Archiv

Adil Yigit
Ausländerbehörde dementiert geplante Ausweisung

Nach Jahrzehnten Aufenthalt müsse er Deutschland verlassen, erklärte am Wochenende der türkische Journalist Adil Yigit, der durch seinen Anti-Erdogan-Protest im Kanzleramt bekannt wurde. Doch dem widerspricht nun die zuständige Hamburger Ausländerbehörde.

Von Michael Borgers |
    Das Foto zeigt den türkischen Journalisten und Regierungskritiker Adil Yigit auf einer Pressekonferenz im Bundeskanzleramt. Er wird von Ordnern aus dem Saal gebracht.
    Adil Yigit forderte "Freiheit für Journalisten in der Türkei" - auf einer Erdogan-PK in Berlin. (picture-alliance / dpa / Kay Nietfeld)
    Als Adil Yigit von Sicherheitskräften von einer Pressekonferenz im Kanzleramt geführt wurde, war das ein Bild des umstrittenen Staatsbesuchs des türkischen Staatspräsidenten Ende September. Yigit trug ein weißes T-Shirt mit dem Aufdruck "Gazetecilere Özgürlük - Freiheit für Journalisten in der Türkei". Der Kritisierte, Recep Tayyip Erdogan, kommentierte die Szene mit einem Lächeln, Bundeskanzlerin Angela Merkel mit erkennbarem Unbehagen.
    Am Wochenende teilte Yigit nun gegenüber dpa und taz mit, er müsse ganz gehen und Deutschland bis zum 22. Januar 2019 verlassen. Die Hamburger Ausländerbehörde habe seine Aufenthaltserlaubnis nicht verlängert - und reagiere damit auch auf seine Protestaktion. "Anders kann es gar nicht sein", sagte der 60-Jährige der taz, für die er in der Vergangenheit als Kolumnist gearbeitet hat; Yigit betreibt außerdem die kritische türkische Onlineplattform "Avrupa Postasi".
    Ausländerbehörde: Keine Ausweisung angeordnet
    Doch die Hamburger Ausländerbehörde weist beides zurück: Für Yigit sei keine Ausweisung angeordnet worden und es sei keine Abschiebung des Mannes geplant. Auch bestehe kein Zusammenhang zwischen den "politischen Ansichten oder Tätigkeiten des Herrn Y" und der Tatsache, dass man seine bisherige Aufenthaltserlaubnis nicht verlängert habe.
    In einer Stellungnahme der Behörde heißt es weiter, die gesamte Vorgehensweise sei mit "Herrn Y. und seinem Rechtsanwalt im Vorfeld so abgesprochen". Yigits Antrag, seine befristete Aufenthaltsgenehmigung zu verlängern, sei abgelehnt worden, weil die gesetzlichen Voraussetzungen nicht mehr erfüllt seien. Diese Ablehnung sei "standardmäßig" auch mit einer Ausreiseaufforderung verbunden. In dem Bescheid werde ihm aber "gleichzeitig schriftlich zugesichert", dass ihm "nach Eintritt der Bestandskraft eine andere Aufenthaltserlaubnis erteilt wird".
    Und diese neue Aufenthaltsgenehmigung werde nun aus "humanitären Gründen" vergeben, präzisierte ein Sprecher der Behörde später noch gegenüber dem epd. Aus rechtlichen Gründen könne Yigit eine solche Erlaubnis nur erteilt werden, wenn eine Aufenthaltsgenehmigung aus anderen Gründen abgelehnt werde.
    Yigit sagte dem epd, er sei überrascht über die Aussage der Ausländerbehörde. "Ich bin nicht darüber informiert worden, dass ich eine neue Aufenthaltsgenehmigung erhalte", sagte er und kündigte für Dienstag eine Pressekonferenz an.
    Die Abschiebeverfügung ist offenbar missverständlich formuliert. Darin heißt es: "Sollten Sie nicht bis zum 22.01.2019 ausgereist ein, wird Ihnen hiermit nach § 59 AufenthG die Abschiebung ins Heimatland (Türkei) angedroht (...)." Die Kosten "einer notwendig werdenden Abschiebung" habe Yigit selbst zu tragen. Dann folgt der Satz: "Nach Eintreten der Bestandskraft dieses Bescheids wird Ihnen eine Aufenthaltserlaubnis gem. § 25 Abs. 5 AufenthG erteilt."
    In der Ursprungsversion dieses Textes wurden mit den Einschätzungen des Frankfurter Rechtsanwalts für Ausländerrecht, Tim W. Kliebe, beschrieben, wie es für Adil Yigit weitergehen könnte. Diese Szenarien sind hinfällig geworden. Der Text wurde entsprechend aktualisiert. In der ursprünglichen Version hieß es:
    Für den Frankfurter Rechtsanwalt für Ausländerrecht, Tim W. Kliebe, bleiben grundsätzlich drei Möglichkeiten: Yigit klagt vor dem Verwaltungsgericht und stellt zusätzlich einen Eilantrag. "Dann müsste man noch mal gucken, wie war seine wirtschaftliche, sprachliche und sonstige Integration." Gegebenenfalls könnten die Richter so einen humanitären Aufenthalt anerkennen, "weil er hier so gut verwurzelt ist und eine Ausreise nicht zumutbar ist", erklärte Kliebe gegenüber @mediasres.
    Andernfalls käme noch ein Asylantrag infrage – und der hätte dem Anwalt zufolge gute Aussichten. Denn dass dem Journalisten in der Türkei Verfolgung drohe, stehe wohl außerfrage. Allerdings: Yigit will keinen Asylantrag stellen, stellte er bereits in der taz klar: "Die wollen mich nur in die Asylfalle locken." Er wolle seinen türkischen Pass behalten, um weiterhin in seine Heimat reisen zu können. Irgendwann nach der Ära Erdogan "für immer", wie er betont.
    So bleibe noch die (dritte) Möglichkeit einer "individuellen Garantieerklärung", sagt Rechtsanwalt Kliebe. Das würde bedeuten, die Türkei garantiere dem deutschen Staat, "dass dem Man nichts passieren wird". Dann könne sich Yigit sicher sein, dass deutsche Diplomaten seinen Fall beobachten.
    Dass sich Berlin einem Druck aus Ankara beuge und sich das Bundesinnenministerium (BMI) in den Fall des türkischen Exilanten eingemischt habe, glaubt Kliebe allerdings nicht. "Falls es Standleitungen des BMI zu den Innenministerien der Länder gäbe, würde ich vermuten, dass es in diesem Fall eher darauf hingewirkt hätte, den Aufenthaltstitel zu verlängern, um keine Öffentlichkeit zu erzeugen." Denn aktuell sei die deutsche Außenpolitik nicht an einer Konfrontation mit der Türkei interessiert, schätzt der Anwalt.