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"Achtung, hier ist Sendestelle Berlin Voxhaus"

Auch in diesem Jahr zog sie wieder Tausende Besucher in die Messehalle unterm Funkturm: die Internationale Funkausstellung Berlin, kurz IFA genannt. Vor 85 Jahren öffnete die Messe zum ersten Mal ihre Tore. Damals ging es vor allem darum, das neue Medium Radio bekannter zu machen.

Von Hartmut Goege | 04.12.2009
    "Wo man geht, wo man sitzt und steht, ist vom Radio heut nur die Red´. Vom Kellerloch bis hoch zur Mansard..."

    Es war der Schlager des Jahres. Und als Reichspräsident Friedrich Ebert am 4. Dezember 1924 in Berlin die erste Funkausstellung der Welt mit 242 Ausstellern eröffnete, strömten an zehn Tagen rund 180.000 Besucher durch die Messehalle. Da war es gerade mal ein Jahr her, dass die erste deutsche Rundfunkgesellschaft "Funkstunde Berlin AG" ihr Programm gestartet hatte:

    "Achtung, hier ist Sendestelle Berlin Voxhaus, auf Welle 400."

    Rundfunk war zwar in aller Munde, doch kaum einer besaß einen Radioapparat. Der Staat hatte die Funkhoheit. Und sein Postministerium verlangte monatlich 60 Reichsmark. Zu teuer für die meisten. Erst als die Rundfunkgebühr 1924 auf zwei Mark gesenkt wurde, begann ein beispielloser Boom.

    "..Tschindarassa Radio...an einer Wurfantenne...Tschindarassa Radio..."

    Der junge Verband der Radioindustrie kam auf die Idee, das neue Medium einer breiten Öffentlichkeit vorzustellen. Mit der Organisation wurde der gerade mal 22-jährige Herbert Antoine beauftragt:

    "Die ganze Sache war natürlich noch relativ einfach, und das, was mir an den damaligen Funkausstellungen gefallen hat, war, dass eine absolute Stille in den Hallen herrschte, denn hinter den Ausstellungsständen der Industrie waren extra Abhörkabinen, in denen dann die Interessierten die jeweiligen Geräte abhören konnten."

    Denn Radiohören funktionierte über Kopfhörer. Die damals bekannten Detektorempfänger kamen ohne eigene Stromquelle aus. Die elektro-magnetischen Wellen des Senders wurden in den Detektoren einfach nur in ausreichende Schwachstrom-Energie umgewandelt. Extra für die Ausstellung war das "Haus der Funkindustrie" gebaut worden, eine 130 Meter lange Halle - aus empfangstechnischen Gründen komplett aus Holz. Die Veranstalter wollten sicher gehen, dass im Innenraum der Empfang über Zimmerantennen möglich sei. Doch bei der Generalprobe tat sich nichts. Aushelfen konnte der Hochfrequenztechniker Gustav Leithäuser vom Telegrafentechnischen Reichsamt Berlin:

    "Der Empfang war eben nicht da, weil das Holz viel zu nass war. Das wirkte wie ein metallischer Schirm. Die Wellen, die kamen gar nicht in das Gebäude hinein. Von dem damals als Gerüst dastehenden Funkturm, da zog ich eine dicke Leitung oben in die Halle unter dem Dachboden entlang. Und von der anderen Seite ebenfalls. Und an dieser Leitung wurden über Isolatoren die Antennen angeknüppert. Und siehe da, der Empfang war blendend."

    "Sie hören als nächstes die Kapelle Bernhard Etté. Sie bringt Ihnen einen Foxtrott zu Gehör `Wenn die Jazzband spielt´"

    Die erste Funkschau in den Goldenen 20ern bot, anders als in späteren Jahren, keine technischen Sensationen - im Vordergrund stand die Information: Schwerpunkt war das Angebot an Einzelteilen. Alles, was zum Nachbau eines Radios nötig war: Spulendrähte, Regelwiderstände, Drehkondensatoren, Buchsen, Stecker, Detektoren. Herbert Antoine erinnerte sich:

    "Ich weiß auch noch genau, wie damals gerade für die Bastler, die ja damals eine so entscheidende Rolle spielten, nun Leute, wie Professor Leithäuser, Funkveranstaltungen machten, Vorträge machten... Und dann weiß ich auch noch, dass Leithäuser die ersten Versuche von einem Flugzeug-Sprechverkehr unten mit der Funkhalle durchzuführen veranstaltete."

    Die erste Funkschau bescherte der aufstrebenden Radioindustrie ein mehrmonatiges Auftragsvolumen. Radios basteln, eingebaut in Zigarrenkisten wurde zum Volkssport. Von einer Million Empfangsanlagen waren 60 Prozent Marke Eigenbau, und der erste lizenzierte Radiohörer Hans Kollhof war ausgerechnet ein Tabakhändler:

    "Wenn da mal irgendwie ein schönes Programm war und ich wusste das vorher, dann musste Mutter ein schönes Kotelett braten und ich hab' mir eine schöne Flasche Wein geleistet, nicht wahr, und dann war der schöne Abend da."