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Acetylsalicylsäure: Jahrhundert-Pharmakon mit weiterer Perspektive

Schon Hippokrates von Kos wusste um die Heilwirkung der Salicylsäure. Mit einem molekularen Zusatz wird daraus der Aspirinwirkstoff Acetylsalicylsäure. Das Kopfschmerzmittel wird auch nach Herzinfarkten und Schlaganfällen eingesetzt, weil es die Verklumpung der Blutplättchen hemmt. Das Repertoire des Wirkstoffs ist damit noch lange nicht ausgereizt. Noch 100 Jahre nach der erstmaligen Reinherstellung erscheinen zahlreiche Publikationen über seine Möglichkeiten.

Von Volker Mrasek | 17.08.2011
    Das Molekül dieser Woche heißt Acetylsalicylsäure.

    Gessner: "Ja, das ist eine ganz interessante Story."

    Das finden wir auch!

    Gessner: "Man kann wirklich ohne rot zu werden sagen, dass das ein Jahrhundertpharmakon ist."

    Vermutlich gibt es kein erfolgreicheres Molekül im Medizinbereich. Seine Karriere als Arzneiwirkstoff begann Acetylsalicylsäure schon um das Jahr 1900 herum. Unter einem Produktnamen, den heute fast die ganze Welt kennt: Aspirin.

    Aspirin-Werbung von 1940: "Hätte jeder in der Kammer nur ein solches Röhrchen stehen, ..."

    Gessner: "1897 Erstsynthese. Keiner wusste genau, wie es funktioniert. Erst so in den 70er Jahren hat man den Wirkmechanismus entdeckt."

    Aspirin-Werbung von 1940: "Daher sprechen wir es aus, Aspirin gehört ins Haus."

    Gessner: "Und der Wirkmechanismus beruht auf der Hemmung von Substanzen, die man als Prostaglandine bezeichnet."

    Aspirin-Werbung von 1940: "Kopfschmerzen? Kennt sie nicht."

    Gessner: "Substanzen, die zuständig sind für das Auslösen von Schmerzen, Fieber und Entzündungen."

    Aspirin-Werbung von 1940: "Erkältung? Da beugt er vor."

    Gessner: "Und die Acetylsalicylsäure blockiert die Bildung dieser Prostaglandine."

    Aspirin-Werbung von 1940: "Rheuma? Quält ihn nicht."

    Gessner: "Und kann so entsprechend das Fieber senken, Schmerzen lindern oder auch Entzündungen."

    Uwe Gessner ist Mitarbeiter des Bayer-Konzerns in Leverkusen. Der Chemiker ist Experte für Schmerzmittel. Dazu zählt natürlich auch Acetylsalicylsäure beziehungsweise Aspirin. Produziert wird der Schmerzblocker in Bitterfeld.

    "Na ja, er wird heutzutage synthetisch hergestellt. Aber die Wurzeln dieses Moleküls liegen in der Natur."

    Und schon lange zurück! Bereits in der Antike heilte man mit Extrakten aus Weidenblättern. Sie enthalten Ableger der Salicylsäure. Dieser Naturstoff wirkt zwar auch schmerzlindernd. Laut Uwe Gessner schmeckt er aber ziemlich übel und geht auf den Magen.

    "Sodass man dann also nach Abhilfe suchte im Sinne einer Veredelung der Substanz."

    Die gelang schließlich durch die Anheftung eines Essigsäure-Restes an Salicylsäure. In der Frühzeit der Industriechemie, so Gessner,

    "hat man ganz häufig solche Acetylierungsreaktionen durchgeführt. Und das war der Ausgangspunkt für die Acetylsalicylsäure."

    Die war dann tatsächlich verträglicher als ihr Vorläufer, ist aber auch nicht ohne Nebenwirkungen. Wer etwa unter Magengeschwüren leidet, dem wird von ASS abgeraten, wegen der Gefahr von Blutungen.

    Breite Anwendung findet das Jahrhundertmolekül inzwischen auch nach Herzinfarkten und Schlaganfällen, um neue zu vermeiden:

    "Aspirin verhindert das Zusammenklumpen von Blutplättchen. Und kann demzufolge das Verstopfen von Gefäßen verhindern. Und es wird auch eingesetzt bei Verdacht auf akuten Herzinfarkt."

    Kaum zu glauben, aber wahr: Auch nach über hundert Jahren Pharma-Karriere brummt die Forschung über Acetylsalicylsäure noch immer.

    "Es ist wirklich erstaunlich zu sehen, dass wir pro Jahr circa 3000 Publikationen haben zu Acetylsalicylsäure. Man forscht auch an neuen Anwendungsgebieten im Bereich zum Beispiel der Krebsforschung, der Senkung des Risikos für das Auftreten von Darmkrebs. Eine Menge von Publikationen, die zu diesem Thema herauskommt. Und möglicherweise ergeben sich da weitere sinnvolle Einsatzgebiete für die Acetylsalicylsäure."

    Aspirin-Werbung von 1940: "Aspirin jetzt in der neuen Solo-Siegelpackung."