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Adenauer kontra Schumacher

Bei der ersten Bundestagswahl, 1949, standen sich Konrad Adenauer (CDU) und Kurt Schumacher (SPD) als Konkurrenten gegenüber. Bis zum Wahltag blieb es ein Kopf-an-Kopf-Rennen, das schließlich die CDU knapp gewann. Marktwirtschaft oder Planwirtschaft? - hieß es damals im Wahlkampf.

Von Georg Gruber | 14.08.2009
    "Das herrliche Spätsommerwetter, mit strahlender Sonne und wolkenlosem Himmel, hat die Bevölkerung schon zu frühem Aufbruch aus Stuben und Zimmern gelockt."

    Ein Reporter des Rias beobachtet in Wiesbaden am 14. August 1949 die erste Bundestagswahl.

    "In den Wahllokalen, meistens waren es Schulen oder Gaststätten, lief der gesamte Betrieb sehr ruhig und ohne irgendwelche lebhaften Diskussionen ab; völlig ungezwungen, völlig frei ohne jeden heimlichen oder gar unheimlichen Beobachter."

    Das Ende des Zweiten Weltkrieges lag gerade einmal vier Jahre zurück. Im Mai 1949 war das Grundgesetz verkündet worden und diese erste Wahl zum Bundestag war nun ein weiterer Schritt in Richtung Normalität. Der Wahlkampf war kurz und heftig. Die SPD plakatierte:

    Alle Millionäre wählen CDU-FDP. Alle übrigen Millionen Deutsche die SPD.

    "Vergessen Sie einmal, dass, während ich zu Ihnen spreche, draußen ein Wahlkampf tobt, der sehr hässliche Begleiterscheinungen zeitigt."

    Konrad Adenauer, der CDU-Vorsitzende. Es ging um eine wichtige Weichenstellung: Marktwirtschaft oder Planwirtschaft, wie sollte die Wirtschaftsordnung der jungen Bundesrepublik aussehen? Das Grundgesetz ließ diese Frage offen.

    "Bei Ihnen, beim Wähler, liegt es letzten Endes, wie diese Leere ausgefüllt werden soll. Ob mit einer Institution, einem Parlament und einer Regierung, die uns wieder mit dem Zwang der Staatsallmacht dem Sozialismus in die Arme führt; oder mit einem Bundestag und einer Bundesregierung, denen der Einzelne, seine Freiheit und sein Wohlergehen, oberstes Gesetz des Handelns sein werden."

    Adenauers Gegenspieler war der SPD-Vorsitzende Kurt Schumacher. Schumacher, der alles andere war, als ein Moskau höriger Kommunist, propagierte Planwirtschaft und die Verstaatlichung von Schlüsselindustrien. Und er forderte weit vehementer als Adenauer die deutsche Einheit:

    "Wenn wir jetzt sehen, welche Opfer die Deutschen gebracht haben, in dem hoffentlich vorübergehenden Verlust ihrer staatlichen Existenz, in der hoffentlich vorübergehenden Zerreißung Deutschlands in nationaler, kultureller, wirtschaftlicher und staatlicher Hinsicht - und wenn wir das wirtschaftliche Desaster anschauen: Nun, werte Versammlung, das sind schon Reparationen!"

    Der Wahlausgang war offen. In den ersten Nachkriegsjahren war Schumacher seinem Konkurrenten noch überlegen gewesen. Er hatte mit der SPD die besser organisierte und loyalere Partei hinter sich als Adenauer, dessen CDU sich noch im Aufbaustadium befand. Doch Adenauer verstand es, sich als Präsident des Parlamentarischen Rates zu profilieren. Und die CDU hatte mit dem damals noch parteilosen Ludwig Erhard, dem Vater der Währungsreform, ein starkes Zugpferd im Wahlkampf:

    Der beste Wahlhelfer der CDU ist allerdings Kurt Schumacher selbst,

    resümiert der Adenauer Biograf Hans-Peter Schwarz:

    Adenauer weiß, sich staatsmännisch zu geben, selbst wenn er mit giftigster Polemik arbeitet. Schumachers Angriffe aber sind maßlos, und er macht den großen Fehler, den Wahlkampf zu einer frontalen Auseinandersetzung mit der katholischen Kirche zu nutzen. Indem er diese als 'fünfte Besatzungsmacht' bezeichnet, treibt er jeden auch nur einigermaßen kirchentreuen Katholiken den Wählerscharen der CDU zu.

    Die CDU/CSU ging schließlich als Sieger ins Ziel, erreichte 31 Prozent der Stimmen, die SPD knapp zwei Prozent weniger. Elf Parteien schafften den Sprung ins Parlament, darunter die FDP, die KPD, die Bayernpartei und die Deutsche Zentrumspartei. Eine Fünf-Prozent-Hürde gab es damals nur auf Landesebene.

    Die Stimmen sind gezählt. Die Würfel über die Sozialisierung sind gefallen. 246 mit Gewissheit sozialisierungsfeindliche Kandidaten sitzen im Bundestag 146 Sozialisten gegenüber,

    schrieb der "Spiegel" im August 1949 nach der Wahl. Und weiter:

    Die erste verlorene Sozialisierungsschlacht auf westdeutscher Ebene wird auch die letzte sein. Denn umwälzende Strukturveränderungen dieser Art sind erfahrungsgemäß ohne Revolution oder ohne ausländische Intervention nur zu bewerkstelligen, wenn die Zeiten turbulent und chaotisch sind, wie etwa dicht nach einem total verlorenen Krieg.

    Hätte Schumacher diese erste Bundestagswahl gewonnen und die Schlüsselindustrien verstaatlicht, Deutschland sähe heute womöglich anders aus.