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Acrylglas mit Bio-Anteil

Acryl- oder Plexiglas ist durchsichtig und praktisch unzerbrechlich. Das macht es vielfältig einsetzbar - zum Beispiel als Uhrenglas oder in Haltestellen. Bisher wurde PMMA - so die Abkürzung - aus Erdöl hergestellt. Dies könnte zumindest teilweise durch nachwachsende Rohstoffe ersetzt werden.

Von Hellmuth Nordwig | 19.02.2013
    Glasähnliche Kunststoffe müssen nicht zu 100 Prozent aus Erdöl hergestellt werden. Noch ist das weitgehend so: zum Beispiel beim Material namens PMMA, aus dem Acrylgläser gefertigt werden. Doch Forschern ist es gelungen, diesen Kunststoff mit einem zweiten zu vermischen, der sogenannten Polymilchsäure. Und die wird aus pflanzlichen Rohstoffen gewonnen. Matthew Crans von der Pariser Firma Altuglas International:

    "PMMA wird vor allem wegen seiner Transparenz verwendet. Die Lichtdurchlässigkeit ist hervorragend, sogar höher als bei Glas. Wir wollen diese Eigenschaft natürlich beibehalten. Wenn man Polymilchsäure und PMMA mischt, beeinträchtigt das die Transparenz nicht. Die Polymilchsäure war also ein guter Kandidat, als wir einen Bio-Zusatz zu PMMA gesucht haben."

    Bis zu 50 Prozent Polymilchsäure kann dieser Mischkunststoff enthalten. Für die Anwender ist er aber nicht nur deshalb interessant, weil er zur Hälfte aus nachwachsenden Rohstoffen hergestellt wird. Wenn Polymilchsäure zugesetzt wird, hat das Material nämlich auch andere Eigenschaften. Zum Beispiel ist das Gemisch noch bruchsicherer als PMMA allein - ein US-Autohersteller verwendet es daher für seine Rückleuchten.

    "Im Vergleich mit dem herkömmlichen PMMA und anderen Kunststoffen hat es zwei wesentliche Vorteile: Es zerbricht nicht so leicht, und die Widerstandsfähigkeit gegen Chemikalien ist besser. Außerdem kann der Mischkunststoff leichter verarbeitet werden - und er enthält erneuerbare Rohmaterialien."

    Polymilchsäure ist einer der wichtigsten Biokunststoffe. Sie spielt nicht nur als Zusatz für Acrylglas eine Rolle. Aus der reinen Polymilchsäure werden unter anderem Getränkeflaschen, Verpackungsfolien und Textilfasern hergestellt. Erzeugt wird Polymilchsäure aus Maisstärke. Die weltweit größte Anlage dafür steht im US-Bundesstaat Nebraska, mitten im Maisgürtel Nordamerikas. 140.000 Tonnen des Biokunststoffs können dort im Jahr hergestellt werden. Von dort bezieht auch die Pariser Firma Altuglas ihr Rohmaterial. Seit Kurzem steht auch in Guben in der Niederlausitz eine Polymilchsäure-Pilotanlage. Gebaut hat sie die Berliner Firma Uhde Inventa Fischer, bei der Dr. Rainer Hagen für die Polymilchsäure zuständig ist.

    "Man muss aber dazu sagen, dass so eine Pilotanlage eine sehr geringe Kapazität hat. In unserem Fall ist sie 500 Tonnen im Jahr. Der Zweck einer Pilotanlage ist nicht, die Polymilchsäure in großen Mengen herzustellen, sondern den Prozess auszuprobieren und zu optimieren."

    Hier gibt es noch Nachholbedarf in Europa. Alle Biokunststoffe zusammen haben nicht einmal einen Marktanteil von einem Prozent. Und Polymilchsäure wird hierzulande bisher nicht industriell hergestellt. Doch inzwischen wird deutlich, dass sie nicht nur die fossilen Ressourcen schont. Gegenüber vergleichbaren Kunststoffen aus Erdöl sehen Anwender Vorteile für die Polymilchsäure, etwa bei Lebensmittelverpackungen oder Fasern für Funktionskleidung. Diese Einsatzmöglichkeiten machen den Kunststoff auf Pflanzenbasis interessant - nicht nur als Bio-Zusatz zu Acrylglas.