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"Adulte Stammzellen sind vielversprechender als embryonale"

    Engels: Ich begrüße Monika Knoche, die für Bündnis 90/Die Grünen im Bundestag sitzt und an dem Antrag der Gegner des embryonalen Stammzellenimports mitgearbeitet hat. Frau Knoche, mit welcher Entscheidung rechnen Sie im Bundestag?

    Knoche: Nachdem ich weiß, dass sich die Abgeordneten hälftig hälftig mit ihren Unterschriften erklärt haben, bleibt die Frage, wie jene Abgeordneten sich entscheiden. Bisher haben diese noch nicht zu Papier gegeben, in welche Richtung sie tendieren. Ich denke, die Entscheidung ist offen. Ich glaube allerdings, dass es wesentlich davon abhängt, dass in der Debatte deutlich wird, dass jedwedes, auch wie geartete "Ja" erstmals in Deutschland die Tore öffnet - und sie werden in der Folge weit geöffnet werden -, an der Vernutzung von Embryonen zu Forschungszwecken teilzuhaben. Das ist eine grundrechtlich hoch relevante Entscheidung, die man nicht marginalisieren kann, indem man von einem Mittelweg oder Kompromiss spricht.

    Engels: Anhänger des Mittelweges, u.a. Forschungsministerin Buhlmann, argumentieren ja, der Lebensschutz von Embryonen werde, wenn man sich nicht auf einen Kompromiss einigt, völlig aus den Angeln gehoben, weil dann deutsche Forscher im Ausland forschen würden.

    Knoche: Nun, unser Grundgesetz gilt in der Bundesrepublik Deutschland, und es gilt für die Forscher hier in Deutschland. Wir haben ein Embryonenschutzgesetz, dass das modernste in der Welt ist, und von daher haben wir einen ganz festen, unverrückbaren Rechtsrahmen, der es eben nicht erlaubt, aus dem menschenwürdigen Konzept herauszutreten und die Forschung höher zu bewerten als die Menschenwürde. Das ist in anderen angelsächsischen Ländern so nicht der Fall. Die Konsequenz aber, wenn wir hier diese Grundsatzentscheidung treffen würden, wäre genau, dass diese zweckfreie Moral, die unsere Verfassung auszeichnet, und das Tabu der Instrumentalisierung des Lebens dadurch aufgebrochen werden würde, dass wir selber durch Gesetz dann sagen würden: Doch, wir wollen diese Forschung haben und wir wollen sie durch Import legalisieren. Dann ist der Weg nicht mehr weit, und da sprechen die Abgeordneten der FDP und Herr Hintze eine deutliche Sprache: Dann wollen wir auch in Deutschland in die Produktion dieser hochbegehrten Ressource menschlichen Materials einsteigen.

    Engels: Was sagen Sie denn den Menschen, die auf die Heilung von tückischen Krankheiten hoffen?

    Knoche: Wir haben eine viel zu wenig beachtete hochinteressante Stammzellforschung in Deutschland entwickelt, die sich auf adulten Stammzellen aufbaut. Diese Stammzellen sind um einiges vielversprechender als die embryonalen. Sie werden in der Therapie - wenn es je eine gibt - wesentlich weniger medizinische Probleme aufweisen können als das immer fremde auch genetisch andere eines Embryos. Wir sind nicht alternativlos, sondern wir haben einen Forschungsschwerpunkt auf diesen adulten Stammzellen und aus Nabelschnurblut gewonnenen embryonalen Stammzellen, die keine ethische Grenzüberschreitung vorausgesetzt haben, so dass ich auch hinzufügen möchte: Wir müssen, wenn sich je aus der Stammzellforschung Therapieoptionen entwickeln können - dies kann derzeit allerdings niemand seriöserweise sagen -, sicherstellen, dass wir eine Therapieform preferieren, bei der wir nicht gezwungen sind, menschliches Leben zu erzeugen, um es zu vernutzen und um es als Produktlinie in eine Therapiekonzeption zu bringen. Wir haben diesbezügliche vergleichbare Erfahrungen in der Organtransplantation gemacht. Wir dürfen nicht eine neue Therapie auf einem prinzipiellen Dilemma, nämlich des Mangels, aufbauen.

    Engels: Sie haben die verfassungsrechtlichen Konsequenzen bzw. die verfassungsrechtlichen Bedenken angesprochen. Was tun Sie denn, wenn heute der uneingeschränkte oder der eingeschränkte Import von embryonalen Stammzellen beschlossen wird? Gehen Sie dann nach Karlsruhe?

    Knoche: Es ist so: Wenn heute beschlossen wird - wofür ich sehr streite und werbe - , keinen Import zuzulassen, dann werden wir in einem Gesetz eine Strafnorm entwickeln, so dass dieses Tabu durch eine Strafnorm bestätigt wird. Sollte es zu einer anderen Entscheidung kommen, müssen diejenigen, die diese Öffnung wollen, begründen, warum der Embryo im Ausland keine Menschenwürde hat, der in Deutschland aber sehr wohl, oder, warum generell der Embryo, wenn er außerhalb der Frau existiert, nicht den Anspruch habe, ein Mensch zu sein. Dann muss eine neue Interpretation des grundrechtlichen Status` des Embryo gefunden und begründet werden. Auf diese Debatte bin ich nun sehr gespannt.

    Engels: Frau Knoche, noch ein Wort zur Stimmungslage bei Ihnen in der Fraktion, bei Bündnis 90/Die Grünen. Heute findet ja keine Sitzung wie jede andere statt: Nur in wenigen Sitzungen des Bundestages wird der Fraktionszwang aufgehoben. Denken Sie, dass Ihre Kollegen, sowohl in der Fraktion als auch außerhalb, allgemein sehr gut informiert sind über das was heute passiert?

    Knoche: In meiner Fraktion mit Sicherheit. Ich selber bearbeite dieses Thema seit Jahren intensiv, habe die Enquete-Kommission mit durchsetzten können und es ist für die Grünen eine wertebindende Frage, so dass bei uns die Abgeordneten sehr gut informiert sind. Worüber ich glaube, dass dennoch Informationsbedarf besteht, ist die Tatsache, dass man mit einem sowohl als auch "Nein-Aber-Kompromiss" in der Tat Türöffnerfunktion übernimmt für etwas, was auch in unserer Fraktion übereinstimmend als Tabu erhalten werden soll.

    Engels: Sind Sie aufgeregt vor der heutigen Sitzung?

    Knoche: Absolut. Ich denke, dass diese Debatten jenseits aller anderen diejenigen sind, die man nur mit einer authentischen Position vertreten kann - und wer ist da nicht aufgeregt?

    Engels: Soweit Monika Knoche, Abgeordnete von Bündnis 90/Die Grünen und Gegnerin des Imports embryonaler Stammzellen.

    Link: Interview als RealAudio