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Ägypten, Griechenland, Rom

Im Städelschen Kunstinstitut zu Frankfurt am Main läuft jetzt eine Ausstellung, die ein bisschen großspurig angekündigt wird als eine, die sich erstmals mit den wechselseitigen Beziehungen und Einflüssen von Hochkulturen der Antike - gemeint sind Ägypten, Griechenland und Rom - beschäftigt. Die Frankfurter Schau glänzt vor allem durch exzellente Leihgaben, etwa ein 2,43 Meter hohes ägyptisches Leichentuch aus dem ersten Jahrhundert vor Christus, das dem Moskauer Puschkin-Museum gehört.

Von Beatrix Novy |
    Auf diese Design-Idee gibt es kein Patent: Eine nackte Frau mit sehr schönen, also nicht zu mageren Formen, hält, bäuchlings liegend, eine Schale. Die Bewegung ihres Körpers deutet darauf hin, dass sie schwimmt. Die löffelgroße Skulptur ist ein Löffel: mit einem Griff in der Gestalt einer nackten Schwimmerin und verfertigt von einem etruskischen Handwerker in der ersten Hälfte des 5. Jahrhunderts vor Christus. Solche Preziosen, die das ferne Altertum für Momente in familiäre Nähe rücken, gibt es viele, aber in den dicht gefüllten Sammlungen großer archäologischer Museen übersieht man sie leicht. Das kann in Frankfurt nicht passieren: Die Ausstellung des Städel-Museums setzt, mit Stellwänden und säulengestützten überdachten Räumen architektonisch gestaltet von Holger Wallat, jedes ihrer sparsam verteilten, einander deutlich zugeordneten Objekte in ein helles Licht, das dem Erkenntnisinteresse des Unternehmens entspricht. Neben der schönen etruskischen Schwimmerin liegt zum Beispiel eine ägyptische Schwester: Deren Haltung ist etwas steifer, aber auch sie ist ein Löffel. Die hübsche Idee fand also ihren Weg aus östlicher Richtung nach Westen.
    Drei große Landkarten säumen den Eingang zur Ausstellung und verweisen deutlich auf die Aktualität des Themas: der weite Weg von Kabul bis Italien, den vor 3000 Jahren Händler, Soldaten und Künstler gingen, bezeichnet, auch wenn er heute für die letzte Chance der Elendsflüchtlinge stehen mag, den unausgesetzten interkulturellen Austausch - im Altertum eine Selbstverständlichkeit. Lange vor der Eroberung durch Alexander den Großen wurde Ägypten von den Griechen mit Interesse und Bewunderung als eine damals schon staunenswert alte und unverformbare Hochkultur wahrgenommen, bereits in archaischer Zeit lernten sie von den Ägyptern, in Stein, also für die Götter und die Nachwelt zu bauen. Der deutliche Unterschied zwischen einem griechischen und einem ägyptischen Tempel zeigt aber auch, dass die Griechen zwar die Technik, nicht aber den religiös ganz anders gestimmten Geist des Vorbilds angenommen hatten.

    Die Idee zur Ausstellung gab die Alexander-Statue, die die Frankfurter im Jahr 2000 aus dem Privatbesitz einer italienischen Adelsfamilie für 3 Millionen kauften: Eine Figur aus Rosengranit, die auf den ersten Blick ganz wie ein ägyptischer Pharao aussieht, auf den zweiten aber Elemente von Bewegung und Individualität enthält, die auf griechische Herkunft verweisen. Hier wird der makedonische Eroberer, der den Göttern Ägypten allen Respekt erwies, als Pharao dargestellt, was ebenso wenig ungewöhnlich ist wie die tolerante Verschmelzung der Götter aus allen Himmelsrichtungen: Zeus erscheint mit den Widderhörnern Ammons, Isis, Astarte und Aphrodite werden eins ebenso wie Hermes, Thot und Merkur, Athena und Neith; und der ägyptische Lichtgott Horus, den sonst nur Pharao verkörpern durfte, erscheint im Gewand eines römischen Imperators.

    Der Alexander aus Rosengranit ist als Blickfang in erhabener Einsamkeit inszeniert - zu seiner Rechten und Linken nur je ein Fragment einer Wasseruhr mit Texten, die sich auf seine Herrschaft beziehen. Seitlich eröffnet sich ein Raum des Vergleichs mit vielen anderen Alexanderfiguren und -köpfen. Aufgereiht demonstrieren drei hellenistische und ihnen gegenübergestellte ägyptische Särge, wie das Porträtieren des Verstorbenen auf dem Sargdeckel zur Mode in der antiken Welt wurde. Mag sein, dass die sorgsame, hochästhetische Inszenierung der großen und kleinen Exponate in grellweißer Weitläufigkeit den Vorwurf einer veraltet idealischen Antike-Präsentation einträgt. Aber hier geht es weder um historischen Realismus noch um Pointen, sondern um Bezüge. Und um die zu sehen, braucht man viel Klarheit.