Dienstag, 16. April 2024

Archiv


Acesulfam: Unbehelligt durch Klo, Kanal und Kläranlage

Acesulfam weist von allen künstlichen Süßstoffen die mit Abstand höchsten Konzentrationen in deutschen Oberflächengewässern auf. Im Körper wird es nicht verstoffwechselt, weshalb es keine Energie liefert und als Diätsüßstoff benutzt werden kann.

Von Volker Mrasek | 21.09.2011
    Das Molekül dieser Woche heißt Acesulfam. Kennen wir von den langen Zutatenlisten auf Lebensmittel-Verpackungen. Steckt "zum Beispiel in Diät-Getränken, Diät-Coke und ähnliche."

    Ein Stoff, der nicht dick macht! Die Kristalle sind fast 200mal süßer als Rohrzucker, werden aber nicht verstoffwechselt und liefern so auch keine Kalorien. An anderer Stelle wird das aber zum Problem.

    Lange: "Es ist ein Stoff, der in der Kläranlage nicht abgebaut wird. Er wird im Körper schon nicht abgebaut, und landet in den Oberflächengewässern."

    Quasi in einem Rutsch flutscht Acesulfam durch Klo, Kanal und Klärbecken. Am Ende landet der Süßstoff sogar in unserem Trinkwasser, wo ihn eigentlich niemand haben wollte. Die Entnahme von Wasserproben - Routine an vielen deutschen Flüssen und Seen ...

    "Ich habe so eine Schöpfkelle. Damit hole ich die Probe, fülle die Flaschen ..."

    Ganz gleich, wo Wasserchemiker ihre Proben nehmen: Künstliche Süßstoffe wie Acesulfam sind immer drin.

    Brauch: "Deshalb heißt das auch Süßwasser."

    Diesen kleinen Scherz kann sich Heinz-Jürgen Brauch nicht verkneifen. Der Chemiker ist Chefanalytiker im Technologiezentrum Wasser in Karlsruhe. Dort arbeitet auch Frank Thomas Lange, gleichfalls Chemiker. Wie verhält es sich nun wirklich?

    Lange: "Wir finden das in den Oberflächengewässern, sagen wir mal im Rhein, so im Mikrogramm-pro-Liter-Bereich, das heißt millionstel Gramm pro Liter. Also, es ist nicht so, dass diese Spuren im Wasser zu irgendeinem süßen Geschmack führen würden. Da liegen mehrere Zehnerpotenzen dazwischen."

    Das gilt selbst für Acesulfam, den Süßstoff, der stets in den höchsten Konzentrationen gefunden wird. Aber:

    Brauch: "Der Anspruch der Wasserversorgung ist, dass solche Stoffe eigentlich nicht ins Trinkwasser gehören. Trinkwasser soll natürlich sein, rein sein und zum Genuss anregen."
    Christoffels" : "Da wird jetzt der Deckel draufgemacht. "Die werden also verschraubt. Und dann werden die ins Labor gebracht. Und dann beginnt die Analyse." "

    Es gibt etliche Fremdstoffe, die die Wasseranalytiker heute im Blick haben. Dazu zählen etwa Arznei- und Pestizidwirkstoffe, Röntgenkontrastmittel oder auch Fluor-Chemikalien, mit denen lange Zeit Textilien, Teppiche und Papier imprägniert wurden. Und die heute verboten sind, weil sie sich als giftig herausstellten. Lauter Stoffe, bei denen man erst nach der Einführung feststellte, dass sie sich leider auch in der Umwelt anreichern.

    Lange" : "Sie sehen praktisch in den Gewässern die Lebensgewohnheiten der Menschen." "

    Das ist für Frank Thomas Lange auch im Fall von Acesulfam so spannend:

    "Dieses Acesulfam findet sich sehr häufig in den Ländern, in denen es viel angewendet wird, zum Beispiel in Deutschland. Es gibt andere Länder, die haben andere Süßstoffe, zum Beispiel die Sucralose in den USA. Das ist praktisch ein Zuckermolekül, was an drei Stellen chloriert ist. Es ist sehr persistent, wird in der Kläranlage auch nicht abgebaut. Es spielt aber in Deutschland noch nicht so diese Rolle, weil es erst vor wenigen Jahren zugelassen wurde bei uns."

    Das könnte sich aber ändern. Die Karlsruher Chemiker behalten Sucralose jedenfalls im Auge. Sie ist noch süßer als Acesulfam ...

    Es könnte also sein, dass eine stärkere Sucralose-Welle bald auch in unsere Flüsse und Seen schwappt ...

    Heinz-Jürgen Brauch würde das nicht wundern:

    "Wir finden schlussendlich immer in den Gewässern ein Abbild der Mengen, die von den Bürgern eingenommen werden."