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Ade, süße Freiheit!

Sein eigener Herr im Job zu sein, selbst zu entscheiden, wann und wie man arbeitet, das sind die Idealvorstellungen von der Selbständigkeit. Seit es wieder mehr Jobs gibt, ziehen aber immer mehr Selbständige die Rückkehr in den festen, sicheren Job in Erwägung. Wie attraktiv Selbständige als Bewerber auf Jobs sind, das kommt vor allem auf ihre Motivation an und wie sie die verkaufen.

Von Andrea Lueg |
    Schon bevor Anke Rohn-Maas sich 2001 als Personalberaterin für den öffentlichen Dienst selbständig machte, hatte sie eine abwechslungsreiche Karriere hinter sich: Die gelernte Diplom-Verwaltungswirtin zog es nach der Wende in den Osten, in Leipzig wurde sie schon mit 27 Beamtin auf Lebenszeit und mit 28 Abteilungsleiterin und Vorgesetzte von 200 Mitarbeitern. Viele Möglichkeiten zur Weiterentwicklung sah sie dann aber nicht mehr und entschloss sich zu einem ungewöhnlichen Schritt: Sie gab den Beamtenstatus auf. Eine kurze Weile später wagte sie einen weiteren Schritt: Sie machte sich selbständig.

    " Ich fand es unheimlich spannend, vor allem die Projekte auch inhaltlich von meiner Seite her so zu gestalten, wie ich mir das vorstelle. Für mich war ich unabhängig, und ich fand das wahnsinnig spannend. Das habe ich dann drei Jahre gemacht, mit sehr großem Erfolg, viel mehr als ich eigentlich vermutet hatte. "

    Doch es gab auch eine Kehrseite der Medaille. Anke Rohns Ehemann ist ebenfalls selbständig und viel unterwegs und irgendwann war es schwer, noch so etwas wie ein Privatleben zu organisieren. Außerdem fehlte Anke Rohn beim selbständigen Arbeiten etwas.

    " Was ich ein Stückweit vermisst habe, das war dieses Teil Sein eines Systems. Das hat man als Freiberuflerin nicht. Man ist immer und überall auf sich alleine gestellt. Man hat keine Kollegen, man hat niemanden, mit dem man auch mal Projekte diskutieren kann. Man kann natürlich netzwerken, aber es fehlt doch irgendwo diese Eingebundenheit in eine System "

    Also entschloss sich die Personalfachfrau nach drei Jahren Selbständigkeit, den Weg zurück in einen festen Job zu suchen. Im privaten Umfeld stieß dieses Vorhaben erstmal auf Skepsis. Wer so verrückt war, den Beamtenstatus aufzugeben, hieß es, den wird wohl niemand mehr in eine Festanstellung nehmen.

    " Und so ist es dann auch erstmal bei den Bewerbungen gelaufen. Ich habe viele Unterlagen zurückbekommen, und habe aber dann auch mal nachtelefoniert und habe dann so ein Stück weit gehört, na ja, aus der Selbständigkeit heraus, das können wir uns gar nicht vorstellen, wieso Sie wieder in ein Anstellungsverhältnis wollen. Dann hat's aber doch geklappt und spannenderweise im öffentlichen Dienst. "

    Grundsätzlich sind Selbständige als Bewerber gar nicht uninteressant für Unternehmen, erklärt Rouven Schäfer, Personalchef beim Kölner Internetportal DocCheck:

    " Weil Unternehmer sagen, okay ich möchte jemanden einstellen, der unternehmerisch denkt, der Verantwortung übernommen hat, der kalkulieren musste, der auch weiß, ich bin jetzt hier nicht nur weil es Spaß macht, sondern ich muss Geld verdienen, ich hab Kosten, ich hab verschiedene Einflussfaktoren, sodass diese grundsätzliche unternehmerische Denke aus Unternehmenssicht spannend ist. "

    Dann kommt es aber zum Beispiel darauf an, wie und wie lange jemand selbständig war.

    " Interessant ist dann natürlich zu sehen, was hat die Person wirklich gemacht. Hat man Mitarbeiter geführt, hat man ein richtiges Unternehmen gehabt, war man einfach nur zwei Jahre als Grafiker in einigen freien Projekten tätig, das sind ja auch unterschiedliche Schwerpunkte, Nuancen. Es ist sicherlich schwieriger für einen Freiberufler, nach 15 Jahren Selbständigkeit mit einer kleinen Firma mit 15 Leuten auf einmal zu sagen, ich möchte jetzt gerne in die Festanstellung, würde mich da in eine Hierarchie einordnen und hätte Lust da Projekte zu machen. "

    Grundsätzlich gilt: Eine kurze Phase der Selbständigkeit von zwei bis drei Jahren stellt meist kein Problem dar. Wer länger selbständig war, braucht schon eine sehr kreative Bewerbungsstrategie. Wichtig ist vor allem darzustellen, dass man seine Zukunft tatsächlich in der Festanstellung sieht und nicht nur einen Versuchsballon steigen lässt. Auch sollte man eigene Schwachstellen kritisch analysieren und überlegen, wie man damit umgehen will. Wenn man etwa ein kreativer Kopf ist, aber einfach kein Kaufmann, dann kann das durchaus ein gutes Argument dafür sein, dass man in bestimmten Positionen in einem Unternehmen besser aufgehoben ist als in der Selbständigkeit. Und natürlich muss man vor allem klar machen, was der Arbeitgeber davon hat, einen ehemaligen Selbständigen einzustellen.

    " Gerade im Bereich Zeugnisse, gibt's ja keine Arbeitszeugnisse, wenn ich fünf sechs Jahre freiberuflich tätig war. Dann sind halt erhöhte Anforderungen zu stellen an Referenzen, an Projektbeispiele, zu sagen, hier, das habe ich mit dem Kunden gemacht, das war die Zielrichtung, da habe ich das bewegt, um ein gewisses Gefühl von: War er hochqualitativ am Markt tätig oder hat er sich irgendwie durchgewurschtelt? herzustellen. Da gibt's ja verschiedenste Versionen, und hier muss ein Selbständiger dann einfach kritisch auf sein eigenes Profil, auf seine Jahre der Erfahrung blicken und sagen: Zeugnisse habe ich nicht, wie kann ich mich trotzdem gut darstellen. Und positive Resonanzschreiben von zufriedenen Kunden sind da schon mal eine gute Sache. "

    Auch sollte man sich Gedanken über die Bezahlung machen und sich fragen, ob man mit einem geringeren Einkommen zufrieden wäre. Denn meist verdienen Selbständige deutlich mehr als Festangestellte.

    Die Jobperspektiven haben sich jedenfalls deutlich gebessert. Nach den mageren Jahren 2002/2003, in denen zum Beispiel in der Internet und Multimediabranche kaum eingestellt wurde, sieht Rouven Schäfer jetzt durchaus wieder Chancen auch für Selbständige.

    " Jetzt in den letzten Jahren ist ein gewisses Wachstum da, sodass man dadurch auch eher bereit ist, Stellen zu schaffen und der Einstieg für Berufsanfänger jetzt sicherlich leichter ist als vor 2007/2008, aber auch für Freelancer die sagen, okay, ich habe jetzt zwei Jahre das gemacht, ich möchte jetzt in eine Festanstellung, wo jetzt auch gute Chancen bestehen. "