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Ackerbau für Städter

Gemüse aus dem eigenen Garten – das schmeckt und ist gesund. Für Menschen, die auf dem Land leben, ist das auch ganz selbstverständlich. Doch für Städter ist es etwas Besonderes – viele kennen sich mit dem Gärtnern nicht aus und der nötige Platz ist auch schwer zu finden. In Köln gibt es seit diesem Jahr ein Projekt, das auch ungeübten Stadtmenschen eine eigene Ernte ermöglicht: Gartenglück heißt es.

Von Ulrike Klode | 27.07.2005
    Eine der glücklichen Gärtnerinnen ist Renate Dille-Beyer:

    "Hier bei den Bohnen will ich gucken, was da noch zum Abernten ist, dann würde ich die morgen nämlich in so ne Gemüsepfanne reintun. "

    Renate Dille-Beyer kniet sich neben einen Busch hin und pflückt die gelben Bohnen ab:

    "Es macht auch wirklich Spaß, hier hin zu kommen, so abends, nach so nem langen Tag, kann man hier so'n bisschen Hacken und Unkrautjäten und so seinen Gedanken nachhängen. Das ist eigentlich noch recht entspannend. Wir haben letztens sogar die Gartenarbeit dem Kinobesuch vorgezogen. "

    Die Kölnerin ist eine von rund 40 Hobbygärtnern, die auf diesem Acker in dem Kölner Vorort Hochkirchen ihr eigenes Gemüse haben. Lange Reihen unterschiedlichster Sorten – Radieschen, Kürbis, Salat, Möhren oder auch Kartoffeln. "Gartenglück" heißt das Selbsternte-Projekt, betrieben von Katrin Ivanov-Below und ihrem Mann Evgeny Ivanov. Die beiden haben Ökologische Agrarwissenschaften an der Universität Kassel studiert. Im Studium haben sie diese Art Selbsternteprojekt kennengelernt, acht gibt es davon mittlerweile in Deutschland – Gemüsegärten für Menschen, die keinen Garten haben. Evgeny Ivanov schaut über die üppigen Gemüsereihen und erklärt:

    "Wir haben im Frühjahr das Gemüse in Längsreihen gesät und gepflanzt. Und dann im Mai haben wir die Reihen, die längs angebaut waren, quer geteilt, so dass gleichgroße Parzellen entstanden sind. Und auf jeder Parzelle steht dann immer das gleiche Gemüse drauf. "

    160 Euro kostet eine Parzelle für die ganze Saison – 25 Meter lang, knapp 3,5 Meter breit. Nach der Vorbereitung durch die Profis muss jeder Hobbygärtner alles selbst machen: Unkraut jäten, gießen, hacken, ernten. Das fertige Gemüse hat einen Wert von 500 bis 600 Euro. Genug, um eine vierköpfige Familie eine Saison lang zu versorgen, sagen die Ivanovs. Katrin Ivanov-Below erläutert die Wahl der 30 Gemüsesorten:

    "Wir haben halt überlegt, was so klassische, leckere Sachen sind. Und dann haben wir natürlich geguckt, wie das mit dem Anbau klappt, also, wie groß das Risiko ist, dass das hier nichts wird. Und dann haben wir uns noch überlegt, welches Gemüse so relativ idiotensicher in Anführungsstrichen ist, auch für uns vom Anbau her und dann nachher für die Pflege. "

    Renate Dille-Beyer hat unterdessen zwei Gießkannen mit Wasser geholt und steigt in ihr Lauchbeet:

    "So, jedes Pflänzchen einen guten Schluck. Die sind gerade erst letzte Woche gesetzt worden. Die Ivanovs betreiben das "Gartenglück" nur nebenbei – in diesem ersten Jahr ist das Projekt ein Zuschussgeschäft. In der nächsten Saison werden sie den Parzellenpreis leicht anheben, außerdem soll ein kleiner Traktor die Vorbereitung des Ackers einfacher und schneller machen. Es ist für beide bisher eher ein bezahltes Hobby, aber sie sind mit Begeisterung dabei. "

    Ihre beiden dicken schwarzen Minischweine Willi und Frida haben auch ein Plätzchen im "Gartenglück" gefunden und futtern Gemüseabfälle. Katrin Ivanov-Below:

    "Das ist ja auch eins unserer Ziele: Kindern, aber auch Erwachsenen die Nähe zur Landwirtschaft, den Umgang auch mit landwirtschaftlichen Tieren und mit dem Gemüse eben zu ermöglichen. Einfach das Verständnis zu wecken, wie das alles funktioniert. Das scheint durch das Projekt auch zu gelingen. Wir haben schon von Kindern gehört, die jetzt plötzlich wieder Salat essen. Den sie vorher immer ausgespuckt haben. "

    Die Anfänger unter den Gärtnern können sich von den beiden Agrarwissenschaftler zweimal in der Woche beraten lassen. Oder auf der Internetseite nachlesen, was sie wann ernten können, die Texte hängen auch im "Gartenglück" aus. Außerdem bearbeiten die Ivanovs selbst eine "Musterparzelle". Renate Dille-Beyer hat ihre Arbeit für heute erledigt. Doch bevor sie nach Hause fährt, fragt sie noch bei den Fachleuten nach, was sie mit den abgeernteten Bohnenbüschen machen soll:

    "Abschneiden oder rausrupfen? Abschneiden? Also wenn man sie abschneidet, dann bleiben noch die Wurzeln drinne, die viel Stickstoff gespeichert haben, das ist wunderbarer Biodünger. "

    "Ok, lass ich also drin.
    Und man kann zwischen den Wurzeln dann lockern und was pflanzen.
    Ich warte drauf, dass es regnet. Morgen soll es regnen.
    Übermorgen, ja. "

    "Gartenglück" soll es auch im nächsten Jahr wieder geben, dann wahrscheinlich sogar noch auf einem weiteren Grundstück in Köln. Interessenten können sich unter www.gartenglueck.info für die nächste Saison anmelden. Für nächstes Jahr ist übrigens auch die Öko-Zertifizierung des Gartens geplant.