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Adoptionsstreit zwischen USA und Russland

Seit Jahresbeginn gilt für US-Bürger ein Adoptionsverbot russischer Kinder. Offizieller Grund war der Tod eines russischen Adoptivkindes in den USA. Doch Regierungskritiker vermuten eine Trotzreaktion auf Einreiseverbote für russische Funktionäre, die mitverantwortlich sein sollen für den Tod eines Anti-Korruptions-Anwalts.

Von Gesine Dornblüth |
    Erst Dima Jakowlew, dann Maksim Kuzmin. Der dreijährige Junge starb Ende Januar in Texas, angeblich wurden blaue Flecken und Schrammen auf seinem Körper gefunden. Russische Beamte hatten schnell eine Erklärung parat: Maksim sei von seiner Adoptivmutter gefoltert und geschlagen worden. Bewiesen ist das nicht. Die Debatte über angeblich massenhafte Misshandlungen russischer Kinder in den USA erreicht damit einen neuen Höhepunkt. Gestern mischte sich der Leiter des mächtigen russischen Ermittlungskomitees, Aleksander Bastrykin, ein:

    "Das Ermittlungskomitee der Russischen Föderation hat elf Strafverfahren eröffnet, und wir führen unsere eigenen Ermittlungen. Wir werden, auf der Basis internationalen Rechts, alle US-Bürger zur Verantwortung ziehen, die schwere Verbrechen gegen russische Kinder begangen haben und in den USA dafür nicht bestraft wurden."

    Russische Beamte werfen den US-Behörden vor, sie würden nicht mit ihnen kooperieren. Der Generalkonsul der USA in Russland, Bill Bistransky, weist das zurück.

    "Natürlich hat es eine Zusammenarbeit zwischen den US-Behörden und dem russischen Konsulat in Houston gegeben, auch in der Frage des Todes von Maksim Kuzmin, und zwar seit Langem. Die russischen Diplomaten in Houston haben sich sogar zufrieden über unsere Zusammenarbeit geäußert."

    Das Thema beherrscht seit Tagen die russischen Nachrichten.
    Jetzt geht es um den kleinen Bruder des gestorbenen Maksim, Kirill. Die beiden Brüder wurden seinerzeit gemeinsam aus einem Kinderheim im russischen Pskow in dieselbe Familie adoptiert. Der zweijährige Kirill soll nun zurück nach Russland kommen. Einen entsprechenden Antrag hat die Generalstaatsanwaltschaft bei dem Gericht in Pskow eingereicht, das seinerzeit die Adoption genehmigt hatte. Der stellvertretende Gouverneur von Pskow, Maksim Zharovonkow:
    "Das Familienrecht sieht vor, dass die Fürsorgestellen vor Gericht beantragen können, eine Adoption rückgängig zu machen, wenn Adoptiveltern ihre Rechte missbrauchen und Gewalt an Kindern zulassen."

    Das russische Außenministerium holte unterdessen noch einen weiteren Fall hervor. Es geht um einen Jungen aus Sibirien, der bereits vor sechs Jahren in die USA adoptiert wurde. Die Adoptivmutter habe damals verschwiegen, dass sie in einer lesbischen Beziehung lebe, heißt es. Mittlerweile sei die Beziehung zerbrochen, beide Frauen kämpften um das Sorgerecht. Dadurch werde der Junge, so heißt es auf der Internetseite des Ministeriums wörtlich, in die "Klärung einer moralisch und sittlich äußerst zweifelhaften Beziehung hineingezogen". Das russische Staatsfernsehen legte nach:

    "Anlass zur Sorge bietet auch, dass die Adoptivmutter ein Verfahren wegen Trunkenheit am Steuer hatte."

    Russische Blogger und kritisch gegenüber der Regierung eingestellte Kommentatoren sind sich einig: Die Beamten und Politiker haben mit dem zweiten Todesfall lediglich einen Vorwand gefunden, das kürzlich beschlossene umstrittene Adoptionsverbot für US-Bürger im Nachhinein zu rechtfertigen. Ihnen gehe es nach wie vor lediglich darum, eine Antwort auf die sogenannte Magnitzki-Liste zu finden: auf das Einreiseverbot für einige russische Beamte, die Menschenrechte verletzen, in die USA.

    Aus dem russischen Außenministerium hieß es unterdessen, der Tod von Maksim Kuzmin werde auch eines der Kernthemen bei dem Gespräch von Außenminister Sergej Lawrow und seinem Amtskollegen John Kerry werden. Beide treffen sich am kommenden Dienstag in Berlin. Lawrows Stellvertreter, Gennadij Gatilow, unterstrich diese Woche, die USA und Russland würden in vielen Bereichen gut zusammenarbeiten, vor allem in Afghanistan.

    "Wir führen mit den USA einen sehr breit gefächerten Dialog zu vielen Fragen. Man darf das eine nicht mit dem anderen verbinden, das wäre politisch falsch."