten vorzugaukeln. Weil sich dessen Positionsdaten nach Lust und Laune manipulieren lassen, ist das Ergebnis eine Art feindliche Übernahme des Fluggeräts, das dann zu einem sicheren Landeplatz gelotst werden kann.
    Für den Fall, dass diese sanfte Intervention misslingen sollte, wurden in Elmau zusätzlich Mikrowellenkanonen der Rüstungsfirma Diehl Defence aufgestellt. Die elektromagnetischen Pulse, die sie aussenden, wirken auf die Steuerelektronik von Drohnen wie ein Blitzschlag: Sie wird lahmgelegt, was in der Regel zum sofortigen Absturz führt.
    "Also die Elektronik zu stören und zu zerstören, das hängt sehr stark von der Leistung und von der Entfernung ab. Aber das geht in einer Entfernung zwischen 60 und 150 Metern - so in der Größenordnung."
    Prototyp geplant
    Der Betrieb solcher Mikrowellenkanonen ist allerdings nur mit Sondergenehmigung erlaubt. Um die Besucher eines Open-Air-Konzertes zu schützen, kommen sie deshalb ebenso wenig in Frage wie die laserbasierten Drohnenabwehrsysteme fürs Militär, die Rüstungskonzerne wie Rheinmetall entwickeln. Bei ESG in Fürstenfeldbruck konzentriert man sich jetzt erst mal auf zivile Anwendungen.
    "Wir werden im Sommer jetzt einen Prototypen auf den Markt bringen, wo wir alle diese Sensorik integriert haben und das auch zur Anwendung bringen könnten. Zum Beispiel für Veranstaltungen, als Dienstleistung oder auch zum Verkauf. Das Interesse ist wahrlich sehr groß. Es wird sehr viel darüber gesprochen. Gott sei Dank ist bis heute nichts Nennenswertes passiert. Aber die Sicherheitsstellen sehen eine Gefahr darin - und möchten da natürlich auch dagegen gerüstet sein."